- Eine Provokation für den Rechtsstaat
Kolumne Empörung: Salafisten werben in deutschen Großstädten ungeniert für ihre radikalen Ansichten – und rekrutieren Kämpfer für den Dschihad. Die Demokratie sollte sich gegen diesen Fundamentalismus wehren
Vor einigen Tagen in einer Berliner Einkaufsstraße: Fünf oder sechs junge Männer mit langen Bärten stehen feixend hinter einem Stand und versuchen, Korane unters vorbeilaufende Volk zu bringen. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn es sich nur um fromme Menschen handelte, die versuchten, für ihre Religion zu werben. Aber ganz so einfach ist es eben nicht. Denn bei den Jungs handelt es sich um Aktivisten der salafistischen „Lies!-Stiftung“, die seit Jahren eine Kampagne für die fundamentalistische Lesart des Islam führt. Ein Mitarbeiter des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz ließ sich im März über den Zweck dieser Kampagne wie folgt zitieren: „Ziel ist es, Anhänger für den Salafismus zu rekrutieren und damit diese Form des religiös motivierten Extremismus in Deutschland weiterzuverbreiten.“ Im Internet waren Videos mit jungen Leuten zu sehen, die von Deutschland aus in Richtung Syrien aufgebrochen waren, um sich dort zu Dschihad-Kämpfern ausbilden zu lassen; sie trugen Rucksäcke der „Lies!“-Aktion. Rund 400 Kombattanten des „Islamischen Staates“ seien aus Deutschland, sagte Angela Merkel beim Cicero-Foyergespräch.
Anfang August, vor dem Brandenburger Tor: Eine Gruppe von rund einem Dutzend Islamisten hat sich am Wahrzeichen Berlins versammelt, um für ihre Interessen zu demonstrieren; einer von ihnen trägt das Logo der Terrormiliz IS. Auf Facebook sind diese Leute unter dem Namen „Islamischer Staat in Berlin“ präsent, der Spruch auf dem dazugehörigen Titelbild lautet schlicht und ergreifend „Demokratie? Nein danke!“ In einem Posting des „Islamischen Staats in Berlin“ heißt es: „Wahrlich, schlimmer als das Vieh sind bei Allah jene, die ungläubig sind und nicht glauben werden.“ Wie gesagt: Das alles geschieht nicht in irgendwelchen Hinterzimmern, sondern auf Kundgebungen mitten im öffentlichen Raum. Man muss solche Aktionen deshalb auch so benennen, wie sie von ihren Urhebern gemeint sind: als Provokationen, die sich unmittelbar gegen unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaftsordnung richten.
Salafisten stellen Demokraten vor ein Wertedilemma
Der Schriftsteller Sherko Fatah, ein Deutscher mit kurdischen Wurzeln, hat soeben in einem Interview mit der Zeit einen sehr bemerkenswerten Satz gesagt: „Die größte Leistung des Islamismus ist es, dass es ihm gelungen ist, sich derart wichtig zu machen.“ Damit hat Sherko Fatah zweifellos recht. Und wir müssen uns deshalb umso dringender die Frage stellen, inwieweit wir uns auf die Provokationen dieser Feinde einer freiheitlichen Gesellschaft überhaupt einlassen sollten. Oder um es ganz konkret auf den Punkt zu bringen: Geht man den Salafisten erst recht auf den Leim, wenn man versucht, sie mit den Mitteln des Rechtsstaats aus Fußgängerzonen fernzuhalten? Eröffnet man ihnen damit nicht überhaupt erst die Chance, sich als verfolgte Unschuldslämmer aufzuspielen und sich, ganz genau: wichtig zu machen?
Die Fundamentalisten wissen ja genau, dass sie mit ihren Aktionen eine freiheitlich und demokratisch organisierte Gesellschaft vor ein Wertedilemma stellen. Nämlich: Müssen wir bereit sein, auch jenen Gehör zu verschaffen, die unsere offene Art des Zusammenlebens unter dem Primat der individuellen Selbstbestimmung rundheraus ablehnen?
Dilemmata können bekanntlich nur gelöst werden, indem man sich zwischen zwei Möglichkeiten entscheidet, die jede für sich zu einem unerwünschten Resultat führen. Ich halte allerdings die permissive Lösung für die schlechtere Wahl. Denn warum sollten wir uns eigentlich eine Wertediskussion von Leuten aufdrängen lassen, die diese Werte ohnehin ablehnen? Wenn der Rechtsstaat heute von Fundamentalisten und Extremisten mehr denn je herausgefordert wird, muss er seine Wehrhaftigkeit unter Beweis stellen – und zwar möglichst kühl und bürokratisch, damit gar nicht erst eine Situation entsteht, die es Islamisten und sonstigen Demokratieverächtern erlaubt, sich wichtig zu machen. Das kann nur heißen: Platzverweise, Verbotsverfahren, Strafverfolgung mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln. Und wer nach Deutschland kommt, um den Salafismus zu predigen oder gar Schleichwerbung für Terrormilizen zu machen, gehört unverzüglich abgeschoben und mit einem Wiedereinreiseverbot belegt.
Damit nämlich eines klar ist: Wer den Rechtsstaat herausfordert, sollte damit rechnen müssen, dass dieser Staat die Herausforderung annimmt. Mit allen Konsequenzen.
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