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Armin Herrmann

Kunst und Kitsch - Böse Dinge, die die Welt nicht braucht

Nippes, Kitsch oder Trash. Für das, was allgemein als nicht tragbar gilt, gibt es viele Namen. Eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe widmet sich jetzt dem schlechten Geschmack und seinen Erscheinungsformen. Kaum ein Haushalt bleibt verschont

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Dlugosch, Lea

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Das „böse Ding hat viele Gesichter. Es ist vielleicht hässlich, vielleicht unbrauchbar, vielleicht peinlich oder nicht mehr im Trend. Es kam als Geschenk, als vermeintlich witziges Mitbringsel aus dem letzten Urlaub oder einfach als Fehlkauf zu seinem Besitzer. Der erkennt spätestens an den Reaktionen seiner Mitmenschen den Irrtum und muss sich fortan fragen, was das Ding wohl über ihn verrät. Wer kann, freundet sich mit dem unliebsamen Objekt irgendwann an oder steht sogar dazu. Gelingt das nicht, bleibt neben der fachgerechten Entsorgung nun auch der Gang zum Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Seit einigen Wochen kann jeder die Tauschbörse zur Ausstellung „Böse Dinge - Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks nutzen, um die persönliche Pein loszuwerden. Neben bestimmten Regeln, wie dem Ausschluss von lebenden Tieren und Kleidung, gilt für jeden Deal vor allem eins: Wer gibt, muss auch nehmen.

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Auf dem großen Tisch im ersten Stock des Museums trifft sich grelles Geschirr mit pinkelnden Knabenfiguren. Einige der Hinterlassenschaften zeichnen sich durch ihre Unbrauchbarkeit aus, andere sind extrem kitschig. Die meisten der eingetauschten „bösen Dinge sind aber schlicht hässlich oder schlecht verarbeitet. Mehr Vielfalt bietet die angeschlossene Ausstellung, die daneben wie ein Kuriositätenkabinett wirkt. Hier finden sich Bierkrüge in Form von Bismarcks Kopf, Kinderturnschuhe mit Obama-Druck und Aschenbecher aus Pferdehufen. Als „böse” gilt nicht nur, was unansehnlich, unnütz oder peinlich ist. Alle Ausstellungsstücke sind bestimmten Kategorien zugeordnet, die sie vom Gebrauch in Gesellschaft disqualifizieren. Auch politisch inkorrekte oder religiös verbrämte Ware steht auf der schwarzen Liste des Kunsthandwerks im weiteren Sinne.

Als Ausgangspunkt für die Schau dient das von Gustav E. Pazaurek entwickelte „Schreckenskabinett. Der Kunsthistoriker veröffentlichte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein umfassendes Manifest mit dem vielversprechenden Titel „Geschmacksverirrungen. Nur wenig später folgte „Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe”. Der darin enthaltene Kriterienkatalog ist lang und liest sich wie eine naturwissenschaftliche Abhandlung: Surrogate zweiter Ordnung, Primitivitäten und Materialpimpeleien sind nur ein paar der zahlreichen Kategorien, mit denen Pazaurek Kitsch von Qualität zu unterscheiden wusste.

„Fremdenandenkenkitsch lautet die Bezeichnung für jene Souvenirs, die ihre Existenz einzig und allein dem Tourismus zu verdanken haben: Ein Salzstreuer in Fliegenpilz-Form mit dem aufgemalten Rathaus von Dessau stammt noch aus Pazaureks Sammlung. Miniatur-Eiffeltürme, der Buckingham Palace in einer Schneekugel und T-Shirts mit dem Aufdruck „I went to Las Vegas, and all I got was this lousy shirt sind mittlerweile wohl gefragter. Kaum eine Kategorie des Ungeschmacks bietet dieser Tage so viele Varianten. Auf zahlreichen Seiten im Netz finden sich die absurdesten Auswüchse der Andenken-Kultur. Bei „Shelf of Shameoder „Crapsouvenirs lassen sich Scheußlichkeiten aus aller Welt bewundern. Dass für eine Beethoven-Action-Figur oder die Freiheitsstatue in Roboterform tatsächlich Geld ausgegeben wird, lässt sich schwer nachvollziehen und doch scheint sich das Geschäft um die Exotik fürs Eigenheim eher noch zu vergrößern als zu schrumpfen. So hat es jedenfalls auf den Mitbringsel-Seiten im Internet den Anschein.

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Thematisch nicht allzu weit entfernt vom Mitbringsel-Trash liegt auch die Kategorie „Devotionalienkitsch”. Hierunter fällt in der Ausstellung zum Beispiel eine Heilwasser-Flasche, die aussieht wie eine Madonna und ein Wecker in Moschee-Form. Nicht nur als Besucher der Vatikanstadt dürften derlei symbolisch aufgeladene Konsumgüter bekannt sein. Ganz anders, aber nicht weniger böse kommen die Repräsentanten des Bereichs „Unpassende Schmuckmotive” daher. Waren das zu Pazaureks Zeiten noch „Totentanzbilder” an den Wänden eines Hotelzimmers, ist die Bildsprache mittlerweile deutlicher: Der Terroranschlag auf das World Trade Center als Teppich-Knüpfkunst und eine Design-Lampe mit Pistolenfuß erregen heute die Gemüter. Offenbar hat sich nicht nur das Angebot vergrößert, sondern auch die Toleranzgrenze für Geschmacklosigkeit.

Skurril muten nicht nur Pazaureks Erkennungsmerkmale für schlechten Geschmack an, sondern auch der Anspruch einer weitreichenden Klassifizierung, die sich gegen das “Unkraut des Ungeschmacks” wendet. So hält er die Beseitigung des von ihm Verurteilten für eine „edle moralische Verpflichtung, um dem Schönen und Guten den verdienten Platz einzuräumen. Doch, so verführerisch die Aussicht auf Pazaureks Vision einer ästhetisierten Welt in Zeiten des Konsum-Overkills erscheinen mag, so trist ist sie zugleich. Schließlich kann sich Klasse eben nur von Masse abheben, weil beides gleichberechtigt ist. Wo kein Kitsch, da kein Kult.

Woher rührt aber der strikte Ausschluss bestimmter Gegenstände aus dem persönlichen Geschmackskanon? „Die Stigmatisierung des Kitsches zum kulturell Anderen verbindet sich oft mit der Verachtung derer, die ihn schätzen, heißt es in einem Artikel von Ute Dettmar und Thomas Krüger zum Thema Nippes in der Zeitschrift „Querformat. So gesehen handelt es sich bei Pazaureks Versuch den schlechten Geschmack wissenschaftlich einzuordnen eigentlich um ein höchst emotionales Anliegen. Analog dazu könnte die Beschäftigung mit dem ein oder anderen „bösen Ding auch zur Erweiterung des persönlichen Horizonts beitragen. Sofern es nicht ohnehin schon Teil des Alltags ist, versteht sich. Für die Nutzung der Tauschbörse im Hamburger MKG gilt übrigens auch eine Maximalgröße von 30 x 30 x 30 cm. Wer nun seine Chance vertan sieht, den Riesen-Plüschelefanten vom Jahrmarkt loszuwerden – für den bleiben glücklicherweise noch die von Antoine Zgraggen entworfenen „Dingszerstörungsmaschinen. Sie sind ebenfalls Teil der Ausstellung.

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