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() Bald ist wieder Wahlkampf - die Kampagnen für die Bundestagswahl 2009 sind schon in Arbeit
Wir machen den Wahlkampf

In einem halben Jahr sind Bundestagswahlen, die Parteien rüsten sich bereits dafür. Cicero hat die Werbeagenturen besucht, in denen die Kampagnen vorbereitet werden, und stellt die wichtigsten Kreativköpfe vor.

Lesen Sie auch: Alexander Görlach und Constantin Magnis: Obama ist die Benchmark - Deutschlands Politiker proben den Onlinewahlkampf Kreative Köpfe brauchen Raum. Hallenähnlich, hell und modern. Wer von Inspiration lebt, kann nicht eingeengt sein in ein Büro-Carré. Und so befinden sich viele der großen Werbeagenturen des Landes in renovierten Lagerhäusern, Lofts oder Werkshallen, in einem Ambiente, das das Flair von Avantgarde verströmt. Weil die Politik aus ihren Gaststätten-Hinterzimmern und Mehrzwecksälen herauswill, in die sie ohnehin immer weniger Menschen lockt, suchen die Parteien die Nähe zu den Marketing-Profis. Die sollen mit originellen Slogans, treffenden Fernsehspots und den raffinierten „Give aways“ das politikmüde Volk für den Wettbewerb um die Macht im Staate interessieren. Und so bemühen sich diejenigen, die sonst für Versicherungen, Käse oder Autos werben, im Wahlkampf darum, Politik an den Mann zu bringen. Die CDU setzt im bevorstehenden Bundestagswahlkampf auf die Hamburger Agenturen Kolle Rebbe (bekannt unter anderem durch „11 8 33 – Wir sind die Auskunft“) und die junge Agentur Shipyard. Kolle Rebbe hat das Konrad-Adenauer-Haus bereits mit Vorschlägen zur Präsentation des neuen Grundsatzprogramms und des 60-jährigen Parteijubiläums überzeugt. Shipyard hüllte 2004 und 2008 Hamburg in das eigens erdachte CDU-Orange und organisierte den erfolgreichen Wahlkampf für Ole von Beust („Michel, Alster, Ole“). Auch bei den Landtagswahlen in Hessen Anfang des Jahres waren beide Agenturen für die CDU am Start: „In Zeiten wie diesen“ brauche das Land „Kompetenz und Klarheit“, lautete der Slogan unter dem Koch-Konterfei. Welche Kernbotschaft auf den Plakaten im Bundestagswahlkampf zu sehen sein wird, weiß derzeit noch niemand, in keiner Agentur, egal für welche Partei sie arbeitet. Die Wahlauseinandersetzungen werden immer kürzer und konzentrierter. Da werden Druckaufträge so spät wie irgend möglich vergeben, erst recht in Krisenzeiten mit ihren unabsehbaren Folgen. Inhaltlich sind für Stephan Rebbe die Rahmenbedingungen dennoch klar: In einer bürgerlichen Partei wie der CDU liegen die Schwerpunktthemen seit Jahren fest. Stabilität, Familie und Sicherheit stehen im Fokus. Ein Kernthema wie die Sicherung und Fortentwicklung der sozialen Marktwirtschaft könne man „gut nach vorn tragen“. „Dabei kommt es entscheidend darauf an, komplexe Inhalte auf ihren Kern zu reduzieren.“ Es sei wie mit einem Apfelkuchen, sagt der Geschäftsführer der Agentur mit 170 Mitarbeitern. „Da sind die Zutaten auch im Wesentlichen gleich. Und trotzdem kommt es darauf an, ihn in Form und Geschmack auf die heutigen Erwartungen auszurichten.“ Hier die richtige Dosierung von Zucker, Mehl und Äpfeln zu finden, ist Aufgabe der Werbeprofis. „Es besteht eine reelle Chance für ein frisches schwarz-gelbes Bündnis. Auch das wird im Wahlkampf mitschwingen“, ergänzt Stephan Garbe, der sich 2000 mit seiner Agentur Shipyard selbstständig machte. Sein Neun-Personen-Team ist speziell für die tagesaktuelle, schnelle Kommunikation zuständig. Seine Leute richten sich darauf ein, auf Kampagnen der anderen Parteien zu reagieren – wenn nötig, innerhalb von Stunden. Gleichzeitig sollen sie in die Union hinein mobilisieren. „So wichtig es ist, Wähler zu gewinnen, so wichtig ist es, die Parteimitglieder zu motivieren“, sagt der gelernte Werbetexter. Die Ausbildung der Mannschaft in den Agenturen ist vielschichtig: Germanisten, Philosophen, Designer, Grafiker, Kaufleute. Die meisten sind jung, in den Zwanzigern, frühen Dreißigern. Man kann es durchaus als Kunst begreifen, wenn diese dynamischen Großstädter die Befindlichkeit der Wähler „ihrer“ Partei treffen, die vor allem bei den Volksparteien CDU und SPD zu einem Großteil in eher kleinbürgerlichen Verhältnissen lebt. Ein Patentrezept gebe es nicht, sagt Oliver Lehnen von der in Berlin und in Düsseldorf verankerten Agentur Butter (Jogurt-Kampagne „Der große Bauer“), die sich wie schon 2005 um die Kampagne der SPD kümmert und mit einem Teil ihres Teams in die „Nordkurve“ des Willy-Brandt-Hauses gezogen ist, wo der SPD-Wahlkampf geplant wird. „Man muss den Menschen genau zuhören, auf der Straße und in der Marktforschung. Und man muss zu der Frage durchdringen: Was bewegt sie wirklich, was ist wahlentscheidend, was nur eine Randnotiz?“ Und dann sei da immer noch das eigene Bauchgefühl: „Was einen selbst nicht berührt, muss man nicht weiterverfolgen, selbst wenn es rational ein wichtiges Thema ist.“ Die Werbeprofis der Agentur „Zum goldenen Hirschen“ (Supermarkt-Werbung „Real – einmal hin, alles drin“), die wie bei den beiden vergangenen Bundestagswahlen die Grünen-Kampagne organisieren, sind auch verantwortlich für das „Y“ im hessischen SPD-Wahlkampf 2008. Für eine Partei aus dem anderen politischen Lager zu arbeiten, kann sich Hans Langguth nur schwer vorstellen. Schließlich ist der Journalist als ehemaliger Sprecher des Grünen-Bundesvorstandes und der rot-grünen Bundesregierung mit der Öko-Partei intensiv verbunden. Langguth und sein Team wollen für die Grünen eine „freche, überraschende und aufmerksamkeitsstarke Kampagne“ kreieren und damit Akzente setzen. Dafür sieht er gute Voraussetzungen, denn „Union und SPD sind wegen der Großen Koalition in ihrer Angriffslust sicher etwas gehemmt“. Seinen „Kunden“ will Langguth deutliche Gewinne und damit ein klar zweistelliges Ergebnis bescheren: „Es gibt eine eindeutige Kompetenzzuweisung für die Grünen in der Umweltpolitik und die weitgreifende Erkenntnis, dass in dieser ökologischen Kompetenz auch gewaltiges ökonomisches und Arbeitsplätze-Potenzial steckt. Damit ist eine wesentliche Zielgruppe für die Grünen klar zu definieren und ansprechbar.“ Rund 3,5 Millionen Euro haben die Grünen in ihrem Etat für den Bundestagswahlkampf. Die FDP hat 4,8 Millionen einkalkuliert. Union und SPD halten sich mit aktuellen Angaben zurück. 2005 gaben sie 18 beziehungsweise 23,5 Millionen Euro aus. Die Linke veranschlagt für ihren Wahlkampf, in dem sie den Schwerpunkt auf das Thema „soziale Gerechtigkeit“ legen will, fünf Millionen Euro. Wie genau die ausgegeben werden sollen, weiß die Partei noch nicht. Fest steht nur, dass wie bei vorherigen Wahlkämpfen wieder die Berliner Werbestrategen von DIG und Trialon aktiv werden. In den Agenturen geht man davon aus, dass das Fernsehen im Wahlkampf eine eher schwindende Bedeutung hat. Das Internet gewinnt im Kampf um das Kanzleramt an Bedeutung – auch wenn wir von amerikanischen Verhältnissen noch weit entfernt sind. Dabei geht es nicht allein um die Ansprache junger Leute. „Auch die über 60-jährigen Wähler sind keine homogene Masse“, meint Shipyard-Chef Garbe. „Man kann auch Ältere über das Internet erreichen.“ Es eröffnet „sowohl neue visuelle Inszenierungen als auch Dialogkommunikation mit den Wählern, die vor fünf Jahren kaum vorstellbar gewesen wären“, sagt Butter-Geschäftsführer Lehnen, betont aber, dass das Internet nach wie vor nur ein Medium von vielen sei. Auch Hans Langguth relativiert die Wirkung von Twitter, Blogs & Co: „Das Internet ist in diesem Wahlkampf ein zentrales Instrument, aber ginge es allein um eine perfekte Internetpräsenz, müsste Thorsten Schäfer-Gümbel jetzt Ministerpräsident in Hessen sein.“ Bei der FDP dagegen schätzt man den Effekt des Internet enorm positiv ein. Die Liberalen wollen nicht die klassischen Milieus in den Blick nehmen, sondern die unterschiedlichen Lebensgefühle der Menschen. Man wolle Unterstützer vernetzen und die Kampagne sich verselbstständigen lassen, erklärt Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Beerfeltz. Ohnehin macht die FDP einiges anders als ihre Konkurrenz. Sie hat keine „Lead-Agentur“ mit ihrer Kampagne beauftragt, sondern organisiert ihren Wahlkampf unter der Leitung von Beerfeltz in Eigenregie. „Es gibt rund 20 Agenturen, die uns aus eigenem Engagement zuliefern“, sagt dieser und nennt sein Rezept „consumer generated campaigning“: Erstmals sind im Etat mehr Mittel für Dialogmaßnahmen als für klassische Werbung vorgesehen. Kulis und Luftballons verteilen die Liberalen ohnehin schon seit Jahren nicht mehr. Und Plakate schicken sie potenziellen Interessenten als MMS jetzt lieber direkt aufs Handy anstatt sie hundertfach ins Straßenbild zu stellen. Und wie sieht nun der Wahlkampf der Alpha-Tiere aus? Auch wenn es noch niemand bestätigen möchte, werden die Kampagnen von Union und SPD auf Kanzlerin und Herausforderer zugeschnitten sein. Die Bilder kann man sich bereits vorstellen: eine von den Größen der Welt wie vom einfachen Volk umgebene Angela Merkel, ein nach Schröder’schem Vorbild entschieden einherschreitender Frank-Walter Steinmeier. Doch auch die Produktion dafür ist noch nicht angelaufen. Die heiße Wahlkampfphase beginnt eben erst im August. Foto: Picture Alliance

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