Kurz und Bündig - Barbara Adam: Das Diktat der Uhr

Spätestens seit den «Rolling Stones» weiß man: Time is on my side. Nur: welche Zeit, und was soll Zeit sein? Die in Cardiff lehrende Soziologin Barbara Adam macht auf einen oft übersehenen Umstand aufmerksam: «Zeit ist ein derart integraler Bestandteil un­seres Lebens, dass wir gewöhnlich nicht weiter über sie nach­denken.» Dabei ist das Wort «Zeit» eines der am häufigsten verwendeten Substantive der Gegenwart. Barbara Adam muss es wissen.

Spätestens seit den «Rolling Stones» weiß man: Time is on my side. Nur: welche Zeit, und was soll Zeit sein? Die in Cardiff lehrende Soziologin Barbara Adam macht auf einen oft übersehenen Umstand aufmerksam: «Zeit ist ein derart integraler Bestandteil un­seres Lebens, dass wir gewöhnlich nicht weiter über sie nach­denken.» Dabei ist das Wort «Zeit» eines der am häufigsten verwendeten Substantive der Gegenwart. Barbara Adam muss es wissen. Denn sie hat nicht nur die Zeitschrift «Time & Society» mitgegründet, nicht nur ist sie gern gesehener Gast auf Konferenzen über Zeit und Zeitökologie, sie hat auch innerhalb von fünfzehn Jahren vier Bücher über dieses Thema geschrieben. Als erste größere Veröffentlichung in deutscher Sprache erscheint nun ihr Buch über das «Diktat der Uhr» in der von Ulrich Beck he­rausgegebenen Reihe «Edition Zweite Moderne». «Wir leben nicht in einer Zeit, sondern in einer Vielzahl von Zeiten, die sich in unserem Alltag wechsel­seitig durchdringen», schreibt Adam. Begriffe wie «Gleichzeitigkeit, Unverzüglichkeit, Informationsvernetzung, unbegreiflich kurze und unvor­stellbar lange Zeitspannen sowie globale Gegenwarten» charakterisieren – neben Ungewissheit, Flexibilisierung und Zeitbudgetierung – die laut Adam zeitökonomische Lebensführung im Zeichen der Globalisierung. Gegen eine Soziologie, die sich auf die mechanische Maschinenzeit und auf rigide Zeitdisziplinierung durch den Industrie-Kapitalis­mus konzentriert, setzt sie eine Berücksichtigung von Körper- und Natur-Zeit. «Zum Phänomen der Zeit gehören daher auch variierende Rhythmen», schreibt sie. «Diese Zeitcharakteristika sind allen Ebenen des Seins immanent: den Bewegungen der Planeten wie den Rhythmen des Körpers und den sozialen Organisationsformen, dem scheinbar Selbstverständlichen wie dem Unsichtbaren und dem Offensichtlichen, den aufgezwungenen, gelebten und kulturell bedingten Mustern.» Auch der Kindererziehung, die sie aufschlussreich neu beleuchtet. Doch spätestens beim überorchestrierten Finale ist nicht zu übersehen, dass die Ver­öffentlichung der Original­ausgabe zehn Jahre zurückliegt. Seither ist fast alles auf den Prüfstand gestellt worden, was Adam wortreich einfordert: ob es sich um die – voreilige – postmoderne Verabschiedung der rationalistischen Aufklärung handelt oder um die selbst­reflexive Überprüfung des wissenschaftlichen Beobachtungsstandorts. Die Zeit-Forschung ist in den letzten Jah­-
ren springflutartig angewachsen. Dabei geriet auch manches in den Blick, woran Adam 1995 noch gar nicht denken konnte. Über ihr Buch und dessen holistischen Ansatz ist einfach die Zeit hinweggegangen.

 

Barbara Adam
Das Diktat der Uhr. Zeitformen, Zeitkonflikte, Zeitperspektiven
Aus dem Englischen von Frank Jakubzik.
Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2005. 260 S., 16,90 €

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