() Vegetarierfamilie - Berggorillas im Kongo.
Unterwegs mit Virenjägern oder wenn Menschen Affen essen
Er ist der Indiana Jones der Neuzeit. Allerdings jagt Nathan Wolfe keinen Schätzen hinterher, sondern mörderischen Viren. Der Biologe hat sich ein hohes Ziel gesteckt: Er will die nächste Pandemie rechtzeitig aufspüren – bevor ihr Millionen Menschen zum Opfer fallen.
Schau her“, ruft Nathan Wolfe. Wir stehen am Rand der Straße, genauer gesagt der unbefestigten Piste, die durch das Zentrum von Mindourou führt, einer staubigen Siedlung im Südosten Kameruns. Wolfe, Direktor der Global Viral Forecasting Initiative (GVF), und seine Kollegen sind auf einer zehnstündigen Fahrt von der Hauptstadt Yaoundé nach Ngoila. Dort befindet sich eine der vielen GVF-Niederlassungen zur Überwachung der Entstehung tödlicher Viren im zentralafrikanischen Dschungel. Wolfe nickt einem Pärchen zu, das auf einem Motorrad vorbeifährt. Unterm linken Arm der Beifahrerin klemmt der lange Schwanz einer frisch getöteten Mangabe. „Diese Affen sind echte Virenschleudern“, sagt Wolfe, als die beiden ihre blutige Beute auf dem Weg zum Markt hinter dem Motorrad herschleppen. Mangaben übertragen etliche Viren, die auch Menschen befallen, einschließlich eines Erregers, der eine seltene Form von T-Zellen-Leukämie auslösen kann, sowie das sogenannte Simian-Foamy-Virus, das noch nicht genau erforscht ist.
Wolfe muss das wissen, der Biologe an der Stanford University in Kalifornien ist der bekannteste Virenjäger der Welt und verbringt einen Großteil seiner Zeit damit, im Blut von Wildtieren herumzuwühlen. „Wenn ich sehe, wie so ein blutiger Affenkadaver durch die Straßen zum Markt geschleift wird, wirkt das auf mich wie eine geladene Waffe“, sagt der 40-Jährige. „Das macht mir Angst.“
Auf der Fahrt hatte Wolfe erklärt, welches Risiko Buschfleisch darstellt – der gängige Ausdruck für tropisches Wild, also Affen, Gorillas, Schimpansen, Stachelschweine, Ameisenbären, große Rohrratten und andere Tierarten. Seit Jahrtausenden haben sich Menschen von Buschfleisch ernährt, und in dieser Gegend ist es immer noch die wichtigste, oft auch die einzige Proteinquelle. Zentralafrikaner konsumieren mindestens zwei Millionen Tonnen Buschfleisch pro Jahr. Es ist schwierig, einen Menschen, dem Hunger und Mangelernährung drohen, von der Gefährlichkeit des Buschfleischs zu überzeugen. Die gesundheitlichen Risiken sind enorm – nicht nur für Afrikaner, sondern auch für Milliarden Menschen auf der ganzen Welt. Das Aids-Virus, das bislang 30 Millionen Menschen getötet und mehr als doppelt so viele infiziert hat, hätte sich ohne den in Afrika gängigen Konsum von Buschfleisch nicht so rasant weltweit ausgebreitet. Diese tödlichste Pandemie der Neuzeit begann vor ungefähr einem Jahrhundert in Kamerun, wo das Virus vermutlich von einem Schimpansen auf einen Menschen übersprang, der ihn mit höchster Wahrscheinlichkeit entweder gejagt, geschlachtet oder verzehrt hatte.
Zwar waren tödliche Viren schon immer eine Bedrohung für die Menschheit; doch ein Virus kann sich nur so weit ausbreiten, wie die Zelle wandert, die es befallen hat. Das war früher in der Regel nicht sehr weit. Wenn vor ein paar Hundert Jahren das HI-Virus von einem Menschenaffen auf einen Menschen übergesprungen wäre, wäre dieser zwar erkrankt und gestorben. Vielleicht hätte er auch sein gesamtes Dorf infiziert und alle um ihn herum in den Tod gerissen – doch dabei wäre es geblieben. Es gab keine Motorräder, mit denen Affenkadaver zu den Märkten in Yaoundé, und natürlich keine Flugzeuge, mit denen Viren nach Paris oder New York transportiert werden konnten. Der afrikanische Dschungel war jahrhundertelang undurchdringlich.
Erst in den vergangenen Jahrzehnten bauten Holzkonzerne neue Straßen und schufen auf diese Weise für Millionen Menschen wirtschaftliche Chancen; die medizinische Versorgung verbesserte sich, es gab sauberes Wasser und besseren Zugang zu Bildung. Aber diese Straßen brachten auch eine neue Bedrohung: Sie verwandelten die Bevölkerung in eine zusammenhängende Trägerkette für Viren, in der ein Kameruner ein ebenso anfälliges Glied ist wie ein Kalifornier.
Lesen Sie im zweiten Teil, wie die Behandlung von Viren allmählich Möglichkeiten zur Prävention entwickelt.
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