- Willkommenskultur schützt vor Terror nicht
Kisslers Konter: Die Ratlosigkeit nach dem 13. November ist groß. Viele Stimmen sehen in der deutschen Willkommenskultur die beste Terrorprävention. Sie irren sich. Gegen den Terror ist kein Blumenstrauß gewachsen
Erst hielt ich es für einen Scherz. Manchmal muss man die Dinge ironisch zuspitzen, damit sie kenntlich werden. Dann aber las ich es dreimal in fast identischer Formulierung und ohne einen Anflug von Humor: „Der größte Feind des islamistischen Terrorismus ist die Willkommenskultur.“ – „Eine großzügige Willkommenskultur ist eine unserer stärksten Waffen gegen den islamistischen Terrorismus.“ – „Die Willkommenskultur ist der größte Feind der Terroristen.“ Was meinen die drei Herren, die sich so geäußert hatten? Der erste ist ein Journalist der Zeit, der zweite sein Kollege von n-tv.de, der dritte Aiman Mayzek, Vorsitzender des kleinen „Zentralrats der Muslime“.
Frieden durch mehr Blumensträuße?
Vom Handwerk der Terroristen legten die Pariser Massenmorde blutig Zeugnis ab. Sie kommen, um zu töten, und sie töten im Namen eines hemmungslos radikalisierten und in seiner Radikalisierung maximal vereinseitigten Islams. Der islamische Extremismus ist die größte Gefahr für den Weltfrieden im 21. Jahrhundert. Das Blutsäufertum der Barbaren wird nicht eher ruhen, bis diese „dunkle Ideologie“ besiegt ist – so die ehemalige dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, deren Land ebenfalls schon von mordenden Islamisten heimgesucht wurde. Oder lässt sich der Weg zum Frieden abkürzen durch mehr Blumensträuße an Bahnsteigen, Integrationsfibeln auf Arabisch und sozialen Wohnungsbau?
Eine solche Hoffnung, wie sie offenbar die drei Herren umtreibt, unterstellt zunächst einmal, was die drei Herren sonst lautstark ablehnten: dass es da eine innere Verbindung gebe zwischen den Terroristen von Paris und den Asylbewerben in Deutschland. Die neue deutsche Willkommenskultur soll schließlich jenen Flüchtlingen gelten, die ihre Heimat verlassen und nach Deutschland wollten, als wäre auch die Wahl des konkreten Aufnahmelandes ein Menschenrecht. Und da Deutschland unter Merkel seine Grenzen nicht schließen und sein Symbole nicht dimmen will, ebbt der Strom nicht ab, werden Rotes Kreuz und Caritas zu logistischen Vollzugsbeamten eines heillos überforderten Staates. Auf die Kapitulation folgt der Kollaps.
Keine Bringschuld gegenüber Muslimen
In dieser Situation rät der Zeit-Mann, sich „mit den Muslimen zu versöhnen“, der n-tv.de-Autor sieht in forcierter Willkommenskultur ein Gegenmittel gegen „einschlägige Salafisten“ auf Rekrutierungstour in deutschen Flüchtlingsheimen, Mayzek zufolge zielten die Terroristen „mitunter darauf ab, dass die gebrochen wird“, die „Willkommenskultur“. Zusammengefasst: Je weiter Deutschland seine Tore für Muslime öffnet, je fester es Asylbewerber und Flüchtlinge ans Herz drückt, ihnen Geld und guten Willen übereignet, desto rascher versiegt der Terroristennachschub.
Wenn’s denn mal so wäre. Die Voraussetzungen stimmen nicht. Keineswegs hat der Westen eine Bringschuld gegenüber „den Muslimen“ – als sei der Westen daran schuld. Von jedem Menschen dieses Erdballs muss erwartet werden können, dass er seine Religion nicht in Massenmord übersetzt. Keineswegs ist primär die Aufnahmegesellschaft verantwortlich, wenn in Asylbewerberunterkünften Terroristen gedeihen – wie kann das sein, wenn doch dort ausschließlich Männer versammelt sind, die vor dem Terrorismus flohen? Und keineswegs schert es die Terroristen einen Pfifferling, ob das Kabinett Merkel diese oder jene Integrationsgeste perpetuiert. Nein, wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass das Böse nicht mit Dialog und Diskurs und warmen Worten zu besiegen sein wird. Kein deutsches Willkommen schützt vor weltweitem Terror.
Oder soll das Hohelied auf eine an Kapazitätsgrenzen scheiternde Willkommenskultur darüber hinwegtäuschen, dass letztlich Angst den Ton der Debatte bestimmt? Michel Houellebecq verwendet ganz ähnliche Freundlichkeitsadressen, um die „Unterwerfung“ der französischen Intelligenzija unter einen smarten Islam zu illustrieren. Doch das ist gottlob nur ein Roman.
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