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Haiyan - Ist der Klimawandel schuld am Taifun?

Auf den Philippinen hat der Taifun „Haiyan“ riesige Zerstörung angerichtet. Es war der schlimmste Tropensturm seit Jahrzehnten. Unterdessen passiert nur wenig in der Umweltpolitik. Was hat die Katastrophe mit dem Klimawandel zu tun?

Autoreninfo

Dagmar Dehmer ist Politikredakteurin des Tagesspiegels in Berlin und befasst sich schwerpunktmäßig mit Umweltthemen und dem Klimawandel

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Zum zweiten Mal in Folge beginnt ein Weltklimagipfel mit der Nachricht, dass ein verheerender Taifun über die Philippinen gefegt ist. Vor einem Jahr war es „Bopha“, der am 4. Dezember 2012 den Süden der südostasiatischen Inselgruppe traf. Mehr als 1000 Menschen starben, 800 Menschen werden bis heute vermisst, rund 200.000 leben noch immer in Provisorien oder bei Verwandten. In diesem Jahr ist es „Haiyan“, der noch schlimmer gewütet hat. Mindestens 10.000 Menschen sind tot, Zehntausende haben alles verloren. Das Ausmaß der Schäden ist noch nicht absehbar. Zum zweiten Mal in Folge reist der philippinische Chef-Klimaverhandler Naderev Madla Sano mit Nachrichten zum Weltklimagipfel, die klingen wie ein Blick in die Wetterküche des Klimawandels.

Von Montag an werden in Warschau zwei Wochen lang die Verhandler und am Ende auch die zuständigen Minister darüber beraten, wie sie bis 2015 etwas gegen den Klimawandel unternehmen und zu einem neuen Weltklimavertrag kommen wollen.

Warum war „Haiyan“ so zerstörerisch, und was hat der Klimawandel damit zu tun?


Der Supertaifun „Haiyan“ war schon der zweite tropische Wirbelsturm der höchsten Kategorie fünf, der die Philippinen in diesem Jahr getroffen hat. Im September hat der Taifun „Usagi“ bereits eine Schneise der Verwüstung auf einigen Inseln hinterlassen. Es war in diesem Jahr der 24. tropische Wirbelsturm, der die Inselgruppe im Pazifik getroffen hat. Im Durchschnitt sind es jedes Jahr 20 schwere Stürme, die den Inselstaat treffen. Vor fast genau einem Jahr hat der Taifun „Bopha“ verheerende Schäden angerichtet. Die Philippinen sind aber nicht nur mit Taifunen, sondern auch mit schweren Erdbeben und Vulkanausbrüchen geschlagen. Der Inselstaat gehört zu den verwundbarsten Ländern der Welt.

Tropische Wirbelstürme entstehen, wenn warme feuchte Luft nach oben steigt, sich Wolken bilden, die Wolken wachsen und zu Gewitterwolken werden. Darin entsteht ein Sog, der noch mehr feuchte Luft aufnimmt, bis das Störungszentrum wegen der Erdbewegung zu rotieren beginnt. Viele Stürme lösen sich über den Ozeanen wieder auf. Doch einige treffen auch auf Land, wo sie je nach Intensität des Sturms katastrophale Schäden hinterlassen. Es sind nicht nur direkte Sturmschäden. Die Stürme bringen auch gewaltige Regenfälle, Überschwemmungen und Erdrutsche mit sich.

„Haiyan“ hat nach Einschätzung der amerikanischen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) auf dem Weg zu den Philippinen „ideale Bedingungen“ gehabt, um an Intensität zu gewinnen: „wenig Schwerwinde und warme Meerestemperaturen“. Schwerwinde wehen von verschiedenen Seiten in das Sturmsystem und können es so auflösen. Die Oberflächentemperaturen des Ozeans sind im Westpazifik seit 1968 zwar nicht kontinuierlich, aber doch deutlich gestiegen. Das gilt übrigens für alle Ozeane. Das bedeutet, das Meer enthält mehr Energie, vor allem aber steigt der Temperaturunterschied zwischen der Meeresoberfläche und den höheren Luftschichten – und genau so entstehen starke Winde. In diesem Jahr war „Haiyan“ erst der fünfte Sturm weltweit, der in die höchste Kategorie fünf eingestuft worden ist.

Was hat „Haiyan“ mit anderen Stürmen wie zum Beispiel „Sandy“ gemeinsam?


„Man kann natürlich nicht sagen, dass ,Sandy’ durch den Klimawandel ausgelöst wurde“, sagt Peter Höppe, Leiter der Georisikoforschung des weltgrößten Rückversicherungskonzerns Munich Re (früher Münchener Rückversicherung). „Da ist viel zusammengekommen.“ Und dann zählt er auf: Als der Sturm das Land erreichte, war gerade Flut. Zudem war Vollmond, da fällt die Flut noch etwa einen halben Meter höher aus. „Das war ein unglückliches Zusammentreffen von Umständen“, sagt Höppe. Als „Haiyan“ aufs Land traf, war ebenfalls Flut. „Sandy“ gilt mit einer Ausbreitung von 1500 Kilometern als das bislang größte tropische Sturmsystem im Atlantik. Die Temperaturen des Atlantiks entlang der Ostküste der Vereinigten Staaten waren vor einem Jahr „ungewöhnlich hoch“ für die Jahreszeit. „Das waren ideale Bedingungen für den Sturm“, sagt Höppe, und auch das verbindet beide Stürme. „Sandy“ zog vor der Ostküste der USA Richtung Nordosten, traf dann aber auf ein stabiles Hochdruckgebiet. Die normale Zugbahn weiter in nordöstlicher Richtung und damit auf das offene Meer war blockiert. Deshalb bog das Sturmsystem in Richtung Westen zum Land hin ab, traf fast im rechten Winkel auf die Küste und drückte große Mengen Wasser an Land. „Diese Wetterlage war ungewöhnlich“, sagt Höppe. Gesteuert werden solche Wetterlagen vom sogenannten Jetstream, der die arktischen Luftmassen von den tropischen Luftmassen trennt. Der Jetstream verläuft nicht in einer geraden Linie von West nach Ost über die Erde, sondern hat Ausbuchtungen nach Norden und Süden. „Als Sandy vom Atlantik heranbrauste, hatte der Jetstream extreme Ausbuchtungen“, erklärt Höppe. In den Datenbanken von Munich Re ließ sich ein solcher Sturmverlauf, bei dem ein Tropensturm an der Nordostküste seine Zugbahn plötzlich komplett in Richtung Westen verändert, in den vergangenen 100 Jahren nicht finden.

Höppe verweist auf wissenschaftliche Studien verschiedener Forscher, wonach sich ausgelöst durch das schmelzende Meereis rund um den Nordpol die Drucksysteme ändern. „Erste wissenschaftliche Untersuchungen verschiedener Institute weisen darauf hin, dass größere Amplituden im Jetstream und sehr stabile Hochdrucksysteme häufiger werden könnten“, sagte Höppe. Das sei aber noch nicht endgültig wissenschaftlich geklärt.

„Sandy“ war „für uns dennoch nicht überraschend“, sagt Höppe. Tatsächlich hatte Munich Re einen Monat vor „Sandy“ ein Buch veröffentlicht, in dem es um die Gefahren durch Extremwetter für Nordamerika ging. Das Buch enthielt die Beschreibung eines Hurrikanszenarios für die US-Ostküste mit Aussagen darüber, welche Teile New Yorks in Manhattan, Brooklyn und Queens sowie im angrenzenden New Jersey beim Auftreffen eines Hurrikans besonders überschwemmungsgefährdet sind. „Sandy hat uns dann einen Monat später bestätigt.“ Die nächste Studie über wachsende Gefahren von Extremwetterlagen in Asien ist gerade in Arbeit. Darin werden die Philippinen eine Hauptrolle spielen.

Nehmen Wirbelstürme an Intensität zu?


Der Weltklimarat (IPCC) ist wie immer sehr zurückhaltend in seinen Bewertungen. An der Zahl der Wirbelstürme, vermutet der IPCC in seinem fünften Bericht über den Stand der Klimawissenschaft, der Ende September veröffentlicht worden ist, werde sich wohl kaum etwas ändern. Aber höhere Windgeschwindigkeiten und mehr Regenfälle seien „wahrscheinlich“, allein deshalb, weil mehr Energie im System gespeichert ist. Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung schreibt in seinem aktuellen Klimablog, dass die Zahl der Wirbelstürme mit hoher Intensität, also der Kategorie vier und fünf zugenommen hat, jedoch nicht die Zahl der Stürme an sich.

Was ist vom Weltklimagipfel in Warschau zu erwarten?


Von diesem Montag an bis zum 22. November werden mehr als 190 Verhandler aus aller Welt die Beratungen über ein neues Weltklimaabkommen fortsetzen. Der 19. Weltklimagipfel in Warschau ist dabei eine Zwischenstation, die im kommenden Jahr über Lima in Peru bis nach Paris in zwei Jahren führen soll. Beim Pariser Gipfel 2015 soll der Weltklimavertrag dann endgültig stehen und verabschiedet werden, fünf Jahre später soll er wirksam werden. So weit steht der Zeitplan. Doch welche Themen in welcher Reihenfolge und zu welchem Zeitpunkt wie verhandelt werden, ist teilweise noch schwer umstritten.

Die Chancen auf einen neuen Weltklimavertrag bis 2015 stehen besser als 2009 in Kopenhagen. Die starre Konfrontation zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern löst sich langsam. Auch Schwellenländer sind inzwischen bereit, Klimaverantwortung zu übernehmen, auch wenn sie an dem Problem weniger „Schuld“ haben als die alten Industrienationen. Die deutsche Klimaverhandlerin Nicole Wilke sagte vor kurzem bei einer Tagung im Auswärtigen Amt: „Wir reden heute über Themen, die vor ein paar Jahren noch undenkbar waren.“

 

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