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(picture alliance) Seine gedruckten Worte gaben Dinescu den Hausarrest und ein Gefühl der Freiheit

Poet Mircea Dinescu - Geschützt durch eine Rüstung aus Papier

Der rumänische Dichter Mircea Dinescu kämpfte unter Ceaucescu gegen die Diktatur und wurde sogar unter Hausarrest gestellt. In dieser Zeit entstand ein besonderes Werk, das den Widerspruch zwischen staatlicher Medienpropaganda und Alltagsleben thematisierte: das Gedicht „Interview“

Interview
von Mircea Dinescu

Bei uns auf dem Land ist es gut ist es schön
die Prinzipien sind ein bisschen älter geworden
dafür verjüngt Alkohol, den man mit Brot ansetzt
und den der Feldscher zur inneren Anwendung empfiehlt.
Bei uns ist der Kirchhof an die Landwirtschaft verscheuert worden
das Schwein mampft das in der Krippe vergessene Kind
(sowieso haben beide dem Staat gehört)
im allgemeinen ist es gut bei uns auf dem Land
unsere Kleinen stehen mit den Kannen vorm Fernseher
vielleicht gibt’s da irgendwann Milch
im Radio sind wir mit der Ernte schon seit langem fertig
und auch auf dem Feld sind wir bald schon soweit
im allgemeinen ist es gut bei uns auf dem Land
Beton ist’s, es ist schön
wenn du das Ei in der City kaufst
wenn die Salamifabrik nicht mehr verstohlen nach Pferden schaut
bei uns auf dem Land ist es gut
die Feuerwehrmänner zünden im allgemeinen die Häuser an
es ist schön
der Traktor pflügt zwischen den einen und andren
zwischen den einen und andren tiefe Furchen
es ist gut es ist schön

Aus: Mircea Dinescu „Ein Maulkorb fürs Gras“, Gedichte, aus dem Rumänischen von Werner Söllner, Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1994

Der 1950 in Slobozia, einer südrumänischen Kleinstadt, geborene Mircea Dinescu galt schon früh – seit seinem ersten, viel gerühmten Gedichtband aus dem Jahr 1971 – als literarisches Enfant terrible. Als er im März 1989 in einem Interview mit der französischen Tageszeitung Libération mit dem Regime von Nicolae Ceaucescu abrechnete, wurde er bis zum Sturz des Diktators unter Hausarrest gestellt. Am 22. Dezember 1989 war Dinescu dann der Erste, der dessen Niedergang im rumänischen Fernsehen verkündete.

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Das Gedicht „Interview“ ist 1989 entstanden, noch während der Zeit des Hausarrests. In paradoxen Bildern und in zornig-mokanten Tonlagen deckt Dinescu den Widersinn der von staatlich gelenkten Medien erschaffenen „Wirklichkeit“ auf. Der Widerspruch von staatlicher Propaganda und Landleben sorgt beim Leser für Orientierungslosigkeit, aber gerade dadurch auch Offenheit für neue Wege und Lust auf den Umsturz alter Ordnungen. „Damals fühlte ich mich beschützt von einer Rüstung aus Papier“, sagte Dinescu später über diese Zeit, „aus dem Papier, auf dem meine Wörter in anderen Sprachen gedruckt worden waren. Ich meine, so habe ich die Angst vor dem Tod abgelegt. Den Wörtern verdanke ich meinen Hausarrest – den Wörtern verdanke ich das Gefühl einer neuen, einer anderen Freiheit."

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