- Scheitert die Energiewende?
Vor einem Jahr, nach dem Supergau in Fukushima, beschloss Deutschland aus der Atomenergie auszusteigen und zukünftig auf erneuerbare Energien zu setzen. In zehn Jahren soll das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet werden. Doch die Herausforderungen sind gewaltig und die Politik scheint überfordert
Vor einem Jahr hat die Bundesregierung die Energiewende ausgerufen, die Opposition sekundierte und eine ganzen Nation jubelte dem Jahrhundertprojekt zu. Der ökologische Umbau einer der führenden Industriestaaten. Es ist historisch einmalig und ohne Blaupause. Das Ausland verfolgt die deutschen Pläne mit Skepsis. Doch die anfängliche Euphorie ist verflogen. Die Energiewende ist im politischen Alltag angekommen und droht dort im Klein-klein zu versacken. Die Gründe sind vielfältig. Thomas Bareiß, der Koordinator für Energiepolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wird nicht müde zu betonten, die Bundesrepublik müsse mit ihrem nationalen Alleingang „keinen Sprint, sondern einen Marathonlauf“ hinlegen. Es ist ein langer Lauf. Viele Jahre wird er dauern und er wird auf viele Widerstände stoßen. Und wenn die Politik nicht aufpasst, dann wird ihr Jahrhundertprojekt zerrieben.
Da sind die großen Energieunternehmen – EON und RWE vorneweg – die ihre offene Ablehnung in Unterstützung oder zumindest in einen Waffenstillstand umwandeln müssen. Da sind die ökologischen Ideologen , die mehr Realitätssinn brauchen. Da sind die Bürger, die den Sinn von Energieeinsparung einsehen und befolgen sowie höhere Energiekosten akzeptieren müssen. Da ist aber vor allem die Politik, die all das zusammenbringen, die handeln und koordinieren muss und sich nicht in kleinteiligem Gezänk um Kompetenzen verzetteln darf.
[gallery:Von Photovoltaik bis Geothermie – Erneuerbare Energiequellen im Überblick]
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) jedoch gaben seit Wochen ein eindrucksvolles Beispiel an parteipolitischem Kompetenzgerangel ab, gepaart mit einer ordentlichen Portion populistischer Stimmungsmache – vor allem von Seiten der FDP. Mit einer Partei, der das Wasser so nah an der Unterlippe steht, muss man vielleicht einiges an Nachsehen haben. Wenn aber die Energiewende geschafft werden soll, dann darf es nicht um Stimmenfang gehen. Sogar ein Brandbrief der beiden Fraktionschefs, in dem sie ihre Minister endlich zum Handeln aufforderten, verhallte zunächst ungehört.
Nun endlich hat man sich geeinigt und präsentierte einen Kompromiss, der nur schwerlich als Erfolg zu verkaufen ist. Die Förderung der Sonnenenergie wird früher als geplant gekürzt, die Fördersätze sinken schneller. Von einer Deckelung allerdings, wie sie der Wirtschaftsminister forderte, ist keine Rede mehr.
Opposition und Industrie sind entsetzt. Die Solarwirtschaft würde abgewürgt, einen „kalten Ausstieg aus der Solarstromförderung“, nennen die Grünen die Einigung. Röslers offenes Bashing der Subventionen der Photovoltaik findet zwar seine Anhänger unter den zahlenden Stromverbrauchern, im Hinblick auf die Herausforderungen des Atomausstiegs aber ist es kaum von Nutzen. Ohne höhere Energie-Umlage, staatliche Subvention also, wird sich kein einziges Windrad rechnen. Es gibt „keine erneuerbare Energie am Markt, die sich dem Wettbewerb stellen kann“, sagt auch der CDU-Politiker Bareiß.
Welche Weichen gestellt werden müssten, damit die Energiewende rollt
Windenergie, Biogasanlagen, Photovoltaik und Wasserkraft – sie alle kommen nicht ohne finanzielle Unterstützung aus. Gleichzeitig sind sie nun einmal die „Energiequellen der Zukunft“, wie Oliver Krischer, Sprecher für Energie und Ressourceneffizienz der Grünen, sagt. Ihr Anteil soll von den heutigen 20 auf mindestens 35 Prozent im Jahr 2020 steigen. 2050 sollen es dann 80 Prozent sein, so lauten die offiziellen Visionen der Bundesregierung.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Energieffizienz. Deutschlands Gebäudebestand sei zu 80 Prozent sanierungsbedürftig, so Krischer. Hier müsse gehandelt werden, anders seien die hoch gesteckten Ziele nicht zu erreichen. Schwarz-Gelb allerdings will nach den neuesten Verlautbarungen auch keine Einsparverpflichtung der Energieversorger einführen.
Beim hart umkämpften Netzaus-, bzw. Umbau, der die wenigen zentralen Kraftwerke mit den Verbrauchern verbinden muss, geht es nicht nur um Tausende Kilometer dicker Hochspannungsleitungen, die sich beispielsweise von den Offshore-Windparks aus dem Wattenmeer der Nordsee bis in die bayerische Tiefebene hervorschlängeln müssen und auf ihrem Weg etliche Bürgerinitiativen zu passieren haben. Es sind vor allem die vielen kleinen Kabel, die in die Industrieanlagen und Häuser der Menschen führen müssen, die jetzt Probleme bereiten. Politische Anreize zum Bau dieser Netze sind dürftig.
Um die Spitzen im Energiebedarf auch künftig erfolgreich abfangen zu können, werden neue Kraftwerke benötigt. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer etwa hatte den Bau von sechs Gaskraftwerken angekündigt. Bis heute gibt es aber keinerlei Anzeichen für den Bau auch nur eines dieser Kraftwerke. Die Investorensuche gestaltet sich offenbar aufwendiger als gedacht. Die Bundesregierung kündigt seit langem ein Kraftwerkförderungsprogramm an, scheitert aber an den Maßstäben der EU, die die bisher gewohnten 15 Prozent Förderung als unzulässige Subventionen ansehen. Hier müssten schneller Alternativlösungen gefunden werden, die Rösler bisher schuldig bleibt, moniert Krischer.
Und so wittern die großen Energieunternehmen Morgenluft. RWE und EON beispielsweise könnten vor der geplanten Abschaltung des nächsten Kernkraftwerkes mit guten Argumenten den Verdacht säen, dass die Energiewende langsamer vor sich gehe als gedacht. Dass man wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und ein paar AKW länger laufen lassen müsste als geplant. Die nächste Anlage soll 2015 abgeschaltet werden. Es liegt in den Händen der Politik, ob die Energiewende scheitert.
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