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Joe Biden und die Vize-Kandidatin Kamala Harris / dpa

Joe Bidens nahender Wahlsieg - Auf der Zielgeraden

Joe Biden appelliert in einer Rede an die Nation an das Gemeinschaftsgefühl der Amerikaner. Und Donald Trumps Lager will die absehbare Niederlage nicht akzeptieren und reißt die Gräben dabei noch tiefer auf.

Autoreninfo

Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Das muss man Amerika lassen: Die Wahl ist spannend bis zur letzten Minute. Am späten Freitagabend trat der demokratische Herausforderer Joe Biden kurz im Fernsehen auf; er erklärte sich zwar nicht zum Sieger, sagte aber, die Zahlen seien deutlich. Er erwarte zu gewinnen. Dann werde er hart arbeiten, der Präsident aller Amerikaner sein, ob sie ihn gewählt hätten oder nicht.

Noch aber sind nicht alle Stimmen gezählt. Biden führt zwar in vier der fünf noch nicht ausgezählten Staaten, wenn auch nur knapp, er hat aber offiziell noch nicht die erforderliche Zahl von 270 Wahlmännern im Electoral College. Bei der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen liegt er mit 74 Millionen Stimmen allerdings  um vier Millionen Stimmen vor dem Amtsinhaber Donald Trump.

Corona macht den Unterschied

Während Binden in Arizona und Nevada schon seit Tagen führt, hat er Trump in Pennsylvania und Georgia erst am Freitag überholt. Dass sich die Zahlen zu seinen Gunsten drehten, liegt vor allem an Corona: Demokraten, die sich nicht anstecken wollten, wählten eher per Briefwahl; Republikaner, von denen viele Corona für eine von den Medien hochgejazzte Hysterie halten, wählten im Wahllokal. Deren Stimmen aber wurden zuerst gezählt und die Briefwahlstimmen erst danach. Zudem trudelten die Briefwahlstimmen, der chronisch langsamen US-Post geschuldet, spät ein. Fast 9000 Stimmen von Militärangehörigen aus Übersee sind noch gar nicht eingetroffen. Dazu kommt, dass Biden in Großstädten wie Atlanta und Philadelphia führt und dort dauert die Zählung schon der Masse wegen länger als im spärlicher besiedelten Land.

Trumps "illegale Stimmen"

Trump aber wäre nicht Trump, wenn nicht Klage gegen die  — noch laufende — Auszählung angedroht hätte, zunächst in Georgia. Er spricht von "illegalen Stimmen", die erst nach der Schließung der Wahllokale eingegangen seien und beschwert sich, dass ihm die Wahl "gestohlen" worden sei. Bei Briefwahlen unterschreiben die Wähler, und das wird auch überprüft, Trumps Anwälte aber könnten eine nochmalige Überprüfung der Unterschriften fordern. Die Trump-Kampagne zweifelt darüberhinaus an, ob alle Stimmen von Wählern stammen, die sich rechtzeitig in dem Staat angemeldet haben. Sie behaupten auch, die Stimmen von Immigranten oder Verstorbenen seien gezählt worden.

Während Trump seine Anwälte hinter sich versammelt, sammeln sich Anhänger vor den Auszählzentren in den umstrittenen Staaten und demonstrieren gegen "Wahlbetrug". Die Polizei verhaftete zwei mit Maschinengewehren bewaffnete Männer vor dem Convention Center in Philadelphia, Pennsylvania, wo Stimmen ausgezählt werden und die "das Terrain auskundschaften" wollten. Auch in Detroit, Atlanta und in Maricopa County, Arizona, wo Trump gegen Biden verloren hat, sammelten sich Trump-Unterstützer, die Waffen schwenkten und riefen "Stop the count" (in Arizona, wo Biden vorne liegt) oder "Count all votes" in Georgia, wo Trump bis vor kurzem führte. Bewaffnete Polizei schützt nun die Wahlhelfer vor den Militia-Männern. Ähnliche Szenen gab es bereits bei der umstrittenen Auszählung in Florida im Jahr 2000, als George Bush gegen Al Gore antrat und erboste Exilkubaner mit Baseballschlägern Wahlhelfer bedrohten.

Erste Unterstützer distanzieren sich

Ein paar Unterstützer von Trump sind allerdings von der Fahne gegangen, darunter Chris Christie, der langjährige Gouverneur von New Jersey, Mitt Romney, der Senator von Utah und Larry Hogan, der Gouverneur von Maryland. James Baker, der frühere Außenminister von George Bush, der die Wahl von Bush Jr juristisch begleitet hat, riet Trump dazu, aufzugeben. Und auch der rechte Sender Fox News rückt in die Mitte. Nachdem Fox News bekanntgeben hat, dass Arizona an Biden fallen würde, griff Trump zum Telefon, um sich bei Fox-Eigentümer Rupert Murdoch zu beschweren — erfolglos.

Steve Bannon will Köpfe aufspießen

Trumps Söhne Don Jr. und Eric, die einmal selber gerne Präsident wären, beschimpften die republikanischen Abweichler als "Verräter" und "Schafe". Trump hat allerdings noch die Unterstützung der rechten Website Breitbart News. Sein früherer Berater Steve Bannon forderte derweil, die Köpfe von FBI-Direktor Christopher Wray und dem medizinischen Berater Anthony Fauci abzuschlagen und auf dem Zaun vor dem Weißen Haus aufzuspießen, wie im England der Tudor-Zeit. Das brachte ihm eine Sperrung auf Facebook und eine lebenslange Blockade auf Twitter ein.

Was macht Trump bei einer Niederlage?

Was passiert, wenn Trump nicht freiwillig resigniert, ist umstritten. Der frühere demokratische Senator Al Franken meinte, er sei sicher, dass die Joint Chiefs of Staff, die oberste Heeresleitung, den Präsidenten im Zweifelsfall aus dem Weißen Haus eskortieren würden. Trump, so wird spekuliert, könnte dann einen neuen Sender rechts von Fox News gründen. Er könnte aber auch im Gefängnis landen. Die New Yorker Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen diverser Geschäfte vor seiner Amtszeit; bisher hat ihn das Amt vor Strafverfolgung geschützt. Das Finanzamt überprüft, ob eine hohe Steuererstattung rechtens war. Außerdem hat Trump alleine bei der Deutschen Bank 340 Millionen Dollar Schulden, die nicht von seinen Immobilieneinkünften gedeckt sind; bei der Bank wird überlegt, die Geschäftsbeziehung zu kappen, wenn er die Präsidentschaft verliert.

Seine Anhänger hoffen allerdings, dass er wieder kandidiert — 2024. Das würde bedeutet, dass der Wahlkampf praktisch sofort wieder beginnt. 

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