Terumi Tanaka (M.), Nagasaki-Überlebender und Co-Vorsitzender von Nihon Hidankyo, freut sich über den Friedensnobelpreis / dpa

Friedensnobelpreis für Anti-Atomwaffen-NGO - Stockholm und die Bombe

Das Nobelpreis-Komitee liebt es, Organisationen auszuzeichnen, die sich für die Abschaffung von Atomwaffen einsetzen. Bewirken wird das nichts. Denn die wenigsten Länder wollen auf die Vorteile atomarer Abschreckung verzichten – auch Japan nicht.

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Michael Rühle arbeitete über 30 Jahre im Internationalen Stab der Nato, unter anderem in den Bereichen Politische Planung und Reden, Energie- und Klimasicherheit sowie hybride Bedrohungen.

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Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Nihon Hidankyo, eine Bewegung von Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Japan, die sich für die weltweite Abschaffung von Atomwaffen einsetzt, kann kaum überraschen. Für das Nobelpreis-Komitee ist es nämlich fast schon Tradition, Persönlichkeiten oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auszuzeichnen, die sich für die Abschaffung von Kernwaffen einsetzen. Zwar ist dieses Ziel heute unrealistischer als je zuvor, doch für das Nobelpreis-Komitee ist dies unerheblich. Denn anders als bei anderen Nobelpreisen, bei denen außerordentliche Leistungen ausgezeichnet werden, zählt beim Thema Atomwaffen bereits die gute Absicht, lediglich etwas leisten zu wollen. 

So erhielt Barack Obama 2009 den Friedensnobelpreis gleichsam als Vorschuss auf die Verwirklichung seiner mit viel Pomp angekündigten Vision der Abschaffung aller Atomwaffen. Amerikanische Medien spöttelten damals, ein 100-Meter-Sprinter erhalte seine Goldmedaille üblicherweise erst nach einem gewonnenen Rennen und nicht bereits am Start. Mehr noch. Am Ende von Obamas Amtszeit, als die Vision von „Global Zero“ längst an den harten Realitäten der internationalen Politik gescheitert war, forderten einige enttäuschte Mitglieder des Nobelpreis-Komitees den amerikanischen Präsidenten sogar auf, seinen Preis zurückzugeben. Selten hatte ein so bedeutendes Gremium seine Naivität so offen zur Schau gestellt. 

Für viele Atomwaffen-Gegner sind die Schuldigen stets im Westen zu finden

2017 ging der Friedensnobelpreis an ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons), eine Nichtregierungsorganisation, der es gelungen war, durch zähe Arbeit den Vertrag für das Verbot von Atomwaffen ins Leben zu rufen. Dieser Vertrag ist inzwischen von über 90 Staaten unterzeichnet worden – allerdings nicht von den Kernwaffenstaaten oder ihren Verbündeten. Ohne deren Unterschrift aber ist ein Vertrag, der Atomwaffen und ihren Besitz als illegal stigmatisiert, nicht viel Wert. Das weiß natürlich auch ICAN. 

Entsprechend aggressiv gibt man sich bei seiner Kritik der Kernwaffenstaaten und anderer Nutznießer nuklearer Abschreckung. Wobei auffällt, dass für viele ICAN-Vertreter die Schuldigen stets im Westen zu finden sind – denn nur in offenen Gesellschaften können NGOs die Öffentlichkeit in ihrem Sinne beeinflussen. Auch der Versuch von ICAN, ausgerechnet Russlands Überfall auf die Ukraine als Beleg für die Irrelevanz nuklearer Abschreckung zu interpretieren, geriet wenig überzeugend. Die Ukraine hatte nun einmal keine Nuklearwaffen, mit denen man Russland hätte abschrecken können. 

Die Gesinnungsethik des Nobelpreis-Komitees

Und nun also die Überlebenden der Atombombenabwürfe. Ihre Absicht ist es, durch ihre eigenen Schicksale vor der Gefahr durch Kernwaffen zu warnen und für ihre Abschaffung zu werben. Das ist ebenso nachvollziehbar wie gerechtfertigt. Wer die Bilder von Hiroshima und Nagasaki gesehen hat, kann sich ausmalen, durch welche Hölle diese Menschen – damals noch Kinder – gegangen sind. Doch auch dieses Mal wird der Nobelpreis nichts bewirken. Denn die Bilder der beiden zerstörten japanischen Städte sind eben nicht nur Dokumente des Krieges; sie markierten auch den Beginn der nuklearen Abschreckung – eines Konzepts, das die Furcht vor der Katastrophe nutzt, um die internationale Politik zu disziplinieren. Zwar gibt es nur wenige Staaten, die eigene Kernwaffen besitzen, aber insbesondere der sogenannte „Nuklearschirm“, den die Vereinigten Staaten über ihren Verbündeten in Europa and Asien aufgespannt haben, wird von Dutzenden von Staaten als ultimativer Garant ihrer Sicherheit betrachtet. 

Eines dieser Länder ist Japan, dessen politische Führung immer wieder mit der Aussage aufhorchen lässt, ohne eine stärkere amerikanischen Abschreckung gegenüber China sei ihr Land auf die Entwicklung eigener Kernwaffen angewiesen. Auch wenn diese Drohungen gegenwärtig nicht allzu ernst zu nehmen sind: Die Reaktion des japanischen Premierministers, der den Preisträgern gratulierte, zugleich aber die Bedeutung nuklearer Abschreckung in Erinnerung rief, spricht Bände über die schwierige Lage, in denen sich dieses Land befindet. Der Kontrast zum Credo der Atombombenopfer könnte jedenfalls kaum größer sein. 

Und sollte es, wie vielfach vermutet, die Absicht des Komitees gewesen sein, den ständig mit Atomwaffen drohenden russischen Präsidenten Putin zur Einkehr zu bewegen, so dürfte auch dieses Ziel kaum erreicht werden. Ein Land, in dem Priester Nuklearraketen segnen, wird sich von der Symbolkraft dieser Preisverleihung kaum beeindrucken lassen. Wieder einmal erweisen sich die Realitäten der internationalen Politik als stärker als die Gesinnungsethik des Nobelpreis-Komitees.

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Albert Schultheis | Mi., 16. Oktober 2024 - 12:47

Die Intentionen der Stockholmer sind so früchtetragend wie die Beschwörungen von Grünen Zottelkriegern, Frieden schaffen zu wollen ohne Waffen!

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