- Knobloch will Veröffentlichung verhindern
Die Veröffentlichung von Hitlers „Mein Kampf“ ist in Deutschland verboten – bisher. Ab 2016 könnte es jeder nachdrucken. Wie soll der Staat mit dieser Hetzschrift umgehen?
In der Novemberausgabe beschäftigt sich der Cicero mit dem Streit um Hitlers "Mein Kampf". Das Heft ist am Kiosk und auch im Online Shop ab sofort erhältlich.
Um die Veröffentlichung von Hitlers „Mein Kampf“ gibt es eine neue Auseinandersetzung. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Charlotte Knobloch wendet sich in der Novemberausgabe von Cicero gegen eine Veröffentlichung des Buches im Jahr 2016. Ende 2015 laufen die Urheberrechte an „Mein Kampf“ aus, die der Freistaat Bayern hält.
Damit stellt sich Knobloch gegen einen Kompromiss, dem sie Anfang des Jahres im Rahmen eines Runden Tisches in Bayern zugestimmt hatte. Alles, was sie bisher zu dem Thema gesagt habe, sei „obsolet“, sagte Knobloch, die auch Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses ist. „Es muss rechtlich geprüft werden, ob es möglich ist, die Veröffentlichung über den Straftatbestand der Volksverhetzung zu verhindern. Ich werde da sicher nicht lockerlassen.“
Bisher hatte die Staatsregierung auch mit gerichtlichen Mitteln verhindert, dass das Buch nachgedruckt wird. Doch sieben Jahrzehnte nach dem Tod Hitlers laufen die Urheberrechte aus. Bisher hatte Knobloch den Plan mitgetragen, eine kommentierte Edition zu herauszubringen.
Hintergrund für ihre veränderte Position ist nach den Worten Knoblochs eine Israelreise von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im September, an der sie teilnahm. Hochrangige Gesprächspartner hätten sich entsetzt über die Aussicht gezeigt, dass „Mein Kampf“ in wenigen Jahren in deutschen Buchläden erhältlich sei. Knobloch sagte, sie werde an diesem Donnerstag Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) auf die Frage ansprechen.
Hitler hat den ersten Teil seiner Hetzschrift erstmals 1925, den zweiten Teil 1926 veröffentlicht. Zwischen 1933 und 1945 wurde es in einer Millionenauflage gedruckt. Heute kann man das Buch in Deutschland nur noch antiquarisch oder über das Internet erhalten.
Seite 2: Markus Söder ist für die Veröffentlichung
Der bayerische Finanzminister Markus Söder verteidigte den Plan, eine kommentierte Ausgabe zu veröffentlichen. Besonders unter jungen Menschen gebe es eine Anfälligkeit für Extreme. „Wir müssen uns über das Buch auseinandersetzen“, sagte er Cicero. „Es muss entmystifiziert werden.“
Der CSU-Politiker warf der Bundesregierung vor, sich vor der Diskussion um das Hitler-Buch zu drücken. „Beim Thema ‚Mein Kampf‘ soll sich auch der Bund äußern und einbringen. Aber bislang ist da nichts passiert.“ Es sei „ein historischer Zufall, dass das Urheberrecht dazu in Bayern liegt. Aber das kann kein Grund für Berlin sein, sich bei diesem Thema zu enthalten.“
Der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte Andreas Wirsching kritisierte, der Freistaat hätte eine kritisch kommentierte Edition schon sehr viel früher erlauben sollen. In den Neunzigerjahren habe sein Institut vergeblich versucht, eine entsprechende Erlaubnis zu bekommen. „Hätte man ‚Mein Kampf’ damals schon herausgegeben, wäre die Luft aus dem Thema sehr schnell raus gewesen“, sagte der Historiker im Interview mit Cicero. „Das ist jetzt nicht mehr so leicht. Denn nun steht das Auslaufen des Urheberrechts im Raume: Der 1. Januar 2016 wirkt gewissermaßen wie ein Damoklesschwert.“
Den schwierigen Umgang mit „Mein Kampf“ thematisiert Cicero unter dem Titel „Hitlers letzte Bombe – warum ‚Mein Kampf’ freigegeben werden muss.“ Die Frage, ob und wenn ja in welcher Form das Buch veröffentlicht werden soll, ist Titelthema der Novemberausgabe von Cicero. Unter anderem schreibt der Historiker Philipp Blom in seinem Essay: „Höchste Zeit, dieses Machwerk bei Tageslicht zu sezieren, um ihm endlich seine scheinbar dämonische Macht zu nehmen.“
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