Ex-Notenbankchef Paul Volcker - „Deutschland muss in Europa mehr Verantwortung übernehmen“

Der ehemalige amerikanische Notenbankpräsident Paul Volcker hat in einem Gespräch mit dem Magazin Cicero (August-Ausgabe) Deutschland aufgefordert, seine Führungsrolle in Europa entschiedener einzunehmen: „Deutschland ist das stärkste Land in der EU, und mit Stärke kommt Verantwortung.“ In den USA habe es nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls starke Widerstände gegen den Marshall-Plan gegeben. „Aber es war kein Opfer, sondern ein Beitrag zu einer Welt, in der wir leben wollten: friedlich und ökonomisch erfolgreich.“ Um den Bestand der Eurozone zu gewährleisten, gehört Volcker zu den Befürwortern einer engeren politischen Union in Europa: „Wenn man mit dem Euro weitermacht, erfordert dies mehr Integration, nicht nur in der Finanzpolitik, sondern auch in der Steuerpolitik.“ Ohne starke Führung von Seiten der Bundesregierung werde Europa aus seinen Problemen aber nicht herauskommen.

Drohende Inflationsgefahren bereiten dem seit fünf Jahrzehnten in der amerikanischen Finanz-und Wirtschaftspolitik aktiven Volcker dagegen weniger Sorgen, obwohl die Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks die Märkte in den vergangenen Jahren mit Geld geflutet haben: „Inflation ist kein technisches Problem, sondern ein menschliches.“ Die technischen Möglichkeiten, das Geld rechtzeitig wieder einzusammeln, stünden den Notenbanken zur Verfügung, sagte Volcker. „Aber werden sie auch bereit sein, die richtigen Schritte zu tun? Werden sie gegen heftige Opposition die Zinsen zu erhöhen?“ Die Frage beantwortet Volcker, der den Leitzins der Fed Ende der siebziger Jahre selbst auf beispiellose 20 Prozent anhob, selbst: „Wir bezahlen die Leute bei der EZB und bei der Fed dafür, dass sie solche unbequemen Entscheidungen treffen.“

Volcker (84) war von 1979 bis 1987 Präsident der amerikanischen Notenbank.

Die Augustausgabe von ‚Cicero‘ ist ab dem 26. Juli 2012 im Handel erhältlich.