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Steuerflucht - Die Angst der Reichen vor dem gierigen Staat

Die Debatte um Steuerflucht führt in die Irre. Nicht die hohe Renditen treibt die Reichen ins Ausland, sondern die Angst vor dem staatlichen Griff ins Portemonnaie. Der im Grundgesetz garantierte Schutz des Eigentums gilt hierzulande wenig. Ein Kommentar

Autoreninfo

Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Es ist nicht nur die Gier nach ungeschmälerter Rendite, die Vermögende ins Ausland treibt. In Ländern wie der Schweiz fallen die Kapitalerträge meist noch spärlicher aus als in Deutschland. Zudem werden die kargen Ausschüttungen oft genug von üppigen Gebühren aufgefressen. Deshalb musste der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) auch nur 1941 Euro an Einkommenssteuern nachzahlen – bei einem gebunkerten Vermögen von rund 425 000 Euro. Zeitweise verlangten die Eidgenossen sogar „Negativzinsen“, um fremdes Geld sicher zu verwahren. Das Kapital schmolz also eher in den Tresoren der Züricher Banken. Zu deren Nutzen.

Wenn Alice Schwarzer nun notgedrungen einräumt, dass sie „in den letzten zehn Jahren gesamt rund 200 000 Euro plus Versäumniszinsen nachgezahlt hat“, dann lässt sich daraus auf ein staatliches Millionen-Vermögen schließen, das die Frauenrechtlerin bereits seit den 80er Jahren in die Schweiz transferiert haben will. Woher das viele Geld kommt, bleibt unklar. Die Leitwölfin des deutschen Feminismus rechtfertigt ihr verwerfliches Tun mit Angst. Die „Hatz“, der sie sich in den 80er Jahren ausgesetzt sah, habe sie Vorsorge treffen lassen, „ins Ausland zu gehen“. Das scheint etwas weit hergeholt. So weit, wie die Rechtfertigung, das Konto habe sich durch (kümmerlichen) Zins und Zinseszinsen auf wundersame Weise geradezu selbst vermehrt.

Doch Alice Schwarzer deutet mit ihrem stets erhobenen Zeigefinger in die richtige Richtung: Angst ist es in der Tat, die reiche Deutsche ihr Geld in „Steueroasen“ bringen lässt. In den 60er Jahren war es die Angst vor dem Kommunismus. Der Wohlstand, den man über den Krieg gerettet oder nachher mühsam erworben hatte, sollte nicht den Roten in die Hände fallen. So manches Nummernkonto, das räumen findige Vermögensverwalter heute ein, stammt aus dieser Zeit des kalten Krieges. Oft genug haben dann die Erben gedacht wie Schmitz und Schwarzer: Es kann nicht schaden, über ein anonymes Schließfach in der Alpenrepublik zu verfügen, deren Bankgeheimnis gegen Neid und Fiskus schützt. Von diesem Geschäft mit der Angst hat die Züricher Finanzwelt lange Zeit gut gelebt, wie Viktor Parma und Werner Vontobel bereits 2009 in ihrer Streitschrift „Schurkenstaat Schweiz?“ nachwiesen.

Dass nun auch auffallend viele Namen, die man der politischen Linken zuordnet, auf den Steuer-CDs auftauchen, die wiederum sozialdemokratische Finanzminister von Hehlern gegen saftige Provisionen erstanden haben, ist kein Zufall: Man kennt seine Pappenheimer und weiß um den Furor der eigenen Leute, den Reichen kräftig ins Portemonnaie zu greifen. Ständig hantieren sie mit so furchterregenden Kampfbegriffen wie Vermögenssteuer, Reichensteuer und Erhöhung der Erbschaftssteuer. Wenn es ums eigene Geld geht, hört die Bereitschaft zur Umverteilung eben schnell auf. Links reden, rechts leben.

Mit bloßer „Schusseligkeit“, wie sich Theo Sommer, der als langjähriger Chefredakteur und Herausgeber „Der Zeit“ ganz oben auf dem moralischen Hochsitz thronte und nun wegen der Hinterziehung von 649 000 Euro als vorbestraft gilt, herausredet, ist dieses Verhalten jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Die Oberschicht weiß sehr wohl, dass es eine Straftat ist, dem Fiskus Einnahmen vorzuenthalten.

In der Schweiz selbst wird indes darauf verwiesen, dass man im eigenen Land den Straftatbestand der Steuerhinterziehung kaum kennt. Auch aus Österreich oder Luxemburg sind derlei spektakuläre Fälle nicht bekannt. Warum wohl? Ganz einfach: In diesen Ländern wird das private Eigentum geschätzt und geschützt. Auch deshalb hat der Milliardär Reinhold Würth einen Wohnsitz in Salzburg und neuerdings einen zusätzlichen österreichischen Pass. Die Auslandsgeschäfte der Würth-Gruppe werden vom schweizerischen Rohrschach aus geleitet – und versteuert. Franz Beckenbauer wird als „Kaiser“ verehrt, obwohl er seinen Steuerwohlsitz im österreichischen Kitzbühel hat. So wie viele andere hochbezahlte Sportler, Showstars und fleißige Unternehmer, die ihr Vermögen lieber in den Alpenrepubliken in Sicherheit wissen.

Ein Bewusstseinswandel muss her
 

Anstatt über schärfere Sanktionen und ein Ende der Straffreiheit bei Selbstanzeigen zu debattieren, sollte Deutschland einmal darüber nachdenken, warum es die Wohlhabenden in die Flucht treibt: Weil Artikel 14, Absatz 1, in unserer Verfassung der politischen Willkür unterliegt? Nicht der Schutz des Eigentums und des Erbrechts ist im öffentlichen Bewusstsein verankert, sondern allenfalls der zweite Absatz in diesem zentralen Grundrechtsartikel: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Artikel 15 erlaubt sogar die Verstaatlichung von Produktionsmitteln. Debatten über Vermögensabgaben, um die Euro-Rettungsschirme zu finanzieren, beleben zudem die Erinnerung, dass die deutsche Politik schon öfters Wege gefunden hat, privates Eigentum zu konfiszieren.


„Die wirklich Reichen“, so gestehen Steuer- wie Vermögensberater freimütig ein, „trifft man mit schärferen Strafen ohnehin nicht.“  Diese orientieren sich an findigen Geldmaschinen wie Google, Apple, Ikea oder Starbucks. Sie nutzen die Möglichkeiten, das Geld stets dort „arbeiten zu lassen“, wo die geringsten Steuern anfallen und finden jede Gesetzeslücke, die es nach wie vor auch in Deutschland gibt. Dafür eignen sich komplexe Holding- und Lizenzkonstruktionen. Dienlich sind dabei auch EU-Länder wie Luxemburg (wie beim ehemaligen CDU-Finanzminister Linssen), Irland oder die Niederlande. Die Steueroase Holland hat gerade Fiat an Land gezogen. Die Eigner des italienischen Vorzeigekonzerns drehen damit den unberechenbaren Politikern in der Heimat eine Nase. Die Botschaft gilt auch für Deutschland: In einer relativ grenzenlosen Finanzwelt kann es sich kein Land erlauben, den Steuerbogen zu überspannen. Am Ende zahlen dann nur noch die Mittelschichtler, die ihr Geld nicht in Sicherheit bringen können.

 

 

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