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Auch ohne Quote: - Die Macht wird weiblich

Das Projekt Frauenquote ist vorerst gescheitert. Die Publizistin Gertrud Höhler aber ist überzeugt: Eva ist dabei, das System Adam zu knacken. Die Frau sollte den Mann noch besser verstehen lernen

Autoreninfo

Gertrud Höhler ist Publizistin, Glücksforscherin und Beraterin für Wirtschaft und Politik. Sie studierte Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte.

So erreichen Sie Gertrud Höhler:

Frauen wollen sexy sein. Aber wehe, es spricht sie einer darauf an, ein Mann. Auch Männer wollen sexy sein; klar darf die Frau sie darauf ansprechen!

Frauen dürfen schon lange mehr als Männer. Sie haben einen guten Lauf, würde man im Business-Jargon sagen. Die Frauen-Boni gelten weiter. Auch die Sonderkonditionen für operative Wirtschaftsposten und Aufsichtsräte. Die Macht wird weiblich. In Zeiten der politischen Quotendrohung verteilen Topmanager Gratistickets für Mogeljobs an Töchter und Gattinnen, die nun als „Managerinnen“ gezeigt werden, obwohl sie die Bilanz ihrer Firma nicht lesen können. Hauptsache, das männliche Management kann weiter ungestört arbeiten.

Frauen bringen Glamour in die Chefetagen. Wer Frauen zeigt, hat einen charmegesättigten Auftritt in den Medien. Assoziationen werden geweckt, die Sympathie im Markt bringen: das Mädchen mit den Sterntalern, die ins geschürzte Hemdchen rieseln; die Stroh-zu-Gold-Spinnerin bei Rumpelstilzchen. Diese Geschichten zeigen: Wunder sind weiblich, Männer müssen sich anstrengen.

Frauen stellen Männer auf die Probe, ob sie die Lektion gelernt haben: Sag niemals, was du siehst. Zensiere spontan, was du denkst. Nur vor Gericht wirken ein oder zwei Promille strafmildernd; bei Frauen gibt es kein Pardon. Die Anstandsberater schreiben schon an der neuesten Lektion: „Die gläserne Frau. Schusssicher wie die gläserne Decke.“

Immer mehr Topjobs für Frauen. Lammfromme Männer machen überall dort Platz, wo Abbrucharbeiten zu erledigen sind – wie bei Gruner und Jahr, wo mit der Financial Times Deutschland eine ganze Zeitung zu zerlegen war.

Und nun der Schwächeanfall der weiblichen Alpha-Community, ein Rückfall auf längst erledigte Positionen.

Was Eva und ihre Schwestern da inszenieren, ist Frauenpower, virtuos verfremdet: Nicht der Alphatrip, sondern die angestaubte Opferpower feiert hier Triumphe. Nicht der Schuss in die gläserne Decke, nein, die Betroffenenkompetenz greift nach den Megafonen der empörungsgeilen Gesellschaft. Die coole Frau Himmelreich vom Stern hat den Schmelzpunkt ihrer auf Eis gelegten Brüderle-Story strategisch kalkuliert. Multitask, wie Frauen sind, hat sie auf Multifunktion gesetzt: Den Charmeur zum Salonlöwen zu dämonisieren, war nur der Eye-Catcher: den Spitzenkandidaten der Liberalen in den Abwärtssog zu schicken, das politische Ziel.

„Es geht immer um Macht“, sagen die Frauen. Also nicht um Sex. Sie meinen die Macht von Männern. Die Kommunikationsmacht, die Frauen an sich reißen, um die Kampagne gegen Männermacht zu steuern, wird nicht zum Thema. Aber hieß das Kampagnen-Motto nicht „Sexismus“? Sexismus ist, was Männermacht mit Frauen macht, könnte der Slogan heißen. Was macht er denn aus Frauen, der Mann mit Macht? „Objekte, Objekte von Macht.“ Das würde heißen, Männer mit Macht können mit Frauen umgehen, wie Frauen es nicht wollen. Gilt also nicht, was Frauen wollen?

Versteht Mann nicht, was Frauen wollen? Es gibt sogar Männer, die glauben, ein silikongewölbter Busen sei als Augenschmaus für sie gemacht. Offen bleibt auch die Frage, ob Frauen die gemischte Aufmerksamkeit von Kollegen und Chefs billigend in Kauf nehmen, wenn sie verhüllte mit enthüllter Weiblichkeit mischen. In jedem Fall sind es Männer, die in diesen Szenarien gefährlich leben, nicht die Frauen.

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Warum schreiben Frauen ihre Machtgeschichte als Ohnmachtslegende? Vielerorts steht die Welt in Flammen, und den Frauen in Deutschland fällt nichts Besseres ein, als ihre Privilegien in eine Tragödie umzuschreiben. Sexismus, weiblich, sieht so aus: Männer diskriminieren, weil sie ein Umerziehungskonzept der Frauen nicht verstehen.

Die Frauen wissen, wie mächtig sie sind. Ihr Spielfeld: immer mehr Freizügigkeit bei immer schärferer Sittenzensur gegen Männer. Wer den hohen Testosteronspiegel der Aufsteiger, den die Wissenschaft nachweist, auch nur als Joke zitieren möchte, riskiert die nächste Kampagne. Wer fragen möchte, warum Frauen nicht zu ihrer Macht stehen, beginnt zu begreifen: Sie wollen alles. Opfermythen ausbeuten, informelle Macht erweitern und das Männerghetto zum Hochsicherheitstrakt ausbauen.

Warum erzählt die erfolgshungrige Frau unserer Tage nie ihre wahre Geschichte? Wie sie den Garten Eden gesprengt hat, während Adam, der angepasste Chefangestellte, gehorsam die Chefansagen erfüllte – in der Hoffnung, hier selbst einmal Chef zu werden.

Evas Vorsprung: Sie stellte den Befehl des Chefs infrage. Vielleicht, so lautet ihre These, gelten seine Verbote nur seinem eignen Vorteil. Ihr Geheimnis: Sie hat eine Beraterin, weiblich, die Schlange – während Adam durch systemkonforme Leistung auf sich aufmerksam machen möchte, wie die meisten Männer heute.

Eva ist die Regelbrecherin. Auch das ist noch heute ihre Stärke. Männliche Systemsklaven werden immer häufiger konfrontiert mit „Spielverderbern“ weiblichen Geschlechts. Anarcho-Eva, wie die abendländische Tradition sie schildert, ist eine Ausbrecherin. Sie nimmt die Zähmungsversuche des Machthabers nicht hin. Der unentschlossene Mann muss ihr folgen.

Und ihre Geschichte geht als Machtstory weiter: Die neue Eva, Maria, traut sich den männlichen Erlöser zu. Josef, wie Adam, darf mitlaufen. Nach dem Erzeuger fragen darf er nicht. Auch diesen Anspruch haben die Frauen beibehalten: Noch heute wollen sie die Welt retten. Fragt sich nur, warum sie so viel Wert auf das Loser-Image legen.

Wer diese Geschichten, die in alle Religionen der Welt eingesickert sind, verstanden hat, der staunt nicht mehr über die Entschlossenheit der Männer, die Weltbewegerin an die Kette zu legen, ehe sie die Männer-Handicaps aufdeckt.

Seine Dominanz kann der Mann zunächst sichern, weil seine Neugier offensiv und sein Risiko-Appetit unstillbar ist. Sein Antriebsniveau ist hoch, und der Comment unserer Gesellschaft duldet es nur ungern, dass Hormonforscher auf die Trivialität hinweisen, dass Androgene sich von Östrogenen unterscheiden. Rivalität mit seinesgleichen, „Unbestimmtheitssuche“, wie die Evolutionsforscher es nennen, irgendwohin vorzudringen, wo noch niemand war, das sind Träume, die den Mann fesseln. Rivalität mit Frauen kann er nicht.

Dass er immer wieder heimkehren möchte wie Odysseus, finden moderne Frauen eine Zumutung; schließlich haben auch sie kein Zuhause mehr. Und beide verkennen, dass sie dasselbe suchen: Geborgenheit. Einen Ort, wo wir geliebt werden, weil wir sind, wie wir sind.

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Warum erzählen die Frauen ihm nicht ihre großartige Geschichte? Es ist die Geschichte vom anarchistischen Potenzial der Frau, das immer wieder die „herrschenden Verhältnisse“ aufsprengt und als Verhältnisse der Herrschenden zeigt.

Die Anarchistin aus dem Garten Eden übertrifft den Mann durch Komplexitätstoleranz und Chaosmanagement. Solange sie das nicht weiß, wird der Mann es niemandem verraten.

Wer die Hormonforscher zur testosterongesättigten Wehrlosigkeit der Männer nicht hören will, der sollte wenigstens den Hirnforschern zuhören. Das Siegerpaar der Evolution, homo und femina sapiens, lässt die behauptete Überlegenheit des Mannes in neuem Licht erscheinen. Sie hat mehr Optionen, berichten die Forscher. Sie ist der „ursprüngliche Entwurf“, ein Multitask-Modell. Ihm bringen vorgeburtliche Hormonduschen mit der Männlichkeit den Verlust der Bandbreite, mit der die weibliche Variante an den Start geht.

Die Frau ist mit breit gestreuter Wahrnehmung unterwegs, emotional sensibel und prosozial bewertend. Ihr männliches Pendant kommt mit weniger Optionen in die Welt, spezialisiert und handlungsstark, zur Bändigung der eigenen Emotionen entschlossen: Niemals Opfer werden! Gefühle sind der Feind.

Der Mann tritt seinen Siegeszug als kreativer Zerstörer an, ohne zu wissen: Es ist ein Handicap, das ihn tatendurstig macht. Ihm fehlt der Multiview der Weiblichkeit. Er hat weniger Optionen, also kann er schneller entscheiden. Er sieht die Alternativen nicht, die sie ihm zeigen will. Er will nur eines: als Sieger vom Platz gehen.

Der Mann ist der erfolgsorientierte Vereinfacher, hirnpsychologisch ist er eine Sparausgabe nach dem Motto: Weniger sehen, schneller entscheiden. Immerhin ein Welterfolg per Handicap. Der Mann ist als Nutzer ältester Gehirnregionen unterwegs.

Sein Neocortex, Sitz der Ratio und jüngste Errungenschaft der Evolution, schließt sich immer wieder kurz mit den ältesten Kammern des Steinzeitspeichers für Überlebensprogramme. Hier lagern die Impulse für Kampf und Flucht, für Freude und Zorn, für Siegerglück und Verliererschmach, die Kernemotionen. Hier im Stammhirn werden die Entscheidungen gefällt: kämpfe oder flieh; hier wird die Handlungshemmung abgeschaltet. Amokläufe sind männlich. Da packt der Held seine Aktentasche mit Waffen, wie im Film „Falling down“, um die Wut eines halben Lebens wegzuschießen.

Frauen sollten wissen: Der Mann sieht weniger und wagt deshalb mehr. Er lebt mit diesem Handicap gefährlicher als wir. Er sucht Gefahren, die wir meiden.

Die Frau nutzt ihr Reptilhirn, wie die Steinzeitkammer auch heißt, nur in Ausnahmefällen: wenn ihre Geliebten, Männer wie Kinder, im Feuer stehen. Sie schließt nicht kurz wie er, von der jüngsten in die uralte Hirnregion – sie macht immer einen Stopp in der Mitte, im limbischen System, wo die Gefühle lagern, auch die Mitgefühle, die wir Empathie nennen: mit den Augen des anderen sehen. Daher rührt auch die Betroffenenkompetenz der Frauen.

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Wenn Frauen verstehen, dass der Charmeur an der Bar, der Angeber im Chefgespräch dauernd damit beschäftigt ist, sein Handicap zu verbergen, dann würden viele weibliche Reaktionen auf männliche Grenzüberschreitungen humorvoller, überlegener und so souverän ausfallen, wie es unserer eigenen Position entspricht.

Wie kann es sein, dass die Frau nie begriffen hat: Er macht aus seinem Handicap den großen Erfolg. Weil er weniger Optionen hat, stürmt er unabgelenkt zur Macht. Sie wirft sein Tunnelkonzept um, weil sie das Licht am Ende nicht sieht. Er auch nicht, aber das ist ihm nicht wichtig. Ideen zählen. Hauptstadtflughafen BER, Stuttgart 21.

Sicher ist, dass Männer nicht unbedingt mehr über Frauen wissen wollen. Sicher ist auch, dass es kein Wettbewerbsvorteil für Frauen wäre, wenn Männer mehr von Frauen verstünden – zum Beispiel, warum Frauen an Türen rütteln, durch die sie dann doch nicht gehen wollen.

Bleibt das Konstrukt der gläsernen Decke. Da oben sieht man die Männerfüße stehen und gehen; aber keine von den Frauen, die zur gläsernen Decke aufschauen, jahrelang, zieht den Colt. Was ist aus Anarcho-Eva geworden? Durchs Treppenhaus nach oben, wie die Männer, will sie nicht. Keine redet vom Schuss in die gläserne Decke. Alle sind zufrieden, dass sie hält.

Männer und Frauen sind die erfolgreichsten Lebewesen der Evolution. Die Weigerung beider, sich in den jeweils anderen zu versetzen, um wenigstens einen Teil der Welt mit anderen Augen zu sehen, schadet beiden.

Immer wieder packt Frauen die Lust, den Mann als Tölpel darzustellen – während er im Netz von Sprech- und Blickverboten zappelt, die sie, die Frauen, erwirkt haben. Wir sollten immer wieder der Versuchung widerstehen, ihn zu dämonisieren. Und wir werden es noch einmal versuchen, ihm zu erklären, dass wir es waren, die ihm beides gezeigt haben:
Das Abenteuer jenseits von Eden und die tollkühne Hoffnung, dorthin zurückzukehren – vertrauensvoll und frei. 

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