Anti Pegida
Bunte Kulturelite versus Rechtspopulismus / picture alliance

Kulturelite und Populismus - „Die kosmopolitischen Milieus haben die größte Klappe“

Jede herrschende Klasse, auch die Kosmopoliten versuchen, sich selbst zu verewigen und die eigenen Privilegien in die Zukunft fortzuschreiben. Im Interview erklärt die Soziologin Cornelia Koppetsch, was die global denkende Kulturelite mit dem Aufstieg des Populismus zu tun hat

Elke Buhr

Autoreninfo

Elke Buhr ist Chefredakteurin des Monopol Magazins

So erreichen Sie Elke Buhr:

Frau Koppetsch, die Kunstszene ist seit Anbruch der Moderne die Speerspitze der Globalisierung: Schon die Dadaisten dachten international und wollten sich nicht mit einer Nation identifizieren. Heute wird die Kunst im Spitzensegment von einer Englisch sprechenden Elite dominiert, die ununterbrochen um die Welt reist und in Bangkok, New York oder Venedig einen ähnlichen Ausstellungsbetrieb und Kunstmarkt schafft. Gleichzeitig hält sich die Kunstwelt auch für eine moralische Avantgarde, schließlich lässt sie den Nationalismus hinter sich und tritt für internationale Vernetzung, Toleranz und Diversität ein. In Ihrem aktuellen Buch „Die Gesellschaft des Zorns“ zeichnen Sie aber ein recht kritisches Bild der heutigen transnationalen Eliten. Warum?
Kennzeichnend ist, dass transnationale, kosmopolitische Eliten in den großen urbanen Zentren überall auf der Welt die gleichen Strukturen vorfinden und sich auch hinsichtlich ihres Ethos, ihrer Einstellungen, Lebensgewohnheiten und Lebensstile angleichen. Die transnationalen Milieus aus unterschiedlichen Ländern werden sich in ihren Ansichten und ihrem Habitus immer ähnlicher, und sie sind global verbunden. 

Aber warum nicht? Warum dürfen die Kreativen in Berlin nicht den gleichen urbanen Lebensstil genießen wie ihre Brüder und Schwestern im Geiste in Los Angeles?
Die Lebenslüge setzt da ein, wo man tatsächlich glaubt, diese Milieus seien die ganze Welt. Das sind sie aber nicht. Es sind sozial geschlossene Gruppen von Menschen, die ihresgleichen bevorzugen und weniger gebildete, weniger inspirierende und weniger kultivierte Menschen gar nicht erst kennenlernen. Durch das, was sie verbindet, sind sie auch nach außen abgeschlossen. 

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar
  • Ohne Abo lesen
    Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Jürgen Keil | Fr., 30. August 2019 - 16:43

Interessante Diskussion! Im konservativen Meinungsspektrum werden auch oft die "abgehobenen Eliten" kritisiert, die keinen Bezug, kein Verständnis mehr für die Menschen haben, welche mit physischer Arbeit oder indirekt als Angestellte die materiellen Werte schaffen, die das Bruttosozialprodukt generieren, die Quelle, aus der Wissenschaftler bezahlt und auch Künstler über Förderungen profitieren.
Die Nation ist das bisher erfolgreichste gesellschaftliche Konstrukt, welches funktionierende Sozialsysteme, Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherungen etc. ermöglicht. Laßt die Künstler ihren Kosmopolitismus ausleben. Aber die Entscheidungen über staatlichen Strukturen über gesellschaftliche Entwicklungen überlasst den Realisten, den bodenständigen, lebensklugen Menschen!

"...und auch Künstler über Förderungen profitieren." Ganz so großzügig wäre ich da nicht oder nur, solange Künstler sich nicht erhaben dünkt über den, der ihn durchfüttert. Der arme Poet war mir jedenfalls sympathischer als diese abgehobenen, sich elitär fühlenden Schmarotzer, die ncit wirklich jemand braucht. Und dass mir keiner mit Neid kommt. Ich hab nichts gegen Reichtum, wenn er in Demut genossen wird.

Wenn ich solche Sichtweisen lese, schwillt mir der Kamm. Sie liber Herr Keil bringen es wieder einmal auf den Punkt. Ich kann mich abregen. Besser so.
Danke und schönes Wochenende allen

Johannes Schneider | Fr., 30. August 2019 - 16:48

Keiner hat bisher definiert, was Moderne ist. Waren wir überhaupt jemals modern, oder nicht doch schon immer postmodern?!

Brigitte Simon | Sa., 31. August 2019 - 18:42

Antwort auf von Johannes Schneider

Lieber Herr Schneider,

darf ich Sie auf Wikipedia aufmerksam machen? Da komme ich soeben
heraus.
MfG, Brigitte Simon, München

Ekkehard Windrich | Fr., 30. August 2019 - 16:55

Zunächst herzlichen Dank für das ausführliche und lesenswerte Interview.
Da ich als Musiker zumindest am Rande zu dem beschriebenen Milieu gehöre, ein paar Anmerkungen: Zunächst gehört es garantiert nicht zur Selbstbeschreibung der kulturellen Kosmopoliten, anderen ihren Lebensstil vorzuschreiben. "Wir" sitzen nur der problematischen Annahme auf, alle anderen müssten von der Zurückgebliebenheit ihrer Ansichten und Lebensgewohnheiten überzeugt und damit befreit werden. Das ist ein spätgeborener Spross der Aufklärung, der leider nicht sehr oft von der erforderlichen Sachkenntnis, sondern mehr von Selbstgerechtigkeit geprägt ist. Dass es sich dabei im Endeffekt um Bevormundung handeln könnte, wird dabei den wenigsten bewusst.
Künstler machen sich im übrigen kaum eine Vorstellung davon, wie stark sie den gesellschaftlichen Diskurs inzwischen prägen, sie fühlen sich im Gegenteil völlig machtlos. Individuell sind sie das zwar auch, als internationale Klasse aber keineswegs.

Für den streitbaren Kosmopolit Leibniz, der 20.000 km durch Europa fuhr, ein Alptraum. Wie dächte der Weltkenner Peter Scholl-Latour?

Im Kosmopolitismus suche ich Individualität, Universalismus und F r e i h e i t.
Eine Freiheit, die mir nicht den fanatischen GRÜNEN- Multi-Kulti-Wahnsinn auf-
drängt und nicht mein deutsches Ethos vernichtet. Ganz richtig schreibt Frau
Koppetsch, die kosmopolitischen Milieus schreiben anderen Menschen vor, wie
sie leben und kosmopolitisch sein sollen. Zynisch überlege ich für mich: Wäre
das die Chance, mein Ego zu "elitärisieren"?

Besonders hervorheben möchte ich Frau Koppetschs Aussage: "Ich rede also mit
und über meine Landsleute in deutscher Sprache - müßte ich dies ausschließlich in englischer Sprache tun - würden viele Inhalte verlorengehen".Frau Koppetschs Denkweise demonstriert Charakter, Freigeist und Selbstbewußtsein.

Unser aller Musik muß im Kosmopolitismus fest verankert sein, sie darf nie verloren-
gehen!

Ekkehard Windrich | Fr., 30. August 2019 - 17:17

Ein anderes Problem ist die kanonische Einengung der Kunst, die mit der internationalen Homogenität der Künstlerklasse einhergeht. Ein Beispiel:
Der Kommunist Hanns Eisler war ein genialer Komponist, der den großen drei der neuen Winer Schule (Schönberg, Berg, Webern) in nichts nachstand. Selbst Agit-Prop komponierte er in den 1920/30ern auf absolut brillantem musikalischen Niveau, immer im Geiste des Widerstands. Als Staatskomponist der DDR jedoch brach ihm der Modus seines Denkens weg, eben jener Widerstand. Was dann noch folgte, hatte zwar immer Hand und Fuß, aber nur noch selten Geist.
Ähnliches ist der Kunst passiert. Ihr Mainstream-Diskurs folgt immer noch dem Duktus der Anklage, doch ist dieser längst der Adressat abhanden gekommen: Der demokratische Staat und die Weltgesellschaft haben die Kernanliegen des Diskurses - wenn auch bürokratisch - erfüllt und bilden vielmehr seine Schutzmacht als eine Bedrohung.
Zurück bleibt allzu oft selbstreferentielles, hohles Pathos.

Ein tolles Interview mit Frau Cornelia Koppetsch, ein Interview, das nach einer Podi-umsdiskussion verlangt.
Kosmopolitisch zu sein, ist das gleichbedeutend für jemand, der sich als Weltbürger
versteht?
Wer ist kosmopolitisch? Um mich einzuschätzen zu können, versuchte ich eine Mischung aus Gottfried Wilhelm Leibniz´scher, Imanuell Kant´scher und Peter Scholl-
Latour´scher Sicht- und Denkweise zu enträtseln. Sie waren Freigeister unterschied-lichster Sichtweise. Für sie ist der Kosmopolit jemand, der die ganze Welt versteht.
Sei es staatlicher oder nationler Art, spielen für ihn keine wesentliche Rolle. Für Kant ist der Kosmopolitismus eine moralische Haltung, die in der politischen Weltordnung im Verhältnis der Staaten zueinander finden soll. Er fordert ein Weltbürgerrecht, das auf dem freien Verkehr derVölker beruht. Doch zu seiner Zeit war das Weltbürgertum ein kaum zu realisierender Traum. Wie sieht der damalige Traum heute aus?

Helmut Bachmann | Fr., 30. August 2019 - 19:56

Es sind viele intressante Aspekte angesprochen worden, doch verhebt sich die Soziologie beim Welterklärungsversuch. Erst recht, wenn die eigene Subjektivität nicht reflektiert wird.

Markus Michaelis | Fr., 30. August 2019 - 21:35

Stimmt es denn so, dass die kosmopolitischen Kreativen auf der einen Seite sind und die von dieser Entwicklung Abgehängten oder Gefährdeten auf der anderen Seite?

Ist es nicht auch so, dass eine "kosmopolitische" Elite, die sich seit den 70ern oder 80ern etabliert hat und in den 90ern und 0ern homogen dominierend wurde mit ihrem Weltbild an Grenzen gekommen ist, weil es in einer globaleren Welt, mit Migration (über kosmopolitische Eliten hinaus) etc. nicht mehr funktioniert?

Es ist doch nicht so, dass es "die" (einheitlichen) Populisten gibt und deren Hauptproblem eine irrationale Angst vor Migration. Es scheint mir genauso, dass die "kosmopolitische" Elite den neuen globalisierten Entwicklungen hilflos gegenüber steht. Es ist auch ein Kampf aus dieser neuen Unsicherheit heraus, die nach Erklärungen und passenden Gegnern zu diesen Erklärungen sucht.

Dass man selber nicht universell ist und nicht die eine Spitze der Menschheit, erscheint undenkbar.

Brigitte Simon | Sa., 31. August 2019 - 13:31

Lieber Herr Schwennicke,

Sie schreiben "...um ihr Buch zu p r o m o t en".
Erhalte ich mit diesem Verb in englischer Spra-
che den Anstrich einer Kosmopolitin?
Wenn ja, vermeide ich künftig das deutsche Verb
"vorzustellen".
L.G. Brigitte Simon

Rob Schuberth | Sa., 31. August 2019 - 20:57

M. E. sind sich die Eliten eben selbst genug u. werden sich auch nicht überdrüssig.
Die "anderen" braucht diese Elite nur noch als Konsument, Arbeitnehmer (diese werden aber nur als Humankapital betrachtet das man umschichten kann wie man gerade will) und nat. auch noch als Dienstboten, u. letztlich (aber nicht von allen) als Neider.

Die Kulturkreise sind nur der nette Hintergrund (so eine Art Scheinwelt mit realen Zügen) den die Elite benötigt um sich selbst als elitär zu empfinden.

Würden deren (oft asoziales) Verhalten nicht so viel Schaden in der Welt anrichten, könnte es mir egal sein, aber leider ist deren Einfluss (auf die Politiker) erschreckend groß.

G.P.Mueller | Sa., 31. August 2019 - 23:49

Sie mögen recht haben oder auch nicht.
Bezeichnernderweise ist ihr Text zumindest für mich zum größten Teil unverständlich, was die Abgehobenheit der 'Kulturschaffenden' ergo 'Künstler' irgendwie belegt
Ich erfreue mich an einem schönen Bild, einer Photographie, einem Theaterstück, einer Melodie...
Was mehr als das sollten die Hervorbringer dessen erwarten/fordern?
Kein Mensch rühmt die Schönheit eines Krankenbettes, das ich frisch und faltenfrei bezogen habe, ist das deshalb etwa weniger wert?
Mit unverständlichen Grüßen