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Femen-Frauen aufgepasst! - Mein Barbie-Moment

Die Aufregung um das Barbie-Haus am Berliner Alexanderplatz ist groß. Auch in der Redaktion ist Barbie Thema. „Grauenhaft”, „Mädchenverzücken”: Cicero-Mitarbeiter erinnern sich an ihre Erfahrungen mit der berühmtesten Puppe der Welt

Cicero Cover 04-25

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„Ich bin ein Barbiemädchen”

Ich bin ein Barbiemädchen. Wenn man mich heute sieht, würde das kein Mensch mehr vermuten. Aber ich hatte sie alle, vor allem jegliches Zubehör. Was ich auch wollte, ich habe es gekriegt: das Auto, die Kutsche, das Katzenset, Pferde und das mitnehmbare Traumhaus. Mit dem bin ich dann immer zu meiner Freundin, wo wir Ken (damals übrigens noch blond) und Barbie wild herumknutschen ließen. Dann fuhren sie in der rosa Kutsche zur Kirche. Das war schon angesagt. Mit elf war dann Schluss. Da hab ich alles verkauft und mir lieber Kassetten und Bravos angeschafft.

Tanja Raeck

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„Es war grauenhaft”

Für Kinder in der DDR war Barbie vor allem eins: nicht erlaubt – und deshalb natürlich superspannend. Ein Freundin hatte eine ganze Heerschar blonder, entzückend angezogener Barbies inklusive Zubehör wie Pferde, Wohnmobil, Kleiderschränke, Fahrräder, Skisets und so weiter.

Ich war superneidisch!

Einen Monat lang habe ich demonstrativ mit imaginären Barbies vor meinen Eltern gespielt und gehofft, eine zu bekommen. Aber da war nichts zu machen.

Dann wurde ich 10, die Mauer fiel, und auf einmal war alles erlaubt. Ich zählte die Wochen bis Weihnachten, denn auf Opa war Verlass: Der kauft mir sicher eine! Wichtig dabei: Tolle lange blonde Haare musste sie haben!

Ich bekam „Diamanten-Barbie“. Mit krausen, braunen Haaren und einem blonden Perückenaufsatz.

Es war grauenhaft.

„So eine Blonde hat doch jeder. Meine Kleine bekommt eine ganz besondere…!“ sagte Opa. Und obwohl ich die kommenden Jahre auch noch ein Pferd, einen Barbiepool und allerlei anderes angesammelt habe – eine blonde Barbie konnte ich nie mein eigen nennen.

Bis ich 20 wurde. Da habe ich sie mir einfach gekauft, aus einer Laune heraus. Sie liegt jetzt in einer Kiste, und sollte ich eine Tochter bekommen, wird diese auf jeden Fall mit einer blonden Barbie spielen können. Auch wenn ihr Herz dann wahrscheinlich für Punker-Barbie schlägt, mit so einem pinken oder blauen Irokesenschnitt.

Kerstin Börner

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„Barbies sind was für Mädchen, dachte ich”

Eine Barbie habe ich nie besessen, wollte ich auch gar nicht. Barbies und Puppen sind was für Mädchen, dachte ich damals, und spielte stattdessen mit Actionfiguren. Nüchtern betrachtet waren die Plastik-Batmans und Robins zwar auch nichts anderes als Puppen im Superhelden-Kostüm mit einem coolen Multifunktionsgürtel, waren damals bei uns im Hort aber ganz schön angesagt. Eine meiner Lieblingsfiguren war ein Power Ranger, ich weiß beim besten Willen nicht mehr, ob es der Rote oder der Blaue war. Die eng anliegenden, knalligen Einteiler der Power Rangers sehe ich heute mit anderen Augen. Die erinnern mich eher an ein Britney Spears-Musikvideo als an Superhelden. Da hätte ich auch gleich mit einer Barbie spielen können.

Julian Graeber

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„Mit Püppchen spielen? Eher nicht”

In der Grundschulzeit wurde ich oft mit einem Jungen verwechselt. Ich trug einen burschikosen Kurzhaarschnitt, war vorlaut und mochte mich nicht in Kleidchen zwängen. Mit Püppchen spielen? Eher nicht. Das wussten auch meine Mitschüler; dachte ich zumindest.

Bis zu jener Weihnachtsfeier. Wir entschieden uns für das „Wichteln“, das heißt, der zu beschenkende Mitschüler sollte per Los zugeteilt werden. Während ich einem Kameraden ein Rommee-Spiel überreichte – so richtig etwas für Erwachsene – erhielt ich von meiner Freundin Cindy ein längliches Paket. Ich riss das Geschenkpapier auf. Und war entsetzt: durch die weiche Kunststoffverpackung grinste mich eine „Petra“-Barbie an. Dürre, glänzende Beine, lange, blonde Haare, violettes Rüschenkleid. So ziemlich das Gegenteil meiner selbst.

Sollte das ein übler Scherz mit meinem Namen sein? Hatte sich Cindy an mir wegen irgendetwas rächen wollen? Mein Tag war jedenfalls gelaufen.

Was ich als Mobbing-Attacke interpretierte, war, wie sich später herausstellte, tatsächlich gar keine: Es war die liebe Geste eines ehrlichen Barbie-Fans.

Petra Sorge

 

 

Barbie kam auf Umwegen und durch Zufall aus dem Westen zu mir in den Osten: Irgendwann drückte eine Kindergartenfreundin mir ein durchgespieltes, abgegriffenes Exemplar mit abgeschnittenem Haar und Filzstiftspuren im Gesicht in die Hände.

Barbie tat mir leid.

Jahre später, als junge Frau, stand ich mit meiner 5-jährigen Tochter vor der überwältigenden Barbie-Galerie im berühmtesten Kaufhaus der Welt, F.A.O. Schwarz in New York, und verstand erstmals das Mädchenverzücken.

Antje Berghäuser

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„Mit der konnte man nix machen!”

Da lag sie, bäuchlings auf dem Boden im Zimmer meiner Kindergartenfreundin.

„Wassen dis?“ Fragte ich.

„Ne Barbie, kennste nicht?“

Ich schüttelte den Kopf und griff nach dem blonden Ding. Ich musterte die Barbie, durchbohrte sie regelrecht mit meinen Blicken – und beschloss, sie doof zu finden. Mit der konnte man ja auch nix machen! Steife Gliedmaßen, dümmliches Grinsen, spindeldürrer Körper… Ganz anders als die Actionfiguren meines Bruders, die ich total toll fand, in deren Nähe ich aber nicht kommen durfte. Geschweige denn mit ihnen spielen.

An irgendeinem meiner Geburtstage kam meine Mutter auf die glorreiche Idee, mir eine Barbie zu schenken. Ich war bockig, als ich sie auspackte, und enttäuscht: So etwas wollte ich nicht. Gehässig, wie ältere Geschwister nunmal sind, lachte mein Bruder mich aus. Daraufhin bemalte ich seine Spielsachen mit Tipp-Ex, das fand er doof.  

Barbie doof, großer Bruder doof – was blieb mir anderes übrig, als die Barbie auf einem Flohmarkt zu verkaufen? Meinen großen Bruder konnte ich ja nicht verkaufen. Ganze fünf Mark habe ich für die Puppe bekommen. Wahnsinn!

Ich kaufte davon Süßigkeiten. Auf einmal war mein Bruder total lieb und nett, und in diesem Augenblick wusste ich, wofür die Barbie gut war: Für ungefähr eine halbe Stunde waren wir ein Herz und eine Seele.

Dann waren die Süßigkeiten aufgegessen.

Sonja Vinco

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„Für die Barbie war es zu spät”

Pistolen, McDonalds und Barbies gingen gar nicht. Wer in unserem Garten spielen wollte, musste die Waffen abgeben. An heißen Sommertagen bespritzten wir uns gegenseitig mit giftgrünen Froschimitaten aus Plastik, meine erste Anti-Kriegsdemo besuchte ich noch in Windeln. Wer sich in unserem Haus eine Barbie wünschte, der konnte nur scheitern. Ich wusste das. Und so habe ich auch nie den Wunsch danach verspürt. Genauso wenig wollte ich Cola, Burger oder Pommes Frites. Mochte ich nicht. Letzteres änderte sich erst mit 17, als ich das erste Mal bekifft war. Für die Barbie war es da zu spät.

Marie Amrhein

Barbie war ein Traum für mich: Etwas buntes, was wir in der sozialistischen Tschechoslowakei nicht hatten. Stattdessen hatten wir alle die gleiche Sporthose, dunkelblau mit einem weiß-blauen Streifen, und die gleichen Schuhe. Wenn ab und zu jemand mit einer rosa Sporthose zur Schule kam oder wenn jemand eine Barbie bekam, war das unser Held. Ich war zehn Jahre alt, als die Wende kam. Plötzlich gab es das alles auch bei uns: Die Farben, Walt Disney, und Barbie, original von Mattel. Aber ich war zehn. Und wer interessiert sich in diesem Alter schon für eine ultraschlanke Blonde?

Lucia Suchá

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„Die heutigen Femen-Aktivistinnen wären stolz auf mich”

Ja, auch ich hatte eine Barbie. Bevor jetzt die Freudianer hobbypsychologisch zu fantasieren und zu pathologisieren beginnen: ich hatte natürlich auch hypermuskulöse, ultratestosteron-beladene He-Man-Figuren. Zum Ausgleich quasi. Und: Meine Barbie war eigentlich gar keine. In Wahrheit hieß sie „Petra“, die billige Kopie, was ich erst sehr viel später herausfinden sollte.

Die Barbie also, die keine war, trug ein weißes Brautkleid. Aber nur kurz, denn ich zog es ihr aus. Die heutigen Femen-Aktivistinnen wären stolz auf mich. Hatte ich meine Puppe doch von ihren bürgerlichen Fesseln befreit, ihr das männliche Herrschaftssymbol „Brautkleid“  entrissen und  ihr die nackte Freiheit geschenkt. Doch offen gestanden war die Entkleidungszeremonie  weniger einer politischen Überzeugung geschuldet, als es aus reiner Neugierde geschah und vor allem auch ästhetische Gründe hatte. Ein scheußliches weißes Kleid! Hinfort damit.

Wie ich an die Barbie kam, weiß ich heute nicht mehr. Von meiner Mutter, eine großartige Frau, die auf Ihre Weise für die Rechte der Frauen eintrat, wohl eher nicht. Sie war immer mit einem Jutebeutel gerüstet, auf dem „Frauen euch gehört die Hälfte der Welt, nehmt sie euch!“ zu lesen war, weshalb mich die dörflich sozialisierten Altersgenossen aufzogen.

Ich nehme an, dass mein älterer, etwas wunderlicher Bruder daran schuld war. Er spielte gern und ausschließlich mit Puppen, tapezierte sein Zimmer mit Sandrapostern (die später durch Axel Rose getauscht wurden), nahm mich in einem Briefmarkenklub mit, in dem die Hundemarken nach Rasse katalogisiert wurden, schrieb mit mir als Kind tagelang Autonummern ab, las mir aus Brecht und den satanischen Versen vor und war mir ein großartiger großer Bruder. Aber gut. Zurück zur Puppe.

Später färbte ich der Barbie die Haare schwarz, schnitte ihr den Unterleib ab, lies Drähte daraus emporragen, die ich feinsäuberlich anklebte, und nagelte sie an ein Kreuz. Warum? Im Kunstunterricht hieß das Thema moderne Kreuzigung. Warum also nicht. Und bevor Missverständnisse aufkommen: Auch He-Man landete letztlich dort, wo er hingehörte: am Kreuz.

Timo Stein

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„Barbie war auch Jungenkram!”

Ich hatte eine Barbie, einen Ken und für beide Wechselklamotten. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich eine große Schwester, aber keinen großen Bruder habe, und eine gleichaltrige Nachbarin, aber keinen gleichaltrigen Nachbarn hatte. Barbie war wohl auch damals schon Mädchenkram; aber bis ich das erfuhr, war die Barbie auch Jungenkram. Mit der Nachbarin kletterte ich auf Bäume und fing Maikäfer, und danach spielten wir halt mit Puppen. Das war gleichstellungsorientierte politische Praxis. Kinder haben’s schon ganz schön drauf.

Klaus Raab

Alle Fotos von Picture Alliance

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