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Schönheitschirurgie - „Einen Trend zum Po sehe ich nicht “

Der Düsseldorfer Schönheitschirurg Massud Hosseini über den Wahn zur Selbstoptimierung, Operationen als Statussymbol und Implantate für den Po

Autoreninfo

Sarah Maria Deckert ist freie Journalistin und lebt in Berlin. Sie schreibt u.a. für Cicero, Tagesspiegel und Emma.

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Massud Hosseini, 41, studierte Humanmedizin in Deutschland und den USA und arbeitet seit 15 Jahren als Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie. Seit 2008 leitet er in Düsseldorf die Praxisklinik Kö-Aesthetics.

Herr Hosseini, wie sieht ein normaler Tag in Ihrer Praxisklinik aus?
Massud Hosseini: Abwechslungsreich. Mein Tag beginnt meistens mit aufwendigeren Operationen wie einer Brustvergrößerung und einer Fettabsaugung. Dann geht es mit kleineren Eingriffen weiter, typischerweise Botox in der Mittagspause, Laserbehandlungen oder Lippenmodellierungen. Zwischendurch berate ich neue Patienten. Das nimmt kein Ende.

Ist Botox wie zum Frisör zu gehen? Wie oft muss man hier nachbehandeln?
Müssen tut man gar nicht. Ich empfehle zweimal im Jahr, maximal, damit kein Suchtpotenzial entsteht. Es ist nicht immer einfach, hier Überzeugungsarbeit zu leisten, der Selbstoptimierungswahn kennt keine Grenzen. Zunehmend muss ich Patienten auch wieder wegschicken, weil sie Falten sehen, die ich nicht sehe.

Aber wie wollen Sie diese Entscheidung im Einzelfall treffen? Wo sagen Sie ja, wo nein?
Bevor ich überhaupt Hand anlege – zumal wenn es sich um größere oder riskante Eingriffe handelt –, versuche ich zuallererst die Psyche der Person zu ergründen. Manchmal sitzen wir stundenlang zusammen, bis jemand mit mir über das Intimste überhaupt ehrlich spricht: sein Aussehen.

Sie würden Aussehen als Intimität beschreiben? Ist das nicht eine verkehrte Wahrnehmung? Schließlich handelt es sich streng genommen um die Oberfläche.
Beim Schönheitschirurgen entkleidet man sich nicht nur äußerlich, man legt auch seine Seele bloß. Da treten plötzlich Wunden zutage, die man mit bloßem Auge nicht sehen kann. Ich höre dann sehr genau zu, und manchmal komme ich zu dem Schluss, dass eine Operation nicht immer eine Lösung für das eigentliche Problem sein wird. Sie werden nicht automatisch glücklicher, Sie werden vielleicht Ihre Ehe nicht retten können, Sie werden Ihre Berufschancen nicht unbedingt verbessern. Ein guter Arzt muss so ehrlich sein.

Wie viele Patientinnen und Patienten schicken Sie auf diese Weise weg?
Wir machen keine Strichliste, aber es sind wohl 20 bis 30 Prozent. Natürlich besteht die Gefahr, dass diese Leute dann jemand anderen finden, der mit den nötigen monetären Anreizen jede noch so unnötige OP durchführt.

Gibt es in Ihren Augen denn unnötige Operationen?
Eine Menge! Wenn sich eine Frau für eine schmalere Taille die Rippen entfernen lassen will. Waden- und Oberarmimplantate halte ich für ziemlich unnötig. Auch Poimplantate, weil das nicht nur Risiken birgt, sondern auch zu Bewegungseinschränkungen führen kann.

Der amerikanische Reality-Soap-Star Kim Kardashian, die inzwischen zum Megastar geworden ist, entblättert sich gerne medienwirksam und zeigt der breiten Öffentlichkeit ihren Allerwertesten. Sehen Sie hier einen möglichen Trend?
Ich glaube nicht, dass Kim Kardashians Po den Durchbruch in Deutschland schaffen wird. Hier herrscht ein athletisches, schlankes Ideal vom Typ Topmodel Adriana Lima, das häufig nachgefragt wird: wohlgeformt, weiblich, aber eben nicht zu markant. In den USA liegen Gesäßvergrößerungen schon eher im Trend. Wenn, dann wird aber auch hier weniger mit Silikonimplantaten als mit Eigenfett gearbeitet. Das bedeutet, dass der Frau körpereigenes Fettgewebe beispielsweise vom Bauch oder der Hüfte entnommen und mit einer speziellen Technik ins Gesäß gespritzt wird.

Was sagt Ihr Expertenblick: Ist der Po von Kim Kardashian echt?
Schwer zu sagen. Sie war untenrum schon immer sehr füllig. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie eine Unterspritzung mit Eigenfett hatte. Ein sowieso schon mächtiges Hinterteil kann dann noch mächtiger wirken.

In diesem Zusammenhang kommt jetzt nach dem Selfie ja das Belfie, also ein Po-Selfie. Ist der Po der neue Busen?
Auf Facebook und Instagram knipsen sich junge Mädchen aus allen erdenklichen Posen. Vielleicht gibt es eine leichte Tendenz, einen konkreten Trend zum Po kann ich aber nicht ableiten. Erwähnenswerter finde ich das Maß an Narzissmus, das erkennbar zunimmt. Der mediale Bilderkult forciert das auch noch. Je mehr Likes man bekommt, desto beliebter fühlt man sich. Im Grunde zeigt das ein ganz grundlegendes Bedürfnis des Menschen auf: nämlich geliebt zu werden.

Was stimmt mit einer Gesellschaft nicht, die sich nur noch über Äußerlichkeiten definiert?
Ich kann das schwer nachvollziehen. Unsere Gesellschaft lehrt uns, dass es darauf ankommt, gut auszusehen. Dabei treten andere Werte zwangsläufig in den Hintergrund. Ich finde das bedenklich.

Das klingt aus Ihrem Mund etwas paradox. Schließlich treibt diese Entwicklung die Patienten ja auf direktem Wege in Ihre Praxis.
Ich liebe meinen Beruf. Deshalb muss ich diese Entwicklung aber noch lange nicht gutheißen.

Gibt es ein deutsches Schönheitsideal?
Schönheit ist abhängig von der jeweiligen Kultur. In unserem Fall ist sie westlich geprägt, und wenn man so will, geben Victoria’s-Secret-Models gerade die Richtung vor. Aber in Deutschland möchte man mit Schönheit nicht unbedingt auffallen.

Viele wohlhabende Damen zwischen Kitzbühel und Kampen wirken aber sehr bemüht darum.
Zumindest werden schönheitsoperative Eingriffe immer noch als Tabu behandelt. Hierzulande will man natürlich schön sein und in Würde altern. Der Deutsche an sich ist deshalb eher zurückhaltend. Und er ist diszipliniert und versucht viel über Sport und Ernährung zu regulieren. Im Gegensatz dazu stehen dann beispielsweise die USA, wo eine Schönheits-OP fast schon zum guten Ton gehört.

Die Schönheits-OP als eine Art Statussymbol?
Auf jeden Fall. Auch im Iran oder in Südkorea. Wenn man sich hier keine Nasen-OP leisten kann, klebt man sich halt zwei Pflaster drauf und will die anderen wenigstens glauben lassen, man hätte was machen lassen.

Wie definiert die Schönheitschirurgie Schönheit?
Aus der Evolutionsbiologie ist belegt, dass Männer Frauen attraktiv finden, die ein Hüft-Taillen-Verhältnis von 0,7 haben. Im männlichen Hirn ist also programmiert, solche Frauen attraktiver zu finden, weil sie offensichtlich fruchtbarer sind. Dieses Verhältnis hat sich bis heute nicht verändert. Selbst wenn das Frauenbild bei Rubens ein üppiges war, ist das Verhältnis gleich geblieben. Dick oder dünn, schön oder nicht schön ist deshalb immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit.

Glauben Sie, dass das füllige Sanduhrenideal irgendwann einmal wiederkommt?
Leider nein. Fülligkeit wird in unserer Leistungsgesellschaft mit Faulheit und Undiszipliniertheit assoziiert. Wir werden wohl weiterhin fit und schlank sein müssen.

Haben Sie eigentlich selbst mal was machen lassen?
Mit 25 Jahren war ich eitel und habe mir mit Botox eine Stirnfalte wegspritzen lassen. Seitdem mache ich das ehrlicherweise zweimal im Jahr. Auf Kongressen sehe ich manchmal ziemlich übertriebene Gesichter. Wenn man an der Quelle sitzt, muss man aufpassen.

Fotos: picture alliance (Model), Henning Ross (Hosseini)

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