Blick auf das nächtliche Chongqing / dpa

Eine Frage der Optik - Was chinesische Intellektuelle über Deutschland und Europa denken

Abseits von diplomatischen Verlautbarungen anlässlich der Kanzlerreise wird unter chinesischen Intellektuellen das Verhältnis zu Deutschland und Europa als komplex und anspruchsvoll umschrieben. Eine Betrachtungsweise, die im Westen womöglich unterrepräsentiert ist.

Autoreninfo

Dr. phil. Dominik Pietzcker studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik. Von 1996 bis 2011 in leitender Funktion in der Kommunikationsbranche tätig, u.a. für die Europäische Kommission, Bundesministerien und das Bundespräsidialamt. Seit 2012 Professur für Kommunikation an der Macromedia University of Applied Sciences, Hamburg. Seit 2015 Lehraufträge an chinesischen Universitäten.

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Jedes Geschäftsmodell hat seine Grenzen. Wie können zugleich exzellente Wirtschaftsbeziehungen gepflegt und eine durch einseitiges Misstrauen geprägte politische Rivalität behauptet werden? Diese Begriffsparadoxie liegt nicht auf einer rationalen Ebene, denn langfristig lassen sich stabile wirtschaftliche Beziehungen nur dann gestalten, wenn es eine gegenseitige Vertrauensbasis gibt.

Gemeinsamer Nutzen basiert auf einem regelmäßigen Austausch in Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Technologie. „Systemrivalität“ und „Partnerschaft“ verhalten sich wie Öl und Wasser, sie mischen sich nicht miteinander. Und welcher der beiden Begriffe soll zukünftig der ausschlaggebende sein? Offensichtlich haben hier die CEOs der Dax-Konzerne eine andere Auffassung als, beispielsweise, die Kommissionspräsidentin der Europäischen Union und die deutsche Außenministerin.

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Norbert Heyer | Fr., 19. April 2024 - 08:40

Lassen wir es uns ganz einfach gestehen: Die Chinesen glauben, dass die Europäer - vor allen die Deutschen - nicht mehr alle Latten am Zaun haben. Ideologische und grüne Wahnvorstellungen werden produziert, die am Ende eines verbindet: Sie scheitern alle. Trotzdem schätzen die Chinesen unsere reiche kulturelle Vergangenheit, die wir selbst derzeit in der Versenkung verschwinden lassen. Europa hat von Einsparungen beim Militär wirtschaftlich profitiert. Die USA verlangen mehr Militärausgaben, während Europa gleichzeitig für die Folgen amerikanischer Kriege aufkommt. Die NATO wurde immer von den USA beherrscht, Europa wurde immer für die Folgen in Anspruch genommen. Scheinbar ist geplant, aus einem Krieg, der uns nichts angeht, einen neuen Weltkrieg zu machen. Das freut nur die Bestimmer dieser Welt, alle anderen werden bitter leiden. Haben wir keine Politiker mehr, die diesen Wahnsinn verhindern können? Sind sie gar noch Befürworter dieser sich anbahnenden Katastrophe für die Menschen?

Ich sah mal Bilder vom Smog in Chinas Megacities.
Eigentlich hatte ich gehofft, dass unsere Techniker* Chinas Partner für die grüne Nachhaltigkeit werden könnten.
Überhaupt hatte ich mir das grüne Konzept nicht so "quälend" für die Bundesrepublik vorgestellt, aber das hat eben auch mit den Folgen des Russland/Ukraine-Konfliktes zutun.Vielleicht ist es nicht einmal Habeck aufgefallen, dass mein Abstellen auf " Yin und Yang" im Sinne der Kongruenz des "Männlichen und Weiblichen" einen freieren Blick auf Marx Kritik des Kapitalismus zulässt, der diesen eher unter dem Aspekt der Entfremdung, nicht der Entfaltung analysiert.
Die Naturphilosophie und der dialektische Materialismus Marx sind also genaugenommen nicht Rückblick und Utopie, sondern die Elemente unserer Entfaltung.
Das dürfte doch offene Türen in China einrennen, aber vorher müßten es die Grünen verstanden haben und von ihrem Kampf ablassen, stattdessen auf gesellschaftliche Produktivität und Entwicklung setzen.
Aber nur überlegt

... und danke auch Herrn Pietzcker - ersterem für seinen guten Kommentar, dem Zweiten für seinen guten Artikel.
Die mir seit Jahren immer unangenehmer auffallende Eurozentriertheit/-borniertheit "im Denken, Reden und Tun", wie´s ähnlich im katholischen Beichtspiegel meiner Kindheit für alle möglichen "Sünden" hieß, zeitigt beim derzeitigen Gang der Geschichte immer mehr Abseitigkeit und Selbstüberschätzung bis zu verhängnisvollen, ideologie- und "moral"getriebenen Fehlentscheidungen.
Und wenn dann Frau Baerbock wieder mal, im Kostüm neben gestandenen Vollprofis sitzend oder stehend, in den TV-Nachrichten übertragen wird, würde ich nur zu gerne wissen, was DIE sich dann denken. Welchen Charakters oder welcher Couleur diese Vollprofis im Einzelfall sind, tut hier nichts zur Sache - gelungen wirkt Frau AB für mich hauptsächlich neben Frau vdL, und damit ist für mich und meinen Geschmack das politische Qualitätsniveau dieser beiden Auslands-Visitenkarten für D beschrieben. Bin not amused.

Gerhard Lenz | Fr., 19. April 2024 - 08:59

Der letzte Satz zeigt dieTendenz: China enteilt den Deutschen, dem Land der Tüftler und Ingenieure. Denn was ist technischer Fortschritt schon wert, wenn der deutsche Wutbürger ständig "Halt, nicht mir mir!" grölt? Den Klimawandel leugnet, den Energiewandel für Quatsch hält, den Verbrenner noch bis in alle Ewigkeit fahren möchte, im Grunde alles, was seine Bequemlichkeit gefährdet und seinen Geldbeutel möglicherweise erleichtert, ablehnt, weil man es "doch gar nicht braucht!"
China tickt eben anders. Natürlich auch eine Spur skrupellos. Die Partei entscheidet, das Volk spurt. Setzt die Partei auf Zukunftstechnologie, dann kommt die, wenn nötig auch mit Gewalt. Während der deutsche Wutbürger auf Bismarck verweist...
Natürlich handeln die Chinesen weit gerissener, als z.B. Russland, ein Land, das zwar genauso undemokratisch ist, in dem aber ein Kriegsverbrecher und eine durch und durch korrupte Clique glaubt, man könne Zukunft durch Bomben u. Panzer gestalten, und nicht durch Wissen.

Mensch, Lenz, können Sie das auch intellektueller? Das ist doch Gossengebrabbel, BILD-Niveau. So stoßen Sie Menschen mit Verstand nur noch ab. Das ist nicht unsere Sprache. Julian Reichelt könnte es nicht besser. Sie reden hier mit Boxhandschuhen. Unter Niveau.

Uli | Fr., 19. April 2024 - 09:08

Baerbock beweist bei jeder Gelegenheit ihre allumfassende Ahnungslosigkeit gepaart mit Erklärungsresistenz und ideologischer Verbohrtheit. Für mich die idealste Form der Peinlichkeit. Übertroffen nur noch dadurch, dass es offenbar niemanden der Koalition zu stören scheint.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 19. April 2024 - 09:56

betraf nun mal vor allem Afrika, Indien und den Amerikanischen Kontinent?
Die USA sind mir ein sehr kleiner Bruder, jedenfalls Nachkömmling, wie man es manchmal aus englischen Filmen/Serien heraushört.
Wir behielten nun mal nicht Helmut Schmidt als Kanzler, ihn andererseits als politisch-philosophischen Kopf in der ZEIT.
Am ehesten sehe ich in Herrn Nass Schmidts Enkel, der ja für seine Asien-Expertise bekannt ist.
Mein Interesse hielten profanere Momente wach, z.B. der Circus Roncalli, dann vor allem Filme und Serien.
In "Blossoms in Adversity" China 2024 bekommt man, aus heutiger Perspektive zwar, aber viel erzählt über Chinesische Gepflogenheiten, Produkte etc..
Die heutige Sicht ist die des modernen China, das sich nur als Kaisertum nicht hätte zur Wehr setzen können gegenüber den Begehrlichkeiten besonders des Westens.
Schwer zu sagen, wie sich China weiterentwickeln kann.
Die Globalisierung wäre eine gute Möglichkeit gewesen, aber Globalisierung, die sich US-One-World ruft.. NEIN

Karl-Heinz Weiß | Fr., 19. April 2024 - 10:34

Absolut richtig: Europa mit zusammen gerade einmal einem Drittel der Bevölkerung Chinas oder Indiens inszeniert sich geradezu größenwahnsinnig-sinnbildlich in den Personen Baerbock und vd Leyen. Allerdings hat die Volksrepublik China ihr Hauptziel klar definiert: Wiedervereinigung bis spätestes 2049. Und die USA haben diese Ein-China-Politik bereits 1973 durch Präsident Nixon anerkannt. Diese Ausgangsposition sollte in den nächsten Jahren jeder Politiker im Hinterkopf zu haben. Kanzler Scholz ist das schon weiter als seine Kabinettskollegin

S. Kaiser | Fr., 19. April 2024 - 11:21

Was die vermeintl. ‚Progressiven‘ im polit-medialen Umfeld, immer noch nicht verstanden haben, ist, dass es inzwischen global relevanter ist, ob „in China ein Sack Reis umfällt“ als ob in Dtschl ein Sack Kartoffel umfällt. Man kann viel über Scholz schimpfen, und er ist auch kein guter Kanzler, aber blöd ist er nicht und er versteht worum es geht. Frau Baerbock nicht.
Dtschl zehrt in Ostasien noch von seinem Ruf, seiner vergangenen Hochkultur in Klassik und Literatur, und seiner wirtschaftl. Stärke aufgrund der hohen technischen Qualität seiner Produkte, wie der dtschn Autoindustrie und der hidden champions. Aber es verfrühstückt nicht nur sukzessive sein Erbe, es hat auch den Sprung ins digitale Zeitalter verpennt. Nur mal so als Beispiel erwähnt: Bettler sitzen in China mit einem QR-Code vor sich auf der Strasse, damit man ihnen über online Zahlungssysteme etwas überweisen kann. Es geht nicht darum, China gut zu finden, aber verstehen sollte man es können. Und daran hapert es massiv.

Urban Will | Fr., 19. April 2024 - 11:33

wohl kaum von denjenigen wird gelesen werden, die es betrifft.
Vor allem unsere dusselige Außenamts-Praktikantin Annalenchen, die gerade wieder von einem Fettnäpfchen ins nächste trampelt.
Ich denke, Europa hat sich „dank“ historischer Fehlentwicklungen und Fehlentscheidungen innerhalb der EU für sehr lange Zeit von der Weltbühne verabschiedet.
Dumme, ideologisch motivierte Beschlüsse in Sachen Klima etc. die absolut nichts bewirken, als fie Wettbewerbsfähigkeit zu senken und d Industrie zu vertreiben.
Dass man die EU als solches nicht mehr ernst nimmt, liegt ja auf der Hand.
Die derzeitigen Großkonflikte werden ohne die Obermoralisten gelöst werden.
Was die Gefahr der „neue nationalen Aggressivität“ angeht.
Die sehe ich nirgends.
Es sind die Etablierten, die mit den Säbeln rasseln. Und es sind, zumindest in D und F die „Populisten“, die bzgl d Ukkrieges zu Besonnenheit und Verhandlungen mahnen. Zu China:
Weidel war in China tätig. Sie plädiert für einen vernünftigen Umgang.

Europa hatte es in seiner bisherigen Geschichte
& durch das streben von MACHT
verbunden mit deren KONTROLLE von
MENSCH, LAND & DEREN RESSOURCEN
immer ein Problem, eine Lastigkeit

& die Chance, Diktator Putin in den europäischen Mafia-Diktatorenkreis zu integrieren,
damit gegenseitige Abhängigkeiten & Verantwortungs-Übernahmen hätte erfolgen können

wurde bewusst & unbewusst
absichtlich & unabsichtlich torpediert von den vielen unterschiedlichen Machtkellen dieser Welt

Wollte dies einer? NEIN

Ernst-Günther Konrad | Fr., 19. April 2024 - 12:46

analog zu Obelix, werden die Denken: " Die spinnen die Deutschen." Uns Vorschriften machen, ihren Lebensstil aufzwingen wollen und dabei die eigene Wirtschaft gegen die Wand fahren. Unseren Führer XI öffentlich einen Diktator nennen und das schlimmste tun, was man Chinesen gegenüber tun kann. Nämlich sie öffentlich das Gesicht verlieren lassen. Da hat Baerbock das letzte chinesische Porzellan zerschlagen. Mir ist das inzwischen aber auch egal, was andere Länder denken. Diese Ampel Regierung hält sich nach wie vor für hervorragend und klasse. Und lt. Verfassungsschutz sollen wir nicht kritisieren und delegitimieren, sondern brav, wie die Chinesen auch, alles anbeten, was von der Regierung kommt. Amen. Es gibt einfach nicht genug Psychotherapeuten, um diese Politiker zu behandeln.

Henri Lassalle | Fr., 19. April 2024 - 15:13

gegenseitige Vertrauensbasis".
So einfach ist es nicht. Zwischen Deutschland und Frankreich gab es bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges einen regen und engen Austausch zwischen den beiden Ländern, kulturell wie auch wirtschaftlich - und dennoch kam es zur Katastrophe. Andererseit war die Gründung der Montan-Union, die spätere EU nach 1945 eine geniale Initiative: Man profitierte von einander statt sich zu bekriegen. Aber garantiert sind solche Konstellation im Allgemeinen nicht.
China versucht eine "Samtpfötchen-Politik", die nichtsdestoweniger knallhart auf Hegemonie ausgerichtet ist, zumal sich die chinesische Führung überzeugt zeigt, dass der "chinesische Weg" das universelle Topmodell sei.

Axel Gerold | Fr., 19. April 2024 - 17:33

Die Populismus-Kritik im Schluss des Artikels kann ich nicht nachvollziehen. Der Links-Populismus wird selten als solcher benannt. Und der Rechts-Populismus alias Nationalismus wird von einer kulturrelativistischen Partei vertreten, die insbesondere gegenüber den Großmächten eine realistische Haltung Deutschlands befürwortet, um es einmal sehr diplomatisch, aber die Haltung korrekt wiedergebend auszudrücken. Von welchen Populisten / Nationalisten, die gegenüber China „einen auf dicke Hose machen wollen“ spricht der Autor?