Helge Schneider mit Sombrero
Die dunklen Jahre, da Nichtmexikaner einfach so mit Sombrero auftreten konnten, sind zum Glück vorbei / dpa

Cultural Appropriation auf der BUGA - In Mannheim fällt ein Sack Sombreros um

Ein Rentnerinnen-Ballett sollte nicht auf der Bundesgartenschau auftreten dürfen - weil dessen Kostüme nicht kultursensibel seien. In einer Krisensitzung wurde nun ein Kompromiss gefunden: Die Sombreros müssen weg, die Ponchos dürfen bleiben. Und aus Pharaonen werden Arbeiterinnen. Ob das die Kulturkrieger zufriedenstellt?

Autoreninfo

Gideon Böss ist Roman- und Sachbuchautor und hat unter anderem über Religionen in Deutschland und Glücksversprechen im Kapitalismus geschrieben.

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Es gibt diese „Was wäre wenn“-Momente der Weltgeschichte. Historiker und Schriftsteller lieben es, sich in ihnen zu verlieren. Was wäre, wenn die Trojaner auf die Annahme verdächtig großer Geschenke verzichtet hätten? Was wäre, wenn Caesar auf seine Frau gehört hätte, statt in den Senat und damit die Arme seiner Mörder zu eilen? Was wäre, wenn Napoleon bei Waterloo gewonnen hätte, Hitler im Ersten Weltkrieg gefallen und Stalin als Dschughaschwili georgischer Nationaldichter geworden wäre? Seit dem April 2023 beschäftigt ein weiteres Szenario die klugen Köpfe dieser Welt. Was wäre gewesen, wenn das AWO-Ballett auf der Bundesgartenschau in Mannheim mit Sombrero auf dem Kopf aufgetreten wäre? Zum Glück konnten die aufmerksamen Organisatoren rechtzeitig einschreiten und eben diesen Auftritt der rüstigen Seniorinnen verhindern. Und doch ist es erschreckend, wie knapp die Welt an einem verantwortungslosen Sombrero-Einsatz durch ältere Frauen vorbeigeschrammt ist.

Die AWO-Damen wollten im Rahmen ihrer „Weltreise in einem Traumschiff“ übrigens nicht nur mexikanische Hutkunst vorführen, sondern unter anderem auch Kimonos und Saris überstreifen, Flamenco-Tänzerinnen und Matrosen imitieren und an einer Stelle sogar in die Rolle von Pharaonen schlüpfen. Zum Glück durchschaute die Bundesgartenschau das falsche AWO-Spiel und verbot kurzerhand die Hälfte der Kostüme, da sie klischeehaft seien und sich der kulturellen Aneignung schuldig machen würden. Das könnte Menschen in ihren Gefühlen verletzen, wurde zu Recht befürchtet, oder vielleicht auch nur einen einzigen Menschen. Und wenn es selbst den nicht gibt, verletzt es zumindest stellvertretend die Gefühle der Leitung der Bundeskartenschau, und die sind ja auch schützenswert.

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Dana Winter | Mi., 19. April 2023 - 15:16

Wäre das Ganze nicht ernst gemeint, würden sich nicht einige erwachsene (?)BUGA-Organisatoren mit derartigem Nonsense befassen, dann wäre es nur eine lustige Geschichte aus Absurdistan, über die man lachen könnte. Aber so....Ich hoffe doch sehr, dass nun eine Prüfung beginnt, ob auch nur einheimische Pflanzen bei der BuGa gezeigt werden - ansonsten wäre es kulturelle Aneignung fremder Flora.
Auf jeden Fall danke für den Beitrag, auf den ich ganz humorlos reagiere: Ich gehe nicht zur Bundesgartenschau.

Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.

Was wohl bei heutigen, dummen Vorstellungen und Diskussionen im Bereich "kulturelle Aneignung", schon die Intelligenz von Schafen beleidigen würde.

Kultur lebt von Austausch und frei von puristische Keulen, Hexenverfolgung und Sündenbock-Jagd.

Da auch die Kartoffel aus Südamerika stammt, müssen wir Selbige auch vom Speiseplan entfernen.
Gibt es schon Ersatz...

... ich verstehe Ihre Verärgerung, bei mir kommt spontan sogar Wut hoch. Aber was ICH statt eines - wie Sie selbst schreiben - humorlosen Boykotts gut fände (warum soll ich mir von ein paar Hanswurstenden so eine Gartenschau verderben lassen?!) wäre eine über die ganze Dauer der Schau nicht abreissende, breite Welle kostümierter Besuchender, mit Sombreros, Kimonos, arktischer Rentierfellkleidung und/oder Lendenschurzen, auch Männer mit Cowboyhüten zu Lederhosen und weißen Tennissocken in Birkenstocksandalen oder Frauen mit buntscheckigen Fantasiedirndln und Nikab-Gesichtsschleiern wären doch lustig, würden diesen vernagelten Schwachsinn köstlich konterkarieren, beste Stimmung unter den Besuchenden erzeugen und auf die Berichterstattung dürfte man gespannt sein. Diesen Dösbaddeln darf doch nicht immer durch Rückzug das Feld überlassen werden, oder?

die "Besuchenden"? Genau das, Herr Keller, ist das Problem. Und offensichtlich merken Sie es nicht einmal. Sicher meinten Sie neben "Hanswurstenden" auch die "Dösbaddelnden"? Vllt haben Sie ja aber die Kennzeichnung "Ironie" vergessen?

Hans-Jürgen Müssig | Mi., 19. April 2023 - 15:58

Seit gestern sind hier die Medien in Aufruhr. Teils sachlich und gegen die Verbotspolitik der links-grünen Besserwissen und Ideologen (auch Idioten genannt). Köstlich dieser Beitrag und hoffentlich versteht auch jeder in dieser ach so trostlosen und humorlosen Gesellschaft die dahinter steckende satirische Häme. Mittlerweile, mein Eindruck, befindet sich Deutschland zum Lachen sowieso im Keller.

Bernd Windisch | Mi., 19. April 2023 - 16:02

Spießer und Idioten, die keinerlei Aufmerksamkeit verdienen. Es wäre schön, wenn diese Meinungsterroristen einmal mit Namen und Gesichtern bloßgestellt würden. Wie lange wollen wir uns eigentlich noch von dieser lauten Splittergruppe den Diskurs bestimmen lassen?

Die Sombrero-Causa ist vorauseilender Gehorsam. Die Buga hat das verändert, um nicht nach der Tanzveranstaltung in die Kritik zu geraten. Es gibt weder Gesetze noch Regelungen, die man brechen würde. Es wird unspezifierten Gefühlen Unbekannter Genüge getan. Da Gefühle individuell und insbesondere unbekannt sind und bleiben, kann man damit Menschen in ihrem Lebensalltag beeinträchtigen, einschränken und lenken. Es gibt die Gesichter dieser Entwicklung nicht. Es gibt die Entbildung einer vormals aufgeklärten Gesellschaft. Heute wird an Schulen gelehrt, wie man Eisbären und Klima rettet und wie schön es sei, mit nicht produzierter Energie ausreichend Elektrizität herstellt. Ähnlich wurschtelten die frühen Kommunisten in der Sowjetunion herum, weil man glaubte, mit gutgemeint idealistischen Phantasien satt zu werden.

Achim Koester | Mi., 19. April 2023 - 16:06

dass die Veranstalter, egal wer und wovon, keinen A... in der Hose haben und vor solchen fanatischen "Aktivisten einknicken". Aus Angst vor aggressiven Störaktionen? Wofür haben wir eigentlich unsere Sicherheitsorgane, wenn nicht zum Schutz vor solchen Wahnsinnigen??

Christian van der Ploeg | Mi., 19. April 2023 - 16:31

Herr Böss,
Wie sagt der Kölsche? Heeeerlisch. Auch wenn der Ursprung eher Anlass zur Trauer ist, heeerlischer Kommentar, der die Absurdität noch mehr ad absurdum führt, als sie diese Aufmerksamkeit verdient. Bitte mehr davon!,

Osvaldo Pugliese | Mi., 19. April 2023 - 16:45

Es kostet Überwindung bei diesem Vorfall sachlich zu bleiben. Zu stark drängen sich Fragen auf wie: „Werden die Menschen immer ignoranter?“ „Was ist die Ursache für den exponentiellen Schwund an Urteilskraft?“ Etc. Dennoch hier ein Erklärungsversuch: Vielleicht haben die Verantwortlichen für die Ablehnung der „Weltreise“ im Original ihre Entscheidung für genau so absurd und sinnfrei gehalten, wie ich es tue, aber wer riskiert einen Shitstorm, bei dem die Medien ganz weit vorne sind, so dass die Verantwortlichen um ihren Job und darum um ihre Existenz bangen müssen? Dann doch lieber einen vermeintlich moralisch- und politisch-korrekten Unsinn raushauen. Sicher ist sicher. Mehr Sachlichkeit kann ich nicht beitragen. Jetzt kämen so Dinge wie: „Die brauchen Mal eine krasse Krise, die ihnen zeigt wo der Hammer der Realität hängt.“ Aber auf das Niveau möchte ich mich nicht begeben.

Ingo Frank | Mi., 19. April 2023 - 16:52

Wenn man glaubt der buntländische Irrsinn, angeführt von den Grün Roten Moralaposteln und Heilsbringern ist nicht mehr zu tippen, wird eine neue Sülze dieser Irren vermeldet.
O.k. der 11.11. und d. Aschermittwoch ist vorbei, aber in einem 1/2 Jahr beginnt die Faschingszeit. Werden als nächstes jegliche Kostümierung und die roten Pappnasen verboten weil sich in klein, Klein- Kleckesdorf sich eine „Tussi“ oder ein „Tusserich“ sich „diskriminiert“ und möglicherweise „ in seiner Ehre verletzt“ fühlt? Wo ist der Irrsinn‘s nächste Steigerung ? ?
Man möge es mir nachsehen, ABER , Deutschland hat offene Grenzen, und niemand wird gezwungen in diesem zu leben. Es kann nicht sein, dass eine verschwindend geringe Zahl an Fanatikern, der über, über übergroßen Mehrheit ihren Willen & und ihre Ideologie aufdrängen kann. Diese BUGA in Mannheim sollte boykottiert werden. Und das H.Lenz ist keine Aufforderung die Demokratie zu stürzen, im Gegenteil sie zu erhalten.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfu

Markus Michaelis | Mi., 19. April 2023 - 17:42

Die Debatte zur Aneigung scheint vielfältig, aber die allermeisten sind wohl nicht dagegen, dass man Anleihen bei anderen Gruppen, Ethnien, was auch immer macht, auch nicht, dass man andere parodiert. Niemand hätte etwas gegen Parodien auf Banker, FDP und viele mehr. Zentral scheint mir erstmal eine Einteilung der Menschen in Gruppen. Jeder Mensch gehört zwar je nach Frage zu vielen Gruppen, aber es gibt dominierende Kriterien - danach bin ich schwarz oder weiß, Migrant oder Mehrheitsgesellschaft oder sowas. Dann werden diese "Dominanzgruppen" fein in Hierarchien der Unterdrückung eingeteilt - was festlegt, wer wem was zu sagen hat und wer was darf.

Was soll damit besser werden - die Gesellschaft etwa? Ich sage Leuten wegen Nichtigkeiten ins Gesicht, welcher Gruppe sie angehören und was sie damit zu tun und zu lassen haben?

Bettina Jung | Mi., 19. April 2023 - 17:48

In alten Nachkriegsfilmen haben die älteren Leute die aufkommende Jazz, Rock- und Popmusik häufig als N.... Musik betitelt. Wir fortschrittlich und woke die Alten doch damals schon waren......

Riechfläschchen-Alarm erfolgreich ausgelöst liebe Frau Jung! Wollen Sie mich und die armen Veranstalter umbringen? Denn die würden auf der Stelle tot umfallen wenn der blondeste und deutscheste aller Barden "Schwarzbraun ist die Haselnuss, schwarzbraun bin auch ich, bin auch ich..." zum besten gibt ?!
Obwohl, je länger ich darüber nachdenke....? LG

Urban Will | Mi., 19. April 2023 - 17:52

dieses Land nicht noch eine historische Schande auferlegt hat. Wir haben wirklich schon genug Schaden angerichtet auf dieser Welt. Man stelle sich das mal vor. Deutsche Rentner mit Sombreros oder Kimonos. Unfassbar.
Nicht Merkel, sondern die Buga – Veranstalter sollten den höchsten Orden angehängt bekommen, den unser ach so gut gewordenes Land zu vergeben hat.
Und überhaupt. Wieso noch so eine Veranstaltung. Ok, die Blümchen fressen einiges von dem bösen CO², tragen also wieder zur Weltenrettung seitens dieses so guten Landes bei, aber bei Gott, die Besucher... Zu Tausenden werden sie anreisen. Mit Autos, Bussen, sogar Flugzeugen.
Alles fürchterliche Klimakiller, die zu verbieten längst überfällig ist. Es reicht doch, jedem Bürger pro Woche einen Ausgang – neben dem zur Arbeit, aber nur, wenn Homeoffice nicht möglich ist – zuzugestehen. Urlaub sollte selbstverständlich längst verboten sein. Aber wir lernen ja noch dazu. Ich freu mich drauf.

Sabine Lehmann | Mi., 19. April 2023 - 17:54

Herrlicher Kommentar, genau mein Humor, erinnert ein wenig an Ephraim Kishon. Der hätte zu Lebzeiten seine helle Freude an den irren Apologeten des Abendlandes gehabt.
Das ganze Leben ist doch eine einzige kulturelle Aneignung, und das ist auch gut so. Wo wären all die kulturellen Entwicklungen geblieben ohne Adaption, Inspiration und sogenannter kreativer "Aneignung". Zeugen diese doch immer von einer Wertschätzung oder eher Bewunderung für das kulturelle Schaffen Anderer. Wie man so etwas überhaupt negativ besetzen kann, wird mir, und einem Gott sei Dank Großteil der Menschheit (zumindest außerhalb von Germanien), für immer ein Rätsel bleiben! Diese nicht mehr ganz rund laufenden Homo Sapiens werden noch auf die Idee kommen, dass man zukünftig zur Verspeisung italienischer Kochkunst einen italienischen Migrationshintergrund nachweisen muss. Und für die "indigene Kartoffel" bleibt dann nur noch Kartoffelsalat;-) Authentisch, regional, saisonal, klimaneutral, glutenfrei, Laktosefrei..

Ernst-Günther Konrad | Mi., 19. April 2023 - 19:20

Es wäre konsequent gewesen, dass die Damen ihre Aufführung, trotz aller Mühen zuvor und trotz ihres persönlichen Engagements abgesagt hätten.
Stattdessen läßt man sich verbiegen. Mal sehen, ob nicht noch jemand an den Liedtexten etwas auszusetzen hat. Wurden die bereits zensiert? Diese Kulturfaschisten haben nur deshalb eine solche Bühne, weil unzählige Ja-Sager in diesem Land und desinteressierte Menschen alles mit sich machen lassen. Das hatten wir schon zweimal und immer wollte es hinterher keiner gewesen sein. Man habe ja mitmachen müssen? Wirklich?
Eigentlich müsste der Server der BUGA mit Protest lahmgelegt werden. Vielleicht hätten sich die Damen besser vor die Eingänge "geklebt" und auf ihre Not hingewiesen.
Wo bleibt der Aufschrei der Festbesucher? Wer so etwas nicht will sollte die BUGA meiden. Endlich Zeichen setzen, stattdessen devote Verbeugung einer durchgeknallten Veranstaltungsleitung. Was sind die Menschen in diesem Land noch bereit mit sich machen zu lassen?

Herr Konrad, recht haben Sie. Von mir gab es zwar keinen Aufschrei, aber ich habe an die BUGA folgende email geschrieben:
- "über Ihre Posse mit den älteren Damen und der Unterstellung der Aneignung fremder Kulturen anbei ein Artikel aus dem "Cicero". Folgerichtig zu Ihrem Diktat dürften Sie ja auch keine Pflanzen aus fremden Kulturen ausstellen.
Wer hat eigentlich bei Euch nicht alle Latten am Zaun???" -

Ihre Idee, der Server mit mails lahm zu legen, ist gar nicht so schlecht.

Jens Böhme | Mi., 19. April 2023 - 22:11

Wäre ein tief verletzender Affront, wenn im mexikanischen Urlaub Ausländer Sombreros den Mexikanern abkaufen und auf ihren Köpfen tragen. Wann sind die kulturellen Gefühle der Weißen verletzt, wenn Nichtweiße Jeans tragen, Japaner Euros in der Hand halten oder Afrikanerinnen ihre Haare blond färben?

Gisela Hachenberg | Mi., 19. April 2023 - 23:08

Es ist einfach nur Irrsinn, was in diesem Land passiert. Herr Böss, klasse geschrieben! Ich weiß nicht, ob die Rentnerinnen auf das Geld, das sie mit dem Auftritt verdienen, angewiesen sind. Bei dem niedrigen Renten-Niveau für Frauen in D könnte man davon ausgehen. Ich jedenfalls hätte auf den Auftritt, der ja zum Witz verkommt, verzichtet. Das wäre ein Zeichen gegen diesen Irrsinn gewesen. So aber wird es Nachahmer geben, die Auftritte, von wem auch immer und mit welchem Thema auch immer, versuchen zu verhunzen. Anders kann ich es nicht beschreiben.

Christoph Kuhlmann | Do., 20. April 2023 - 06:37

Ich sehe darin eine Retourkutsche des linken Sittenwächtermilieus, nachdem Sie sich auf der Documenta wohl oder übel vor den Karren der migrationskritischen Szene spannen lassen mussten. Dafür haben sie nun dem Traumschifftourismus eines ausgewischt. Früher hätte man von Kulturbolschewismus gesprochen ... die Feindbilder müssen sich halt neu sortieren, nach den Umbrüchen der letzten Jahrzehnte.