Bei der Eröffungsfeier der Olympischen Spiele wurde das Olympische Feuer entzündet / picture alliance

Sport und Macht als Entertainment - Baguette und Spiele

Vor der Sogwirkung des inszenierten Großspektakels schrumpfen politische Fragen zu Marginalien. Obwohl das Paris der Olympischen Spiele einer von innen belagerten Festung gleicht, soll der Applaus als Form gesellschaftlicher Partizipation reichen.

Autoreninfo

Dr. phil. Dominik Pietzcker studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik. Von 1996 bis 2011 in leitender Funktion in der Kommunikationsbranche tätig, u.a. für die Europäische Kommission, Bundesministerien und das Bundespräsidialamt. Seit 2012 Professur für Kommunikation an der Macromedia University of Applied Sciences, Hamburg. Seit 2015 Lehraufträge an chinesischen Universitäten.

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Im 21. Jahrhundert folgt die Logik der Olympischen Spiele (und anderer sportlicher Großformate) nur an der Oberfläche dem Geist der Athletik. Vor allem jedoch dient sie dem Inszenierungsbedürfnis politischer Herrschaft. Unterhaltung ist weniger verdächtig als kritischer Diskurs, und gelenkte Euphorie lässt sich leichter instrumentalisieren als geballte Opposition. Publikum ist nur dann erwünscht, wenn es in begeistertem, man könnte auch sagen: bacchantischem Gehorsam dem Ruf des Spektakels Folge leistet.  

Öffentliche Spiele sind seit jeher Machtspiele. Seit der Antike haben pompöse Massenveranstaltungen Konjunktur. Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe, Tierhatzen und Seeschlachten wurden aufwändig und ohne Blick auf die Kosten dem verwöhnten römischen Publikum dargeboten. Aufstrebende Politiker wie Pompeius und Caesar häuften riesige Schulden an, um durch öffentliche Spektakel ihre eigene Klientel bei Laune zu halten. Für die nachfolgenden römischen Kaiser waren die Spiele vor allem ein Element der Machtentfaltung und ihrer Stabilisierung; sie dienten der Legitimation imperialer Emporkömmlinge.

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Brigitte Miller | Do., 1. August 2024 - 15:31

zur Eröffnungsfeier, dem zeitgeistigen Wahnsinn huldigend:
"Der Frauensport ist tot. Das IOC hat ihn getötet.
Erstmals musste am heutigen Donnerstag mit Angela Carini aus Italien eine Boxerin im Frauenboxen gegen einen biologischen Mann antreten. Der Ausgang des Kampfes erwartbar und dennoch niederschmetternd. Nach einem kurzen Schlagabtausch beendet Carini den Kampf gegen den Algerier Imane Khelif. Offenbar ist ihr bereis jetzt klar, in welcher Gefahr sie sich befindet.
Als das Ergebnis schließlich verkündet wird und der Kampfrichter den Arm von Khelif in die Höhe hält, reißt sich die Italienerin los. Kurze Zeit später sackt sie weinend im Boxring zusammen. Khelif tätschelt ihr daraufhin aufmunternd über den Rücken. Mehr visualisierte männliche Demütigung geht nicht.
Möglich gemacht hat das ein IOC, der im Gegensatz zum internationalen Boxverband kein Problem damit hat, wenn biologische Männer beim Frauenboxen gegen Frauen antreten. Alles für die Vielfalt. " Anabel Schunke bei WW.

Chris Groll | Do., 1. August 2024 - 17:53

Antwort auf von Brigitte Miller

Sehr geehrte Frau Miller, mit Ihrem Kommentar haben Sie das ganze Elend, welches dem zeitgeistigen Wahnsinn geschuldet ist, geschrieben. Kann Ihnen nur von ganzen Herzen zustimmen.

Henri Lassalle | Do., 1. August 2024 - 15:38

für prestigehaltiges kleines und grosses Spektakel, das hat dort Tradition. Leider wurde das Ganze durch die verseuchte Seine getrübt: Der viel besungene Fluss ist eine Kloake. Ich würde jedem dringend empfehlen, darin nicht zu baden
Wenigstens ist der Politklamauk etwas zur Ruhe gekommen - ab dem 15. Sept. geht es wieder los.

Man lässt doch den Franzosen ihren Sinn, nur unbedingt den
Wettkampf nun doch in der Seine durchzuführen, trotz der
vorliegenden Messwerte, hat für mich ein leichtes "Geschmäckle".

Der große Politikklamauk fehlt zum Glück, nach der Olympiade
wird der Präsident mit dem großen "Reinemachen" beginnen
und etliche Stühle neu besetzen müssen.

Da bin ich ganz bei Ihnen, im September geht es wieder los, auch hier!

MfG

Uwe Lorenz | Do., 1. August 2024 - 21:49

... das war schon immer so, egal ob Olympia, EM oder WM. Es geht um mediale Unterhaltung und Ablenkung fürs "dumme" Volk.
Der "Qualitätsanspruch" für die Selbstinszenierung von Olympia leidet aber sehr.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 2. August 2024 - 09:37

Man wird wahrscheinlich erst in einigen Wochen, wenn wieder ein ganz anderes Thema die Gazetten bewegt, mal kurz lesen, was diese Olympiade wieder gekostet haben dürfte. Und wer füllt sich die Taschen? Wer kostet den Moment "erzwungener" Olympiafreude aus, während nicht ein Problem gelöst wurde? Werden die Franzosen sich deshalb weniger kampfeslustig auf den Straßen verhalten? Da quälen sich Sportler über Jahre hin zu dem einen Moment, wo sie hoffen in aller Munde der Beste/die Beste zu sein. Und was muss man feststellen? Ein Mann boxt gegen eine Frau und täglich wird irgendein Vorfall als Skandal oder sprachlich überzogen in den Headlines deutscher Medien interessant geschrieben. Das braucht kein Mensch.
@ Brigitte Miller - ich bin ganz bei Ihnen
In Italien forderten die Medien die Boxerin auf, erst gar nicht anzutreten. Dennoch boxte sie im Wissen, diesen ungleichen Kampf zu verlieren. Gut, dass sie es tat. Warum? Da dürfte jetzt endlich den letzten Zweiflern ein Licht aufgehen.