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Zum Tod von B. B. King - Lucille ist jetzt Witwe

Er galt als Blues-Legende, der Musiker wie Eric Clapton inspirierte: B. B. „Blues Boy“ King ist im Alter von 89 Jahren in Las Vegas verstorben. Einer seiner größten Hits war: „The Thrill Is Gone“. Kaum jemand liebte seine Gitarre „Lucille“ so wie er. Ein Nachruf

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Auf dem fantastischen Tribute Album vieler großer lebender Gitarristen zu Ehren des tödlich verunglückten Stevie Ray Vaughan gibt es einen besonderen Gänsehautmoment. Der Ansager, Stevies Bruder Jimmie, präsentiert den dritten Song und stellt den dritten Stargast vor. Ohne den nächsten Gast gäbe es keinen elektrischen Blues, wir wären nicht mal nah dran, wir sollten immer alle klingen wie er, und wir tun es immer noch: „So please put your hands together for the great B. B. King.“

Und dann schwingen auch schon Lucilles Saiten und bringen mit „Telephone Song“ einen der schönsten Titel des zu früh verunglückten Ausnahmegitarristen Stevie Ray Vaughan zum Fliegen.

Lucille, wie B. B. King seine bauchige Gibson ES-355 liebevoll nannte, ist jetzt Witwe. Nie wieder werden die so plump aussehenden dicken Finger eines der größten Bluesgitarristen, den die Welt gesehen hat, die schwarze Geliebte zum Klingen bringen. B. B. King hat seine Gitarre nicht gespielt. Er hat sie gestreichelt. Das war kein Gitarrenspiel. Das war ein Liebesspiel, ein sanfter Geschlechtsakt. Schweiß rann Lucilles Liebhaber dabei übers Gesicht, wie im Orgasmus verzerrt, die Augen geschlossen, und dazu dieser kehlig-gepresste Gesang. Ein Mann in seiner eigenen Welt, und das Publikum durfte dessen Trance miterleben und das fantastische Gitarrenspiel, das in dieser Trance entstand.

Sie sterben weg, die Großen des Rock'n'Roll


Es gab Gitarristen, die waren schneller. Es gab Gitarristen, die waren virtuoser. Es gab Gitarristen, die waren cooler. Aber keiner spielte je gefühlvoller als King.

Riley B. King, 1925 in Itta Bena, Mississippi, geboren, musste nach dem Tod seiner Mutter selbst auf einer dortigen Plantage arbeiten. Der Schmerz der Sklaven auf den Baumfeldern ist zu spüren, wenn er über acht Minuten lang mit Gesang und Gitarre erklärte, „Why I sing the blues“. „It seems like everybody got the blues. But I have it a long long time. I really have paid my dues (....) I really have to sing the blues“. Sein Leid über die verlorene Liebe, der das Vertrauen abhanden gekommen ist: „The thrill is gone, baby. You know you have done me wrong baby, and you will be sorry some day.“

Das Pseudonym „B. B.“ stand für „Blues Boy“, eine Verknappung von „Beale Street Blues Boy“: So nannte sich King in einer Radiosendung.

[video:B. B. King – The Thrill Is Gone]

Dem Blues und seinem Baby, das sie Rock'n'Roll nannten, gehen die Väter aus. Und es kommen zu wenig Söhne und Töchter nach. John Lee Hooker, J. J. Cale, B. B. King. Sie sterben weg. Ein paar wachsen nach. Männer Jack White, Scott H. Biram, die Delta Saints, und der spät berufene Seasick Steve tragen das Erbe weiter. Frauen wie Bonnie Raitt mischen mit. Und ein paar sind noch da. Eric Clapton. Neil Young. Viele sind es nicht mehr.

Aber der Tod des 89-jährigen B. B. King erinnert abermals schmerzhaft daran, dass nach den 27-igern, den früh von Drogenexzessen oder Flugzeugabstürzen Hingerafften, nun auch die 89-iger an der Reihe sind, jene wie King, die den zerstörerischen Begleiterscheinungen des Rock'n'Roll widerstanden haben. Sie treten jetzt einfach alle nacheinander von der Bühne des Lebens ab.

Das macht traurig. Mut macht, dass nach einigen Jahrzehnten des Triumphes der Plastikmusik eine Rückbesinnung zum Authentischen, zum Wahren und Ursprünglichen zu beobachten ist. Oder bilde ich mir das nur ein, weil ich es mir wünsche?

„The Thrill Is Gone“?, wie B. B. King immer sang? Never, großer, alter, schwarzer Mann aus Mississippi. Niemals.

Dem Rock'n'Roll widmete Cicero im Juni 2014 einen eigenen Titel: Wie es mit dem Sound einer Generation weitergeht, wenn seine Väter weg sind. Hier nachbestellen

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