schreiben: Das Gedicht - Robert Walser: Langezeit

Ich tu mir Zwang,
zu scherzen und lachen.
Was soll ich machen?

Gewohnten Gang,
im müden Herzen,
gehen alte Schmerzen.

Ich muss den Hang,
zu weinen, bezwingen,
nebst andern Dingen.

 

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Ich tu mir Zwang,
zu scherzen und lachen.
Was soll ich machen?

Gewohnten Gang,
im müden Herzen,
gehen alte Schmerzen.

Ich muss den Hang,
zu weinen, bezwingen,
nebst andern Dingen.

 

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Einer, der kein Dichter ist, dichtet. Er ist kaum zwanzig, hat irgendwo Gedichte gelesen, sagt er, und gedacht, er könne selbst mal welche verfassen, «das gab sich, wie sich sonst etwas gibt». Er schreibt ohne Vorbild, von innen nach außen. Nicht Form und Schema bestimmen, was hier Gedicht sein soll, vielmehr flackert im Zentrum ein Gefühl, kein großes, schreiendes, edles, sondern eine Anwandlung bloß, eine Eintrübung, die ihr Passepartout sucht. Sie macht den Dichter unbeholfen, er schweift durch zwei Ströphchen, weiß sich scheinbar nicht so recht zu lassen. Der dritte Dreizeiler aber seufzt dann so ergreifend, wie ich es aus keiner anderen Region deutscher Dichtung kenne, und er ist so ganz Walser: der sich klein machende, in die Beiläufigkeit und Belanglosigkeit rufende Dichter, der Bewegende, der Rührende. Franz Blei war der erste namhafte Förderer des jungen Robert Walser, der seine frühen Gedichte in der legendären «Insel» publizieren durfte, übersehen wurde, lange keine Verse mehr verfasste. Erst zum Lebensende hin hat er wieder Gedichte geschrieben. Sie sind prosaisch, gereinigt, fürchterlich klar oder verwirrt, «nebst anderen Dingen».


Das Gedicht ist zu finden in Robert Walser Die Gedichte Hg. von Jochen Greven. Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1999. 336 S., 10€

 

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