Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
Jennifer Steinke

Veganes Fashion-Label Umasan - Eukalyptusholz statt Leder

Die Zwillinge Anja und Sandra Umann machen mit ihrem Label Umasan vegane High Fashion. Statt apologetischer Öko-Tristesse gelingt ihnen glamouröse Lässigkeit

Autoreninfo

Sarah Maria Deckert ist freie Journalistin und lebt in Berlin. Sie schreibt u.a. für Cicero, Tagesspiegel und Emma.

So erreichen Sie Sarah Maria Deckert:

Aus einem silbrig-blauen Tetrapack befüllt Sandra Umann ein Glas mit gekühltem Kokoswasser, während der Asphalt draußen unter der heißen Pfingstsonne zu schmelzen droht. Sie stellt es auf einen Tisch in der Mitte ihres Showrooms am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz, drum herum säumt die letzte Kollektion die Kleiderstangen, akkurat Bügel an Bügel. Das Telefon hat sie zur Seite gelegt, ihre Schwester lässt sich entschuldigen. Die Fashion Week steht vor der Tür.

Sojaseide geschneidert in Chemnitz


Sandra Umann, 36, stets in Schwarz, von zierlich-androgyner Gestalt, das kurze blonde Haar nach hinten gelegt und an einer Seite ausrasiert, ist eine Hälfte des Design-Duos Umasan. Gemeinsam mit ihrer 30 Minuten älteren Zwillingsschwester Anja gründete sie 2010 das weltweit erste vegane Modelabel für den internationalen High-End-Bereich, so bewirbt es die Homepage. „Vegan nachhaltig“, betont Sandra Umann, „da besteht ein Unterschied.“ Wenn sie spricht, dann nicht lauter, als sie muss.

Der Unterschied besteht in der Konsequenz. Moderiesen wie H&M und Topshop bekommen Lob für ihre Arbeit mit ökologisch nachhaltiger Baumwolle, produziert wird jedoch in Asien. Vivienne Westwood verzichtet seit 2007 auf Pelz, kann aber nicht vom Leder lassen. Und Tierschützerin und Vegetarierin Stella McCartney ist bekannt für ihre Mode, „die nicht blutet“, Wolle und Kaschmir schmiegen sich aber immer noch in ihre Entwürfe.

Für Anja und Sandra Umann gut gemeint, aber eben nicht konsequent zu Ende gedacht. Sie wollen mit ihrer veganen Mode ein nachhaltiges Produkt im ganzheitlichen Sinne schaffen. So verwenden sie für Umasan Fasern aus Sojaseide, Bambus, Modal und Tencel, die ausschließlich aus Europa bezogen werden. Geschneidert wird in Betrieben in Chemnitz und Bayreuth. Gerade tüfteln die Schwestern mit ihren Zulieferern an einem adäquaten Lederersatz aus recyceltem Polyester und Eukalyptusholz. Auch wenn sie die Optik hier noch nicht restlos zufriedenstellt, stimmt zumindest schon mal die CO2-Bilanz.

Umasan auf den Modeschauen in Paris, Mailand, New York


Die eineiigen Zwillinge leben den Unterschied. Seit ihrem 16. Lebensjahr leben sie vegetarisch, seit acht Jahren vegan. Dass ihr alternativer Lebensentwurf nicht auf Verzicht basiert, wollen sie auch mit ihrer Mode zeigen. „Es geht nicht darum, schlechtere Alternativen zu schaffen“, sagt Sandra Umann, „sondern bessere.“ Über kurz oder lang habe auch die Modeindustrie mit abnehmenden Ressourcen zu kämpfen. Nachhaltigkeit und große Stückzahlen schlössen sich deshalb nicht aus. Die Nachfrage bestätigt den Trend: Gerade haben sie die zweite Filiale im neuen Bikinihaus im Berliner Westen eröffnet. Auf den großen Schauen in Berlin, Paris, Mailand und New York sind sie mit zwei Kollektionen im Jahr vertreten, und Teile daraus werden von Los Angeles bis Russland verkauft.

Die weiten, teils asymmetrischen Schnitte und fließenden Stoffe, die sich durch Schnürungen und Knöpfe je nach Belieben in Form drapieren lassen, wirken seltsam körperfern. „Unsere Mode betont den Körper auch nicht im herkömmlichen Sinne“, sagt Sandra Umann, „sondern die Silhouette. Das schafft man nicht, indem man den Körper einzwängt, sondern indem man ihm Raum gibt.“ Ein Ergebnis der japanischen Schnittführung, die sich an der Kampfsportbekleidung orientiert und vor allem auf Beweglichkeit ausgerichtet ist – eine Lässigkeit, die glamourös wirkt. Gelernt hat Anja ­Umann das bei Yohji Yamamoto. Zwei Jahre arbeitete die studierte Mode­designerin für den japanischen Star­designer in Paris und Tokio. Sein stilistischer Einfluss ist heute noch präsent, auch was die klar reduzierte Farbkomposition angeht, die sich bei Umasan überwiegend auf monochromes Schwarz, Weiß und Grau konzentriert.

„Dieses Zwillingsding“


Es sei auch das puristische Design, über das sie ihre Kunden in erster Linie ansprechen wollen, sagt Sandra Umann, die früher als Modefotografin arbeitete und heute das Marketing und den Vertrieb des Labels verantwortet. Den veganen Aspekt wollen sie nicht offensiv propagieren, zumal sie deshalb häufig mit Vorurteilen zu kämpfen haben. Veganismus gilt als das neue Heilsversprechen der Konsumgesellschaft, aber eben auch als Inbegriff eines Lebens voller Verbote und Selbstkasteiung.

Qualitativ hochwertige, massenkompatible Mode, die unabhängig von Zeit und Trends funktioniert und sich weniger dem Körper als vielmehr dem Lebensentwurf anpasst. Anfangs glaubten Anja und Sandra Umann nicht, dass ihr Konzept in die schnelllebige Modewelt passe. Die scheuen Schwestern halten sich auch heute noch im Hintergrund. Events, Veranstaltungen, Socializing – Spaß mache ihnen das nicht wirklich. „Wir sind nicht sehr sozial“, sagt Sandra Umann angenehm ungerührt, „das ist dieses Zwillingsding.“ Auf Events seien sie immer die Letzten, die kommen, und die Ersten, die gehen. Ihre Mode aber, die bleibt.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.