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Menschenhandel in Europa - Verraten und verkauft

Eine EU-Richtlinie soll den Menschenhandel in Europa eindämmen. Doch der Markt ist gewachsen. Warum?

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Kramer, Sarah

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Es ist eine moderne Form der Sklaverei: Weltweit werden nach Zahlen der Vereinten Nationen 2,45 Millionen Personen Opfer von sogenannten Menschenhändlern. Diese nutzen die Notlagen besonders von Frauen und Kindern aus, um sie zu sexuellen Zwecken oder als Zwangsarbeiter auszubeuten. Auch innerhalb der Europäischen Union ist der Markt für die Ware Mensch in den vergangenen Jahren gewachsen, wie eine Studie der EU–Kommission belegt. Dabei hatte Brüssel im Jahr 2011 eine Richtlinie verabschiedet, die den Boom eindämmen sollte. Doch offenbar haben viele Staaten Schwierigkeiten, die Direktive umzusetzen.

Wie hat sich der Menschenhandel in Europa in den vergangenen Jahren entwickelt?

Das Statistikamt der Europäischen Union, Eurostat, und das Generaldirektorat für Inneres der EU-Kommission haben für die Studie statistische Daten aus den Jahren 2008 bis 2010 miteinander verglichen.

Laut EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström wurden im Jahr 2011 in der Europäischen Union rund 9500 Personen Opfer von Menschenhändlern – fast ein Fünftel mehr als 2008.

Die meisten Fälle meldeten dabei Italien (2381), gefolgt von Spanien (1605), Rumänien (1154) und den Niederlanden (993). In der Bundesrepublik gab es 651 Opfer. 61 Prozent von ihnen kommen dabei aus den EU-Staaten, Afrika (14 Prozent), Asien (sechs Prozent) und Lateinamerika (5 Prozent). Die Menschenhändler haben es dabei offenbar vor allem auf Frauen und Mädchen abgesehen: 80 Prozent der Betroffenen sind weiblich.

Welche Formen von Menschenhandel gibt es?

Die EU-Kommission definiert Menschenhandel in ihrer Richtlinie als „Rekrutierung, Transport, Transfer, Beherbergung oder Empfang von Personen (...) durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt (...) oder den Machtmissbrauch (...) zum Zweck der Ausbeutung“. Die Studie der EU-Kommission listet dabei explizit auf, wie die Opfer von Menschenhändlern zu Schaden kommen: Knapp zwei Drittel (62 Prozent) der Betroffenen werden sexuell ausgebeutet und müssen sich prostituieren, ein Viertel von ihnen wird zur Arbeit, etwa auf dem Bau, gezwungen.

Außerdem subsumiert die EU–Kommission auch den Zwang zum Betteln sowie die illegale Entnahme und den Verkauf von menschlichen Organen und den Handel mit Kindern unter dem Themenkomplex. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen ist all dies ein sehr lukratives Geschäft: Die Ware Mensch sei nach dem Drogenhandel die zweitgrößte illegale Profitquelle überhaupt.

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Wie funktioniert der Markt?

Die Opfer werden von Bekannten, Verwandten oder kriminellen Banden rekrutiert, die ihnen häufig als Gegenleistung gutbezahlte Arbeit versprechen. Häufig transportieren die Menschenhändler die Betroffenen von abgeschiedenen ländlichen Gegenden in Städte oder von ärmeren in reichere Länder. Nicht selten bedrohen die Menschenhändler ihre Opfer und machen sie durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt gefügig. Oft nehmen die Schlepper den Betroffenen die Pässe ab, schließen sie ein und unterbinden jeglichen Kontakt zu ihren Familien.

Was weiß man über die Schlepper?

Im Vergleich zur großen Zahl der Opfer von Menschenhandel wird nur eine relativ kleine Zahl der Täter zur Verantwortung gezogen. Laut vorliegender Studie gab es im untersuchten Zeitraum gleichviele Menschenhändler: Die Angaben schwanken zwischen rund 1450 und 1530. Allerdings werden immer weniger Personen wegen Menschenhandels angeklagt: Die Zahl der Verurteilungen ging zwischen 2008 und 2010 um ein Prozent zurück.

Was unternimmt die Welt, um gegen Menschenhändler vorzugehen?

Die EU hat 2011 eine Richtlinie gegen den Menschenhandel verabschiedet. Die Mitgliedstaaten hatten bis zum 6. April 2013 Zeit, die Vorgaben der Direktive umzusetzen. Sie schreibt unter anderem hohe Strafen für Menschenschmuggler fest und stärkt die Rechte der Opfer. Diese dürfen beispielsweise nicht für ungesetzliche Aktivitäten wie etwa den Gebrauch gefälschter Dokumente belangt werden. Kriminelle EU-Bürger können hingegen auch für Straftaten im Ausland verurteilt werden. Jedes EU-Land soll außerdem einen Berichterstatter für das Thema Menschenhandel einsetzen.

Bislang haben allerdings nur sechs der 27 EU–Mitgliedstaaten die Vorgaben erfüllt, nämlich Finnland, Polen, Tschechien, Ungarn und Lettland. Das ist laut EU–Innenkommissarin Malmström ein Unding. „Ich erwarte von allen Mitgliedstaaten, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen und die EU-Richtlinie gegen Menschenhandel ohne Verzögerung in nationales Recht übertragen“, sagte Malmström. „Ich werde nicht zögern, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit das passiert.“ Dazu gehöre in letzter Konsequenz auch die Einleitung von Verfahren wegen Verstoßes gegen EU-Recht, stellte die Kommissarin klar.

Warum hat Deutschland die EU–Richtlinie noch nicht umgesetzt?

Das FDP-geführte Justizministerium, das bei der Umsetzung der Direktive aus Brüssel den Hut auf hat, will nach eigenen Angaben einen Referentenentwurf ins Kabinett einbringen, der die Richtlinie „eins zu eins“ umsetzt.

Der Vorschlag aus dem Hause von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger geht den beiden anderen beteiligten Ressorts, dem Bundesinnenministerium unter Hans-Peter Friedrich (CSU) und dem Familienministerium unter Kristina Schröder (CDU) aber nicht weit genug. Knackpunkt ist dem Vernehmen nach, dass die Strafverfolgungsbehörden nach derzeitigem Rechtsstand einem Tatverdächtigen nachweisen müssen, sein Opfer etwa zur Prostitution angestiftet zu haben. Dies sei in der Praxis aber oft schwierig, heißt es aus dem Innenministerium. Um die Opfer besser zu schützen und Täter schneller anklagen zu können, wünscht man sich daher im Innenministerium eine Verschärfung des Strafrechts. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Das Justizministerium will aber alles daran setzen, die EU-Richtlinie gegen den Menschenhandel noch in dieser Legislaturperiode in nationales Recht zu gießen.

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