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Die tragische Witwe von Fürth

Sie hat ein großes Erbe angetreten und verloren: Madeleine Schickedanz reiht sich nach Elisabeth Schaeffler in die Folge der tragischen Witwen ein. Wer ist die glücklose Erbin, die viele als Hauptschuldige für die Karstadt-Insolvenz sehen?

Ihr Name ist klangvoll, ehrwürdig und steht für Macht, Einfluss und deutsche Nachkriegsgeschichte. Der Mensch hinter diesem Namen gilt als verschwiegen, als geheimnisvoll, als scheu. Nur zwei, drei Interviews hat sie in ihrem Leben gegeben. Doch Madeleine Schickedanz ist mehr als nur die Unbekannte mit großem Namen, die gemeinhin als Quelle-Erbin bezeichnet wird. Man könnte die 65-Jährige auch als tragische Figur bezeichnen, die falsch geheiratet, die falschen Manager an Bord des Unternehmens geholt hat und falsch beraten worden ist. Wer ist diese Frau, die nach der Pleite der Arcandor AG ungewollt im Mittelpunkt steht? Und wie nähert man sich ihr, von der man nicht weiß, wie reich sie überhaupt noch ist? Die Forsthausstraße im Fürther Stadtteil Dambach ist eine exklusive Adresse. Madeleine Schickedanz wohnt auf einem 70000-Quadratmeter-Parkgrundstück, das von einer roten Steinmauer begrenzt wird, mit ihrem dritten Ehemann Leo Herl. Die Villa, von ihren Eltern Grete und Gustav Schickedanz erbaut, ist nicht zu sehen, Madeleine Schickedanz selber gilt im Ort als ein Phantom. Auch an ihrem zweiten Wohnort St. Moritz lebt das Ehepaar zurückgezogen auf dem Suvretta-Hügel. Die Jetset-Gesellschaft lässt sie kalt. „Ich bin niemand für die Öffentlichkeit“, sagte sie einmal. In Erscheinung tritt sie nur, wenn es um die von ihr gegründete „Madeleine-Schickedanz-Kinderkrebsstiftung“ geht. Wie ein dunkler Schatten liegt das Familienvermächtnis auf Madeleine Schickedanz’ Leben. Da sind die autoritären Eltern, vor allem die Mutter, über die sie einmal gesagt hat: „Es ist sehr schwierig, wenn man eine Übermutter hatte wie ich, ein ebenbürtiger Gegenpart zu sein.“ Dann die Ehemänner: Hans-Georg Mangold, Sohn einer Fürther Spielwarendynastie, heiratet sie 1965. Er macht schnell Karriere, wird Mitglied der Konzernführung – und ist nach der Scheidung 1973 schnell wieder verschwunden. Wolfgang Bühler, zweiter Ehemann von 1973 bis 1999, erleidet ein ähnliches Schicksal: Steiler Aufstieg bis zum Vorstandsvorsitzenden der Schickedanz-Holding, dann nach der Trennung von Madeleine Schickedanz der tiefe Fall. Doch wem soll sie vertrauen? Ihr wird nachgesagt, kaum unternehmerisches Gespür zu besitzen. Ein BWL-Studium bricht sie nach zwei Semestern ab. „Meine Tochter hat kein richtiges Verhältnis zum Geld“, klagt früh der Vater. Doch als Hauptaktionärin nach dem Tod der dominanten Mutter 1994 muss sie die letzte Entscheidung treffen – als „Unternehmerin wider Willen“ wird sie bezeichnet. Sie willigt ein, dass 1999 der florierende Familienbetrieb Quelle beim angeschlagenen Kaufhauskonzern Karstadt einsteigt und zu Karstadt-Quelle fusioniert. Aber an die Front schickt sie wieder nur ihren Ehemann, dieses Mal Leo Herl, ihren dritten, der sie im Aufsichtsrat vertritt. Die Manager, die nun das Sagen haben, hat sie mit ausgesucht. Und eine fatale Fehlentscheidung reiht sich an die nächste. Der Umsatz bricht ein, 2005 droht die erste Insolvenz. Die diskret wirkende Schickedanz bringt 200 Millionen Euro aus eigenem Vermögen ein, um eine Insolvenz zu verhindern. Auch bei der unglücklichen Wahl von Thomas Middelhoff, erst zum Aufsichtsratsvorsitzenden, dann zum Vorstandsvorsitzenden, gilt Schickedanz als Drahtzieherin im Hintergrund. Die Arcandor AG, im vergangenen Jahr noch mit 19,8 Milliarden Euro Umsatz, meldet am 9. Juni Konkurs an. Und 43000 Mitarbeiter wissen nicht, was aus ihnen wird. Für Madeleine Schickedanz der doppelte GAU: Erst die Pleite, dann Gegenstand unzähliger Artikel in den Medien. Während die Öffentlichkeit 20 Kilometer weiter in Herzogenaurach Marie-Elisabeth Schaefflers Schrumpfen von der Milliardärin zur Millionärin eher schadenfroh zur Kenntnis nimmt, bricht im Fall der Madeleine Schickedanz Wut durch. Schlimmer hätte es für sie kaum kommen können. Doch Madeleine Schickedanz versucht gegenzusteuern. Mit einer persönlichen Erklärung wendet sich die scheue Großaktionärin an die Öffentlichkeit: „Ich habe mich mit meinem gesamten Vermögen engagiert und damit nach landläufiger Auffassung weit über jedes vertretbare Maß ins Risiko begeben“, teilt sie mit. Schickedanz, die als letzte Hoffnung von Arcandor galt, konnte und wollte sich nicht mehr einbringen. Auf der ­Forbes-Liste der weltweit reichsten Menschen nimmt sie 2008 mit einem Vermögen von 3,9 Milliarden Dollar Platz 277 ein. In diesem Jahr führt Forbes sie mit einer Milliarde Dollar auf Platz 701. Und nun? Niemand weiß es. Wahrscheinlich wird sie sich demnächst mit einer Millionärsliste begnügen müssen. Schickedanz hält knapp 27 Prozent der Aktien der Arcandor AG. Und die private Madeleine Schickedanz? Sie ist vierfache Mutter, zweifache Oma, Sponsorin der Bayerischen Staatsoper und Gast der Bayreuther Festspiele, zudem Honorarkonsulin von Griechenland. Schickedanz gründet 1990 ihre Stiftung für krebskranke Kinder – „aus Dankbarkeit“, wie sie einmal sagte. 1982 erkrankte ihre Tochter Caroline an ­Leukämie und konnte geheilt werden. Und auf die Frage, ob sie noch etwas aus der Fassung bringen könne, antwortete die Mutter: „Richtig aus der Fassung bringt mich nichts mehr. Eine Portion Gelassenheit muss man sich zulegen, sonst geht man unter.“ Vielleicht hat sie nun die Kraft, sich der Öffentlichkeit zu stellen. Foto: Picture Alliance

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