Dass wir etwas für
die Umwelt tun können, wissen schon die Kleinsten. Oder sie könnten
es doch wissen, es gibt ja Bilderbücher wie «10 Sachen kann ich
machen für unsere Erde» von Melanie Walsh, die Dreijährige in die
Geheimnisse der Mülltrennung, des Strom- und Wassersparens
einführen. Aber das ist ein dröges Regelwerk, da helfen auch die
putzigen Motten nichts, die hier zu bunten Schmetterlingen
aufgemotzt werden. Jaja: Die Glühbirne, die sie umkreisen, sollen
wir ausschalten, wenn wir das Zimmer verlassen. Aber solche Regeln
greifen nur, wenn sie in der Familie selbstverständlich sind, dazu
braucht es eigentlich kein Buch. Was das Gute am Stromsparen ist,
bleibt sowieso im Dunkeln – wie die großäugigen Falter, wenn die
Glühbirne aus ist.
Stromfresser als
Wuschelmonster Was das
Gute am Stromsparen ist, erklärt Franz Littek in seinem
Sachbilderbuch «Woher kommt unser Strom?». Es richtet sich an
Achtjährige, in aller Gründlichkeit. Erzählt wird vom Leben ohne
Strom in Urgroßmutters Kindheit wie vom heutigen gedankenlosen
Umgang mit Energie; niedliche Elektronen machen dazu ein ernstes
Gesicht. Dass die warme Dusche und der altmodische
Kassettenrekorder nicht umsonst laufen, wird den jungen Lesern hier
schon klar. Dass man Papa trotzdem das Licht nicht einfach
ausschalten darf, wenn der im Bad verschwunden ist, hoffentlich
auch.
Das Konkurrenzbuch «Energie –
heute und morgen» von Alke Kissel und Manfred Rohrbeck kommt
dagegen ohne kleine Mäuschen und andere Spielereien aus. Es wirkt
sachlicher und fundierter: Bevor das Kohlekraftwerk auch hier in
einer Funktionsskizze vorgestellt wird, informieren die Autoren
über die Entstehung des Energieträgers. Und anstelle eines herzigen
Ökos mit «Atomkraft? Nein danke»-Schild, wie ihn der Illustrator
Sebastian Coenen in «Woher kommt unser Strom?» vor das AKW-Modell
gemalt hat, muten Kissel und Rohrbeck ihren Lesern das Thema
Tschernobyl zu. Allerdings fehlt hier nicht nur das lavendelfarbene
Wuschelmonster, das bei Littek und Coenen als Energiefresser
Elektronen jagt, es fehlt gleich das ganze Thema. Dafür ist
Energieverschwendung, zusammen mit Luftverschmutzung, Müllproblemen
oder Raubbau, ein zentrales Motiv in David Burnies Buch «Die Erde,
der bedrohte Planet». Hier sollen vor allem Bilder wirken, und
zuweilen gelingt das auch: beim nächtlichen Lichtermeer einer
Großstadt zum Beispiel, bei einem vom sauren Regen zerfressenen
Sandsteinlöwen oder einem unrettbar in Plastik verhedderten Storch
auf einer Deponie. Im Ganzen aber wirkt das Buch
überinstrumentiert, und die teils zusammenhanglos ineinander
collagierten Fotos unterschiedlicher Qualität und Aussagekraft
schwächen den Text. Eindringlich, nicht
alarmistisch Ganz anders
geht es zu bei Dagmar Röhrlichs Jugendsachbuch «Die Spur des
Menschen oder Was die Erde alles aushalten muss». Ruhig wechselt
die Wissenschaftsjournalistin zwischen Erzählung und Information
und kann es sich sogar leisten, die heutigen Probleme zu
relativieren, ohne ihrem Buch die Eindringlichkeit zu nehmen. So
schildert sie einen indonesischen Vulkanausbruch aus dem Jahr 1815,
um lokale Einflüsse auf das Wetter in aller Welt zu verdeutlichen:
Durch die folgende atmosphärische Trübung kam es nicht nur im nahen
Indien zu Wetterextremen mit verheerender Wirkung. Auch die letzte
Hungerkatastrophe in Europa lässt sich noch auf dieses
Naturereignis zurückführen, ebenso die besonders farbenprächtigen
Sonnenuntergänge, die William Turner und andere Maler seiner Zeit
faszinierten. Viele der ökologischen Veränderungen, die der
Mensch verursacht, hat die Welt in ähnlicher Form schon einmal
durchgemacht. Das unabsehbare Problem der Gegenwart liegt im
ungeheuren Tempo der Entwicklung, das auch die Abfolge von
Naturkatastrophen beschleunigt. Bis zum Schluss kommt dieses Buch
ohne künstliche Aufregung aus. «Machen wir weiter wie bisher»,
heißt es gegen Ende schlicht, «werden sich unter unserem Druck in
den kommenden Jahrzehnten die Ökosysteme – gleichgültig, ob wir in
Europa leben, in Nordamerika, Afrika oder Indonesien –
verschlechtert haben.» Was das bedeutet, wissen die Leser ab
dreizehn Jahren, die der Darstellung bis hierher gefolgt sind,
genau.Auf einmal ist der Ofen aus
Wie es sein könnte, wenn wir
nicht weitermachen wie bisher, das zeigt Saci Lloyd in dem
Science-Fiction-Roman «Euer schönes Leben kotzt mich an!». In ihrem
Tagebuch aus dem Jahr 2015 hält die sechzehnjährige Laura aus
London hier ihren Alltag fest. England hat sich
entschieden, jedem Bürger ein Emissionsbudget zur Verfügung zu
stellen, um den CO2-Ausstoß weiter zu reduzieren, und die Autorin
entwirft ein enormes staatliches Programm von Rationierungen,
Sanktionierungen und Umerziehungsmaßnahmen. Diese setzen besonders
bei Jugendlichen an und schlagen sich in Schulfächern wie
«Umweltschonung und Energiesparen» nieder, im Reparieren von
Elektroschrott oder in einem «Reha-Center für junge
Energieverschwender». Dort landet erst Lauras ältere Schwester,
weil sie das Emissionskonto durch zwei heimliche Flugreisen
überzogen hat, später auch Laura selbst. Eine Schneekatastrophe in
der Großstadt, sommerliche Dürre mit Wasserknappheit,
Massenunruhen, herbstliche Unwetter, dann eine Sintflut mit
anschließender Cholera-Epidemie – Saci Lloyd erspart den Londonern
nichts. Und dass ihre Figuren nicht schon bei der winterlichen
Heizungssperre aus den Schuhen kippen, liegt einzig daran, dass
sie sich das Thema Krankheit für den Showdown aufgehoben
hat.
Keine Frage, Saci Lloyd hat sich
Beachtliches vorgenommen. Dass daraus auch ein beachtliches Buch
geworden ist, liegt zum einen an der Sorgfalt, mit der sie für das
nötige Gegengewicht im Leben ihrer Heldin sorgt: Lauras Herz
schlägt für den Nachbarsjungen, ihre Band taumelt zwischen
Durchbruch und Dauerstreit, ihre Familie droht zu zerbrechen, und
die Nachbarschaft rückt notgedrungen näher zusammen. Vor allem aber
beruht die Wirkung des Romans darauf, dass die Heldin altersgemäß
zwischen Verzweiflung, Ungläubigkeit, Wut und Erwachsenwerden
schwankt und die turbulenten Ereignisse dabei mit der
traditionellen britischen Trockenheit schildert. So werden die
Leser nicht nur auf ungewohnte Weise mit dem Thema Umwelt
konfrontiert, sondern auch noch gut unterhalten.
Melanie
Walsh 10 Sachen
kann ich machen für unsere Erde Sauerländer, Düsseldorf 2009. 42 S., 14,90
€
Franz Littek und Sebastian
Coenen Woher kommt
unser Strom? Sauerländer, Düsseldorf 2009. 32 S., 13,90
€
Alke Kissel und Manfred
Rohrbeck Energie –
heute und morgen Coppenrath, Münster 2009. 54 S., 14,95
€
David Burnie Die Erde, der bedrohte Planet –
Mensch, Natur und Klimawandel Arena, Würzburg 2009. 64 S., 7,95 €
Dagmar Röhrlich Die Spur des Menschen oder Was die
Erde alles aushalten muss Bloomsbury, Berlin 2009. 256 S., 16,90
€
Saci Lloyd Euer schönes Leben kotzt mich
an! Arena,
Würzburg 2009. 344 S., 12,95 €