Bei hohen Preisen und hohen Steuern bleiben die Kunden weg / dpa

7 oder 19 Prozent Mehrwertsteuer? - Wie die Politik der Gastronomie wirklich helfen kann

Die Mehrwertsteuer für Restaurants wird wieder auf den Stand vor Corona angehoben. Warum auch sollte eine Subvention zur Abfederung einer Notlage nach dem Ende dieser Notlage bestehen bleiben? Die beste Hilfe für die Gastronomie wäre die steuerliche Entlastung der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen.

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Nils Busch-Petersen ist Geschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg.

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Michael Wedell ist Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft The Partners.

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In Deutschland ist es nahezu unmöglich, realistische und gut durchdachte steuerliche Vorschläge zu machen – auch weil niemand auf Privilegien verzichten will, wenn sie einmal genossen wurden. Das wiederum ist nicht typisch deutsch, sondern typisch Mensch.

Nun hat jede Interessengruppe immer gute Gründe, um Subventionen oder Steuernachlässe zu fordern. Die besten Steuern aus Sicht der Steuerpflichtigen sind keine Steuern. Aber wie sollte der Staat dann beispielsweise Renten, Kindergärten, Schulen, Lehrer, Straßen, Schwimmbäder, Straßenlaternen, Theater und, ja: auch Waffen und Soldaten bezahlen?

Und warum sollte eine Subvention, die der Staat in der Corona-Pandemie zur Abfederung einer absoluten Notlage zu Lasten aller Steuerzahler gewährte, nach dem Ende dieser Notlage weiter bestehen bleiben?

Ja, das Mehrwertsteuersystem ist in Europa unendlich kompliziert. Es gibt in den verschiedenen Mitgliedstaaten viel zu viele verschiedene Steuersätze. Warum z.B. im reichen Luxemburg die Mehrwertsteuer für Restaurants nur drei Prozent beträgt, erschließt sich nicht wirklich. Zur Wahrheit gehört auch, dass in 23 Mitgliedstaaten der EU ermäßigte Steuersätze für die Gastronomie gelten (von drei bis 18 Prozent), nur in Dänemark, Lettland und Estland (und jetzt Deutschland) wird der volle Mehrwertsteuersatz verlangt, und der ist sogar höher als in Deutschland.

Der Steuersatz hängt auch davon ab, ob Wegwerfgeschirr oder Porzellan verwendet wird

Das System ist höchst widersprüchlich bis an den Rand der Tragikomik. Wieso zahlen Restaurants und Imbisse sieben Prozent Mehrwertsteuer, wenn sie nur Nahrungsmittel verkaufen, aber 19 Prozent, wenn sie Sitzmöglichkeiten anbieten? Weshalb entfallen auf Lieferdienste sieben Prozent – es sei denn, sie verkaufen Luxusprodukte wie Kaviar (19 Prozent)? Warum hängt der Steuersatz auch davon ab, ob Wegwerfgeschirr (Imbissbude, sieben Prozent) oder Porzellan (spülbar, 19 Prozent) verwendet wird?

Und wieso wird Kuhmilch als Grundnahrungsmittel eingestuft und ein Milchkaffee mit Kuhmilch daher mit sieben Prozent besteuert, pflanzliche Milch jedoch nicht?

 

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Wobei man auch sagen muss: Für die Gastronomie ist es letztlich nicht entscheidend, wie hoch die Mehrwertsteuer ist, die die Kundschaft zahlt – sondern dass diese überhaupt genug Einkommen hat, um dort zu essen und zu trinken. Und für die Gastronomie ist es mit den modernen Kassensystemen auch nicht mehr schwierig, mit verschiedenen Mehrwertsteuersystemen umzugehen.

Die beste Entlastung für die Gastronomie wäre also die steuerliche Entlastung der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen. Je mehr Geld die Menschen in der Tasche haben, desto eher geben sie es für ihr Freizeitvergnügen aus.

Warum nicht alle Lebensmittel und Getränke gleich besteuern?

Außerdem sind Gastronomen in der Regel sehr kreativ. Erst jüngst hörte ich von einem sehr guten Restaurant in Berlin (auch mit einem Stern), das nun einen Tag mehr in der Woche aufmacht und den Menüpreis sogar senkt, dafür aber auf ein vegetarisches Angebot reduziert. Wer Fleisch will, muss extra zahlen. Geht doch!

Oder, um es mit den Worten von Björn Swanson zu sagen, dem Inhaber des besagten Restaurants Faelt: „Wir brauchen in der Gastronomie keine Almosen, sondern den gemeinsamen Willen die (Innen-)Städte durch attraktive Angebote neu zu beleben. Hier ist aber auch die Politik gefordert und gefragt. Hürden und Barrieren durch immer mehr Bürokratie und ständig wechselnde Verordnungen müssen reformiert werden. Hinzu kommt, dass wir in Deutschland eine Kultur des Respekts und der Dankbarkeit, der Wertschätzung und Solidarität brauchen. Die Politik hat uns während der Pandemie zwar geholfen, aber darf uns jetzt auch nicht vollends im Stich lassen. Die Gastronomie und Hotellerie ist ein wichtiger Wirtschaftszweig der letzten 50 Jahre und gerade auch durch die Dichte an Sternerestaurants ein wichtiges internationales Aushängeschild.“

Und dann gäbe es da ja noch eine höchst einleuchtende einfache Lösung: Alle Lebensmittel und Getränke werden unabhängig vom Ort des Verkaufs oder Verzehrs gleich besteuert! Ob Supermarkt, Tankstelle oder Restaurant, Partyservice oder Imbissbude.

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Ronald Lehmann | Di., 16. Januar 2024 - 16:05

In einer Fernsehshow wurde einmal vor Jahren ein Spruch getätigt:

" wenn der Staat dir 10 € schenkt, dann hat er dir vorher schon mindestens 100 € (oder DM?) aus der Tasche gezogen 🤑

Daniela Möller | Di., 16. Januar 2024 - 16:09

Wie ist das eigentlich mit Doppelbesteuerung? Der Gastronom zahlt auf die Lebensmittel doch auch schon MwSt im Einkauf, oder nicht?

Die MWSt beim Einkauf kann der Gastronom als „Vorsteuer“ von der vereinnahmten MWSt abziehen und nur die Differenz muss an das Finanzamt abgeführt werden. Es wird nur der Endverbrauch, also Sie und ich mit der MWSt belastet. Steuerrecht ist kompliziert!

Han Hube | Di., 16. Januar 2024 - 16:09

Abgesehen davon, dass in der Schweiz auch unter Berücksichtigung der KK Prämien die Steuerbelastung rund 1/3 geringer ist, OECD, haben die max. 8% MWSt.
Dass nebenbei praktisch alle staatlichen Leistungen besser funktionieren, sei nur am Rande erwähnt.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 17. Januar 2024 - 10:37

Ich kann dieses wohlfeile vorsichtige Gejammer nicht mehr hören und lesen. Handelt endlich und geht auf die Straße und macht gerade auch über Euro Verbände endlich mehr Druck. Ständig nur seichte Kritik, bloß nicht Tacheles reden, bloß nicht mal klar sagen, wer da was macht bzw. nicht macht. Ich habe das satt.
Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Also macht endlich was. Ihr seid nicht allein. Die Bauern machen es Euch vor, Schließt Euch sofort und gleich an.

Gerhard Schwedes | Mi., 17. Januar 2024 - 13:02

Ich hätte da einen ganz eigenen Vorschlag: Die Politiker der Altparteien, die dem Land das ganze Desaster eingebrockt haben, sollen täglich in der Gastronomie vorsprechen und dort für teures Geld die Suppe, die sie uns eingebrockt haben, wieder auslöffeln.

Wolfgang Dubbel | Mi., 17. Januar 2024 - 18:47

Eine Umbasierung auf zb das Anlagevermögen könnte die Pers.kosten erheblich entlasten ohne Kaufkrafteinbussen für die Mitarbeiter. Personalintensive Unternehmen hätten zu den übrigen einen Vorteil.
Kaum zu glauben, dass die Politik heutzutage freiwillig ein ganz neues Fass aufmacht. …