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Konstantina Iliopoulou

To Potami in Griechenland - TV-Star mischt Parteienlandschaft auf

Vor zwei Monaten gründete Stavros Theodorakis seine Partei To Potami. Heute ist sie drittstärkste Griechenlands. Nun will der Polit-Star die griechische Sozialdemokratie neu erfinden und die Mitte-links-Partei Pasok aus dem Weg räumen

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Laetitia Grevers hat Geschichte in London studiert. Ihre Texte sind unter anderem im Magazin der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen.

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In Griechenland ist die Politik streng. Wer etwas werden will, zieht Lederschuhe, Schlips und Anzug an. Stavros Theodorakis aber trägt Sneakers, T-Shirt und Militärjacke. Er ist angriffslustig, auf einer Wahlkampfveranstaltung in Athen wettert er gegen die politische Klasse.

Wie man sich äußert, um erfolgreich zu sein, weiß der Fünfzigjährige genau. Theodorakis ist TV-Journalist. Mit seiner Abendsendung „Protagonists“ erreicht er Millionen. Nun ist er auch Griechenlands neuer Polit-Star. Vor zwei Monaten hat er eine Partei gegründet, To Potami, „Der Fluss“. Mit dieser linken Gruppierung greift Theodorakis nicht nur die Regierungspartei Pasok an – Sozialdemokraten wie er –, sondern er nimmt es mit dem politischen System des Landes auf.

Seine Beliebtheit im Fernsehen ist zugleich seine Waffe: In den Umfragen belegt To Potami bereits den dritten Platz. Eine glückliche Platzierung nur ein paar Wochen vor den Europawahlen. Der Erfolg ist ihm anzusehen. Oben auf dem Podium grinst Stavros Theodorakis überlegen und erklärt, er wolle keinen steifen Monolog führen.

Das Publikum ist begeistert. „Wie stehen sie zur Privatisierung?“, fragt ein Zuhörer. Privatisierung müsse in der griechischen Sozialdemokratie verankert werden, aber nicht um jeden Preis, antwortet Theodorakis. Bei Gesundheitsversorgung und der inneren Sicherheit: nein. Bei Transportmitteln und anderen Bereichen: vielleicht.  

Theodorakis meidet klare Positionen
 

Theodorakis lässt sich ungern auf klare politische Aussagen festnageln. Dafür reißt er Witze über seine politischen Gegner: „Wir sitzen in einem Auto ohne Bremsen und Lenkrad und die Parteien streiten  darüber, ob wir Volkslieder oder sowjetischen Lobgesang spielen sollen.“ Die „unfähigen Politiker“ sollten das Land nicht länger regieren, findet Theodorakis. Sich und seine Kumpanen aus Kultur, Medien, Wissenschaft und Wirtschaft nimmt er davon natürlich aus.

Früher unterstützte Theodorakis die sozialdemokratische Pasok. In seinem Heimatdorf hing er als Teenager für Pasok Wahlplakate auf. Bis vor kurzem war er mit dem früheren Parteichef sogar eng vertraut. Doch über den heutigen Parteivorsitzenden, Evangelos Venizelos, zieht er schamlos her. Auf der Startseite von To Potami schreibt Theodorakis über Venizelos: „Es fällt mir schwer, nicht über ihn zu lachen.“

Venizelos lästerte mit Blick auf To Potami zurück: „Ich wünsche jeder Fernsehsendung, die eine Partei gründet, viel Erfolg.“ Jedoch ist absehbar, dass die „Fernsehsendung“ größeren Schaden anrichten wird. Das Ende von Venizelos‘ Parteiführung naht. Theodorakis will Pasok aus dem Weg räumen, um eine neue griechische Sozialdemokratie zu schaffen.

Damit könnte sich der Emporkömmling auch in Deutschland Feinde machen. Zwar hat sich die SPD zur Neugründung von To Potami noch nicht geäußert, ärgern dürften sich die Genossen aber trotzdem über die ungebetene Konkurrenz: Denn die Schwestern-Partei der SPD ist Pasok. Sie sitzen gemeinsam in der ESP-Fraktion des Europaparlaments.

Die deutschen Sozialdemokraten blicken mit Sorge auf ihre griechischen Verbündeten. In den letzten Jahren hat Pasok zahlreiche Wählerstimmen verloren, nachdem sie im April 2010 in Alleinregierung die unpopulären Sparmaßnahmen eingeführt hatte. Pasok hatte jahrzehntelang immer wieder die absolute Mehrheit. Heute würden nur noch 3,5 Prozent der Griechen für die Partei stimmen.

Die Austeritätspolitik, Vetternwirtschaft und Steuerhinterziehungen in der politischen Klasse haben auch anderen etablierten Parteien wie der Mitte-Rechts-Partei „Neue Demokratie“ geschadet. Dafür haben Anti-System-Parteien wie die rechtsradikale Goldene Morgenröte und die linksradikale Syriza an Boden gewonnen.

Zu ihnen gibt es mit To Potami nun eine Gegenbewegung. Vor allem junge, gebildete Bürger unterstützen die Partei. Eine Gruppe der Gesellschaft, die in letzter Zeit kaum gewählt hat. To Potamis wirtschaftsliberale Elemente überzeugen die jungen Griechen. Neben mehr Privatisierung möchte die Partei langfristig Bürokratie abbauen und plädiert für mehr Transparenz im öffentlichen Dienst.

Theodorakis will Pasok mit ihren Programmpunkten schlagen
 

Theodorakis will die Pasok-Partei besiegen, auch indem er ihre sozialdemokratischen Programmpunkte übernimmt. Im europäischen Parlament will Theodorakis Schuldenerlasse für Länder fordern, die bereits Reformen durchgeführt haben. Diese Position kann zu zukünftigen Konflikten mit der deutschen Regierung führen, da Deutschland die Lösung der Probleme Griechenlands in einem exportgetragenen Wachstum sieht, das ausschließlich durch Strukturreformen erreicht werden soll.

Eine neue Idee hat Theodorakis aber: Er fordert einen Mindestlohn auf griechischer und europäischer Ebene.

To Potami greift sowohl sozialdemokratische als auch liberale Ideen auf. Mit wem sie im Europaparlament zusammenarbeiten würde, ob mit der sozialdemokratischen ESP oder mit der Allianz der Liberalen (ALDE), hat die Partei noch nicht entschieden. Umfragen zufolge werden drei To-Potami-Abgeordnete nach Brüssel ziehen.

Theodorakis wird nicht unter ihnen sein. Er sieht sich zu Höherem berufen: Er möchte zur nächsten griechischen Parlamentswahl 2016 antreten, vielleicht auch früher, wenn die Regierung mal wieder zusammenbricht. Anschließend will er Griechenland regieren.
 

 

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