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Weil es erst keine klaren Regeln gab, musste jetzt hart durchgegriffen werden / dpa

Chaos in Wintersportgebieten - „Würden Sie das fair finden, wenn Ihr Kind nicht gerettet werden kann?“

Der Winter hat so richtig begonnen. Viele – zu viele – Touristen zog der Schnee in die Wintersportgebiete. Unter den betroffenen Städten ist auch Winterberg im Sauerland. Der Bürgermeister Michael Beckmann erklärt im Interview, warum das Chaos abzusehen war.

Autoreninfo

Jakob Arnold hospitierte bei Cicero. Er ist freier Journalist und studiert an der Universität Erfurt Internationale Beziehungen und Wirtschaftswissenschaften. 

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Michael Beckmann war bis zum 31.12.2020 Tourismus-Direktor von Winterberg. Seit dem 01. Januar 2021 ist er Bürgermeister der Stadt.

Herr Beckmann, Sie sind selbst Familienvater. Waren Sie jetzt wo der Schnee da ist, mit der Familie unterwegs? Haben Sie den Schlitten ausgepackt?

Nein. Das habe ich nicht. Die Situation war die, dass wir einen Krisenstab eingerichtet haben und ich in diesem sitzen musste, anstatt rodeln zu können. Wobei meine Kinder auch schon deutlich jenseits der 25 sind. Die hätten also schon mit ihren eigenen Kindern rodeln können.

Sie sprechen vom eingerichteten Krisenstab. Bitte schildern Sie die aktuelle Situation vor Ort. Man konnte von kilometerlangen Staus lesen. Gibt es die noch?

Nein. Heute hat es sich hier tatsächlich beruhigt. Und wenn ich in die anderen deutschen Schneegebiete schaue, ist die Situation dort eine ähnliche. Nach dem Wochenende ist wirklich eine Beruhigung eingetreten. Das ist gut. Auch für die Menschen in der Stadt hier. 

Finden Sie, dass medial fair mit den Wintertouristen umgegangen wurde? Ist man schon unvernünftig, wenn man nach wochenlangem Aufeinanderhocken in einer kleinen Wohnung mal mit den Kindern rodeln fährt?

Wenn das nur diese Gruppen gewesen wären, wäre es sicherlich nicht so voll geworden. Aber es waren deutlich mehr als nur Familien mit Kindern, die in urbanen Verdichtungsräumen wohnen. Nachweislich hatten wir mehr Zulauf auch und insbesondere im Straßenverkehr als an normalen Wintersport-Wochenenden mit geöffneter Infrastruktur. Und das gilt nicht nur für Winterberg, sondern auch für viele andere Orte in Deutschland. 

Es wurde unter vielerlei Gesichtspunkten einfach zu viel. Nur zwei Beispiele: Würden Sie das fair finden, wenn Sie in Winterberg wohnen und Ihre Zufahrt und Einfahrt zugestellt wird beziehungsweise Sie keine Chance haben, von A nach B zu kommen? Würden Sie es fair finden, wenn Rettungsdienste bei einem gesundheitlichen Notfall nicht mehr die Leute erreichen können. Fänden Sie das fair?

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Michael Beckmann / privat

Aus dieser Perspektive haben Sie sicherlich Recht.

Es geht auch um die Familien, die zu uns kommen. Stellen Sie sich folgende Situation vor, die wir in den letzten Tagen auch wirklich hatten: Sie rodeln mit Ihrem Kind, und Ihr Kind stürzt, bricht sich ein Bein und muss gerettet werden. Was würden Sie dann als verantwortungsvoller Familienvater sagen, wenn der Rettungsdienst nicht durchkommt und Sie über eine Stunde warten müssen. Ich glaube, da gibt es nicht viel „Aber“.

Uns ging es um die Sicherheit. Und hier war so viel Betrieb, dass der Verkehr zusammengebrochen ist. Deswegen haben wir auch die Bundesstraße gesperrt, was ein erheblicher Eingriff ist. Es waren nicht nur ein paar Familien, sondern es waren viel mehr Menschen, als sonst zu uns kommen an einem Wintersportwochenende. 

Wenn Sie mir doch noch ein „Aber“ erlauben. 

Ungern. (Lacht)

Es war nicht explizit verboten, nach Winterberg zu kommen. Was nicht verboten ist, ist erlaubt. 

Das sehe ich auch so. 

Weil es nicht verboten war, haben sich viele auf den Weg nach Winterberg gemacht.

Es ist nicht verboten. Da bin ich bei Ihnen. Ich habe vor Wochen schon darauf hingewiesen, dass die Situation eintreten kann und habe deshalb um diese Verbote geworben. Damit, wenn es Schnee gibt, das nicht eintritt. Schließlich haben auch die Bewohner meiner Stadt das Recht, geschützt zu werden. Aber da haben Sie recht. Das „Aber“ ist an der Stelle auch berechtigt.

Ein klares Verbot hätte geholfen, die entstandene Situation zu verhindern?

Ja. Im Sommer gab es auch Verbote in Mecklenburg-Vorpommern, an die Küstenorte zu fahren. Das hätte geholfen, aber man hätte es am Ende auch umsetzen müssen. Das ist auch schwierig.

Und warum gab es die Verbote nicht?

Da müssen Sie in Düsseldorf bei der Landesregierung anrufen und nicht beim Bürgermeister der Stadt Winterberg. Ich bin nicht Verordnungsgeber der Corona-Schutzverordnung.

Das Land Nordrhein-Westfalen hätte härtere Regeln erlassen müssen?

Aus der rückwärtigen Betrachtung Ja, aber man ist im Nachhinein immer schlauer. Ich habe es zumindest schon vor Wochen gesagt, dass es voll wird, wenn Schnee fallen sollte. Wir haben jetzt festgestellt, dass Appelle an der Stelle nur bedingt helfen. Deswegen müssen am Ende solche durchaus drastischen Maßnahmen ergriffen werden.

Denken Sie, dass wir in den kommenden Tagen noch von Winterberg oder anderen Wintersportorten in der Tagesschau hören werden?

Ich hoffe, dass der Schnee bis in die tiefen Lagen fällt, damit sich der Druck auf die Schneelagen deutlich verringert. Wenn sich das Gesamtangebot an Schnee verbreitert und nicht alle zu einem Punkt fahren, wäre das hilfreich. Dann würde es sich entspannen und wir sehen diese Nachrichten nicht mehr. Da müssen wir auf das Wetter hoffen. 

Die Fragen stellte Jakob Arnold.

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Hans Jürgen Wienroth | Di., 5. Januar 2021 - 14:45

Wir sind ein einiges, solidarisches Europa, ein weltoffener Kontinent ohne Grenzen. Das gilt jedoch nur für „Schönwetterlagen“. Bei Problemen reduzieren wir alles auf das „Herzogtum“ (oder wie auch immer sich die Scholle nennt). Da werden die Grenzen von Bundesländern (bald auch Städten?) geschlossen. Politik denkt in klein-klein statt in EU, von Solidarität keine Spur.
Der Bürgermeister von Winterberg denkt an seine Bürger, er will wiedergewählt werden! Wenn die Touristen kein Geld dalassen (dürfen), dann wollen wir sie nicht? Was ist, wenn es sich in den nächsten Wintern umkehrt ist, die Touristen diesen Ort meiden? Wird der Bürgermeister noch gewählt, wenn Arbeitslosigkeit und Armut eingezogen sind?
Solidarität ist in Europa nur gut, solange es nicht das eigene Geld kostet. Muss es der Bürger selbst bezahlen, dann ist jede Solidarität zu Ende, selbst im noch so „selbstlosen“ Europa.

Ja wo bleibt eigentlich die Willkommenskultur?
Warum richten die Wintersportorte, die in anderen Jahren gut von diesen Besuchern lebten, nicht eine Infrastruktur ein, die es ermöglicht, ausreichend Parkraum, Toiletten und gepflegte Wanderwege und Pisten vorzufinden, wie sonst auch? Gerade jetzt in der Ausnahmesituation , dass Eltern mit ihren Kindern ein Stück vom Glück erhaschen wollen? Raus aus dem Homeoffice, aus den engen 4 Wänden, rein in Gottes schöne Natur, die allen offen steht! Es sei denn, ein Wald- oder Landbesitzer sperrt sein eigenes Grundstück. Aber eine Stadt?... Gegen eine Tourismusabgabe hätte wahrscheinlich auch niemand etwas, wenn man eine Gegenleistung bekommt. Mir fällt auf, dass ich noch kein Foto aus den genannten Gebieten sah, die eine Überfüllung der Hänge nahelegen. Wenn auf einem gezeigten Foto (z.B. Bild.de) mehr Ordnungskräfte und Polizisten als Ausflügler zu sehen sind, bekommt Schlagzeile von einer "Invasion" eine ganz eigene Bedeutung.

.... unmöglich gewesen sein, was da in Winterberg abgelaufen ist. Ich las von rüpelhaften Polizeibeamten, die Kindern die Schlitten abgenommen haben... und in Thüringen schäumt ein Ramelow vor Wut, daß ausgerechnet FRANKEN in thüringische Wintersportgebiete einfallen. Der Wahn hat also viele Namen und Orte, nicht nur Winterberg.... Aber wer wollte es den Familien auch verdenken? Gerade in der Stadt und mit kleinen Kindern geht der Lockdown schon an die Substanz. Aber wie sagte schon der selige FJS? "Die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber!"

Bernd Muhlack | Di., 5. Januar 2021 - 16:42

"Es war nicht explizit verboten, nach Winterberg zu kommen. Was nicht verboten ist, ist erlaubt."
"Das sehe ich auch so."
Genau dieses hatte ich am Wochenende gepostet, unter Zitierung meines damaligen Profs Paul Kirchhof.

Wir werden um Verbote des eigentlich Erlaubten nicht herum kommen.
Wiederholend: die Verhältnismäßigkeit muss gewährleistet sein.

Wintersportler im Sauerland, der Eifel etc. sind nicht die Ursache von Regierungs-/Verwaltungsversagen!

Ob das ein "sozial" verantwortungsvolles Verhalten ist, steht auf einem anderen Blatt.

Ein Beinbruch beim Wintersport? Eher die Regel, nicht die Ausnahme.
Die Unvernunft regiert bekanntlich auch auf Autobahnen, also wegen der Rettungsgasse.
Und voll mitten i-phones drauf halten!
Boa ey, krass ey!

Warten wir "geduldig" bis Ostern. Dann findet man versteckte Eier und vielleicht auch Impfdosen!?

Das Wort "Impfnationalismus" ist mMn perfekt passend für unsere "Schuldkultur", nicht wahr?

In Israel werden auch Palästinenser geimpft!