Ein Polizist steht mit einem Maschinengewehr vor dem Gebäude der jüdischen Talmud-Tora-Schule in Hamburg
Alltag in Deutschland: Die Schule der jüdischen Gemeinde Hamburg muss von der Polizei gesichert werden / picture alliance

Antisemitismus-Doku - Das Geschenk des Zweifels

Kolumne: Brief aus Tel Aviv. Nachdem die Bildzeitung die zurückgehaltene Dokumentation über Antisemitismus veröffentlicht hat, will die ARD sie nun doch ausstrahlen. Der Film ist einseitig. Doch wo bleibt der Ruf nach Ausgewogenheit, wenn Medien selbst judenfeindliche Ressentiments bedienen?

Autoreninfo

Die Schriftstellerin Sarah Stricker lebt seit acht Jahren in Tel Aviv. Ihr Debütroman „Fünf Kopeken“ (Eichborn) wurde unter anderem mit dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet, dem höchst dotierten Preis für ein deutschsprachiges Erstlingswerk, und wird derzeit in mehrere Sprachen übersetzt.

So erreichen Sie Sarah Stricker:

Vor ein paar Jahren war ich bei Tel Aviver Freunden zum Essen eingeladen; eine andere Deutsche sei zu Gast und kenne sonst niemanden, vielleicht könne ich ihr ja Gesellschaft leisten. Die andere Deutsche war Jüdin, ein paar Tage zuvor angekommen und überlegte, nach Israel auszuwandern. Einen besonders guten ersten Eindruck schien das Land nicht auf sie zu machen. Es war ihr zu heiß, zu dreckig, die Menschen zu laut, und: Warum um Himmels Willen verstünde denn niemand, dass man, bevor man in den Bus ein-, erst die anderen aussteigen lasse?

Dann erzählte sie mir von ihrem Sohn, der auf dem Pausenhof als „Judenschwein“ beschimpft würde. Davon, dass man ihm Schläge androhe. Erzählte, dass eine Lehrerin im Unterricht gesagt habe, Juden würden palästinensische Kinder ermorden, und die Stimmung danach so aufgeheizt gewesen sei, dass sie ihn ein paar Tage zu Hause behalten habe. 

Bestürzung, Betroffenheit, Beklommenheit

Ich hörte zu, war entsetzt, und da mich das Entsetzen nicht losließ, erzählte ich, wenn ich in den Monaten danach auf Heimatbesuch war, immer mal wieder von diesem Abend. Die erste Reaktion war meiner meist ziemlich ähnlich. Bestürzung, Betroffenheit, Beklommenheit. Aber wenn sich der Schock ein wenig gelegt hatte, folgte fast immer eins: Fragen. Unfassbar sei das, gerade in Deutschland, ganz klar – aber wo genau sich diese Schule denn befände? Ob es sein könne, dass die in einer Gegend mit besonders vielen Arabern läge? Woher die Mitschüler des Jungen überhaupt wüssten, dass er Jude sei? Man sehe ihm das doch nicht an. Habe er es womöglich selbst zum Thema gemacht? Vielleicht habe es auch gar nichts damit zu tun, wollten die anderen Jungs sich einfach prügeln, Kinder seien nun einmal grausam, Lehrer auch nur Menschen, die eben manchmal Unsinn redeten.

Vor allem aber wollten die Leute wissen, ob die Frau mit ihrem Sohn denn letztlich wirklich nach Israel gezogen sei. Das könne ich leider nicht beantworten, sagte ich, ich habe seit jenem Essen nichts mehr von ihr gehört. Ach so, sagten die Menschen dann und nickten in sich hinein. Aber auf ihren Gesichtern zeigte sich unverkennbar Erleichterung. Erleichterung darüber, dass es dann ja vielleicht doch nicht so schlimm gewesen sei, sich womöglich eine Lösung gefunden habe, eine einfache Erklärung, oder, noch besser, alles als Missverständnis entpuppt. Erleichterung, dass ein paar Zweifel zurück blieben, gerade genug, dass sie die Sache nicht gar zu ernst nehmen mussten. 

Sie waren erleichtert. Und ich war es auch, denn: Wenn sich ihnen so viele Fragezeichen aufdrängten – musste das nicht bedeuten, dass sie selbst von keinen vergleichbaren Vorfällen wussten? Dass meine Geschichte die Ausnahme war?

Alltäglicher Antisemitismus

Dann kam eine Delegation des niedersächsischen Landtags nach Tel Aviv; es gab einen kleinen Empfang, bei dem ich von der Kulturszene in Israel berichten sollte, und als wir danach beim Kaffee saßen, erzählte mir einer der Abgeordneten von seiner jüdischen Schwiegertochter, die bei Honorar-Verhandlungen für einen Lehrauftrag gesagt bekommen habe, sie solle froh sein, dass sie als Jüdin in Deutschland überhaupt arbeiten dürfe. 

Ich lernte eine Familie kennen, die mit ihren vier Kindern von Toulouse nach Ra‘anana gezogen war, weil sie sich nach dem Massaker an der jüdischen Schule, bei dem drei Schüler und ein Lehrer erschossen wurden, in Frankreich nicht mehr sicher gefühlt hatte. 

Ich traf eine in London geborene Studentin, die sich bei ihrer Fachschaft beschwert hatte, dass die Uni für Boykott-Veranstaltungen gegen Israel warb, worauf man ihr mitteilte, wenn ihr das nicht gefalle, solle sie doch „zurück in ihre Heimat“ gehen.

Alarmierende Zahlen

Unfassbar, sagten die Leute wieder, wenn ich auch davon erzählte. Aber könne es nicht sein, dass mir die Zahl der Vorfälle überproportional groß erscheine, weil ich durch das Leben in Israel schlichtweg mehr mit dem Thema zu tun habe?

Doch, sagte ich, das könne durchaus sein. Vielleicht ist mein Bild sogar in unfairer Weise getrübt, weil ich eben vor allem jenen begegne, die Europa den Rücken kehren, während die, die keinerlei negative Erfahrungen machen, seltener auf meinem Radar auftauchen. 

Aber wie viele Einzelfälle braucht es, bis ein Problem zum Problem wird? In einer Studie der EU Agentur für Menschenrechte (FRA) von 2013 beklagten drei Viertel der europäischen Juden einen Anstieg des Antisemitismus. Ein Viertel der Befragten sagte, sie seien in den vorherigen zwölf Monaten antisemitischen Angriffen ausgesetzt gewesen, vier Prozent berichteten von körperlicher Gewalt. Über die Hälfte gab an, im vergangenen Jahr mit der Äußerung konfrontiert worden zu sein, der Holocaust habe nicht stattgefunden oder werde übertrieben dargestellt.

Kein „relevantes Problem“

Trotzdem glauben 77 Prozent der Bundesbürger, Judenhass sei in Deutschland kein Thema, oder, wie es der vom Deutschen Bundestag eingesetzte Expertenkreis formuliert: „Während sich Jüdinnen und Juden einer wachsenden Bedrohung ausgesetzt sehen, nimmt die nicht jüdische Mehrheitsgesellschaft aktuelle Erscheinungsformen des Antisemitismus nicht als relevantes Problem wahr.“

Wahrscheinlich fand auch ich es deshalb mindestens mal befremdlich, als ich hörte, bei Arte läge seit Monaten eine Doku über Antisemitismus im Schrank, die der Sender zwar zusammen mit dem WDR in Auftrag gegeben habe, jetzt aber doch nicht ausstrahlen wolle. Die Begründungen, die dafür gegeben wurden (zu viel Nahost, handwerkliche Fehler, das kurzfristige Abspringen des arabischen Co-Autors) schienen vielen, auch mir, reichlich fadenscheinig. 

Dann machte bild.de „Auserwählt und ausgegrenzt. Der Hass auf Juden in Europa“ für 24 Stunden zugänglich. Als ich morgens mein Telefon anschaltete, hatte ich den Link schon von vier verschiedenen Freunden geschickt bekommen. Ich verschob, was ich eigentlich vorhatte, auf später, wollte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Vor allem wollte ich die Doku schnell genug sehen, dass ich sie im Anschluss mit Hinweis auf die wichtigsten Stellen an meine Familie weiterschicken könnte, an Freunde, an jenen Teil meines Bekanntenkreises, der keinerlei Verbindung zu dem Thema hat und sich von einer öffentlich-rechtlichen Dokumentation vielleicht eher überzeugen ließe, als von meinen Geschichten.

Der Film fällt durch

Ich saß da, Block neben mir, Stift in der Hand wie eine brave Schülerin. Aber spätestens nach zehn Minuten war klar: Den Film schicke ich niemandem. 

Dabei beinhaltet er durchaus sehenswerte Abschnitte, etwa, wenn er zeigt, mit welcher Naivität sich kirchliche Akteure teils vor den Karren antisemitischer Propaganda spannen lassen. Oder wenn Schüler in einem Pariser Vorort fast abgeklärt erzählen, mit Verlassen des jüdisches Viertels würden sie ihr Leben riskieren. 

Dennoch, wenn ich der Programmchef von Arte wäre, ich hätte den Beitrag in der jetzigen Form auch abgelehnt. Nicht, weil er den Fokus zu sehr auf Nahost legen würde – das Argument zeugt selbst nur davon, wie nötig wir eine solche Doku haben, weil offenbar überhaupt nicht verstanden wird, wie Antisemitismus in Europa heutzutage funktioniert. Tatsächlich lassen sich Judenhass und Israelhass nicht trennen.

Uralte Klischees

NEIN, nicht jede Israel-Kritik ist antisemitisch. Verurteilen Sie meinetwegen die israelische Regierung, den Siedlungsbau, den Umgang mit den linken NGOs, oder die linken NGOs selbst – das ist alles legitim. Aber wenn, wie etwa in Berlin während des Gaza-Kriegs 2014, Demonstranten „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“ rufen – ist das Israel-Kritik? Wenn Gruppen, die sich angeblich um das Wohl der Palästinenser sorgen, einen Aufruf ins Netz stellen, in dem es heißt „Kommt mit Schlagstöcken, Feuerlöschern und Granatwerfern! Kommt zahlreich, es geht zum Judenviertel von Sarcelles“ (jenes Viertel, in dem besagte Schüler leben), wenn diese Gruppen vom Bahnhof aus direkt zur örtlichen Synagoge marschieren, wo sich über Stunden hinweg bürgerkriegsähnliche Szenen abspielen – sehen die Verantwortlichen bei Arte da keine Schnittmenge? 

Was auch immer Israel tut, europäische Juden werden dafür in Haftung genommen. Genauso sieht sich Israel regelmäßig mit uralten antijüdischen Klischees konfrontiert. Wo man im Mittelalter Juden bezichtigte, die Brunnen der Christen zu vergiften, behaupten heute „Israel-Kritiker“ wie die Linken-Politikerin Anette Groth, die Armee würde gezielt die Wasserversorgung Gazas zerstören. Im Dritten Reich hieß es „Kauft nicht bei den Juden“, heute fordert die BDS-Bewegung „Kauft keine israelischen Produkte“ (was passiert, wenn man Unterstützern des Israel-Boykotts Produkte aus dem Sudan, Iran oder Nordkorea anbietet, hat der Journalist Ami Horowitz in Irland vor einiger Zeit mal getestet).

Einseitige Berichterstattung

Laut des bereits erwähnten Expertenkreises des Bundestags sind 40 Prozent der Deutschen anfällig für den so genannten Israel-bezogenen Antisemitismus. Daher scheint es durchaus geboten, ein paar der gegen Israel gerichteten Argumente auf den Prüfstand zu stellen. Die beiden Filmemacher Joachim Schröder und Sophie Hafner haben sich das offensichtlich zum Ziel gesetzt. 

Um jedoch etwa die „Nakba“ – die Vorstellung einer massenhaften Vertreibung der Araber, die oft gar mit einem Völkermord gleichgesetzt wird – zu entkräften, lassen sie genau einen (!) Zeitzeugen auftreten, der erklärt, unter seinen Augen sei weder jemand vertrieben noch getötet worden, ergo könne von einer Katastrophe keine Rede sein.

Schröder und Hafner fahren in den Gazastreifen und reden mit Studenten über die Blockade. Aber von den Interviewten hat kaum einer ein böses Wort für Israel übrig. Einige verraten den Filmemachern gar, jenseits der Kamera wohlgemerkt, sie wünschten sich, Europa würde seine Finanzhilfen einstellen, damit die Hamas endlich stürze. Diese Stimmen mag es geben. Aber spiegeln sie wirklich die Mehrheitsmeinung wider? 

Oder nehmen wir das Thema UNRWA, das Hilfswerk der UN für palästinensische Flüchtlinge. Ja, die UNRWA bekommt Unsummen von Geldern, deren Verwendung meist im Dunkeln bleibt. Ja, gleichzeitig bewohnen Hamas-Granden riesige Villen. Aber reicht das, um in einem Format, das angeblich Vorgänge dokumentieren möchte, Spekulationen in die Welt zu setzen? Glauben die Filmemacher wirklich, es ließe sich etwas in Erfahrung bringen, indem sie den Sprecher des Hilfswerks anschnauzen, die Flüchtlingslager sähen aus „wie ein verdammtes Stück Scheiße. Wer ist korrupt? Wo ist das Geld?“ – was der Sprecher wiederum minutenlang so verständnisvoll und ruhig über sich ergehen lässt, dass ich ihm irgendwann automatisch zugeneigter bin, als dem Interviewer.  

Doku spielt Zweiflern in die Hände

Wenn ich der Programmchef von Arte wäre, ich hätte die Doku nicht gezeigt, weil sie genau das tut, was man sich bei dem Thema nicht erlauben darf: Sie macht dem Zuschauer das Geschenk des Zweifels, erlaubt ihm, sich damit zu beruhigen, dass vielleicht doch alles ganz anders ist, drängt ihn förmlich in die Gegenposition, weil sie selbst dort ein völliges Vakuum hinterlässt. Ich hätte die Doku nicht gezeigt, weil die beiden Autoren Hanns Joachim Friedrichs Credo „Mach dich nie mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer guten“ so völlig ignorieren, weil sie anscheinend überhaupt nicht verstehen, dass Objektivität kein Selbstzweck ist, sondern sie mit ihrer Einseitigkeit den Zweiflern in die Hände spielen, dass sie, wenn sie Organisationen angreifen und ihnen keine Möglichkeit zur Rechtfertigung geben, sich auch selbst die Chance nehmen, selbige zu entlarven.

„Wenn das kein handwerklicher Fehler ist, gibt es kein Handwerk“, schrieb dazu vor einigen Tagen Arno Frank in einem Text, bei dem ich nach fast jedem Satz genickt habe. Aber eins lässt sich dann eben doch nicht ignorieren: Erschienen ist dieser Text auf Spiegel Online – einer Seite, die selbst kein Problem mit Überschriften wie diesen hat: „Israel erwidert trotz Waffenruhe Beschuss aus Gaza“ Oder: „Palästinenser sterben nach Messerattacke in Israel“ (nur zur Klarheit: eine Messerattacke, die diese Palästinenser zuvor selbst verübt hatten). Ist diese Umkehrung von Täter und Oper auch Teil des Handwerks?

Medien bedienen selbst judenfeindliche Ressentiments

Wo waren die journalistischen Standards bei der ARD, als die „Tagesthemen“ Mitte August berichteten, Israel würde das Wasser für Palästinenser so stark rationieren, dass sich die Menschen in der Ortschaft Salit nicht mal mehr waschen könnten, „während (Kamera-Schwenk auf den jüdische Nachbarort) Siedlungen wie Schilo genug Wasser bekommen“. In Shilo selbst, wo aufgrund eines Rohrbruchs in der Hauptleitung, die beide Orte versorgt, ebenfalls Wasserknappheit herrschte, wird jedoch nicht gedreht. Die ARD erklärte dazu, wegen eines hohen jüdischen Feiertags sei das nicht möglich gewesen – allein: In den Wochen vor der Ausstrahlung gab es keinen Feiertag.

Glaubte man beim ZDF, es sei ein Zeichen von Ausgewogenheit, als 2014 zwei Araber mit Äxten Betende in einer Jerusalemer Synagoge niedermetzelten und Nicole Diekmann im „Heute Journal“ sagte, das sei „eine normale Reaktion“? Als sie, statt die trauernden Familien der Opfer zu zeigen, den Vater des getöteten Attentäters besuchte und dem Publikum erklärte, ihm sei das schlimmste widerfahren, was Eltern passieren könne, „der Tod des eigenen Kindes“. 

Oder bleiben wir beim WDR selbst. Erst im März strahlte der Sender die Doku „Holland in Not“ über den Rechtspopulisten Geert Wilders aus, die ziemlich unverhohlen die Vermutung aufwirft, hinter Wilders Islamhass stünden die Juden. Wann immer von seinen finanziellen Unterstützern die Rede ist, laufen Ultraorthodoxe durchs Bild, eine „Jewish Task Force“ wird aufgefahren, der Autor reist gar nach Israel, forscht nach zionistischen Einflüssen und zeigt uns Wilders an der Klagemauer. Hat sich da beim WDR niemand am Nahost-Bezug gestört? 

Ein paar gute Auswirkungen

Nun hat das Erste sich entschlossen, „Auserwählt und ausgegrenzt“ doch zu zeigen, nicht im WDR, sondern im Hauptprogramm, diesen Mittwoch um 22:15 Uhr. Ob die ARD wirklich zu dem Schluss gekommen ist, die Stärken der Doku würden die Schwächen überwiegen, oder man einfach nur den PR-Schaden begrenzen will – ich weiß es nicht. Genauso wenig, wie, warum man es nicht vorgezogen hat, den Film erstmal gründlich zu überarbeiten. Aber ein paar gute Dinge hat das Ganze vielleicht doch: 

1. Das Thema Antisemitismus bekommt endlich die Aufmerksamkeit, die es verdient, sehr viel mehr auf jeden Fall, als es ohne den Hickhack um die Ausstrahlung erfahren hätte. 

2. Das Einlenken der ARD zeigt: Protest kann wirken. Vor zwei Wochen habe ich an dieser Stelle geschrieben, dass viele Deutsche angesichts wachsender Spannungen erschöpft das Handtuch werfen und sich in Apathie flüchten. Eine ganze Reihe von Leuten hat mich nun eines Besseren belehrt und jede Menge Druck aufgebaut – mit Erfolg. Wenn das nicht ein bisschen Energie für künftige Kämpfe gibt, was dann? 

3. Die ARD hat angekündigt, dem Thema zusätzlich eine eigene Diskussionssendung zu widmen, in der unter anderem die handwerklichen Mängel zur Sprache kommen sollen – so viel über journalistische Standards wurde in Deutschland seit Jahren nicht mehr geredet. In Zeiten, in denen viele bei jeder ihnen nicht genehmen Meldung „Fake-News“ schreien, ist es sicher sinnvoll, die Arbeitsweise mal ein wenig zu beleuchten. Aber vielleicht schaut ja auch der eine oder andere Journalist selbst zu, erinnert sich daran, wie schnell man sich von vorgefertigten Meinungen lenken lässt, fragt sich beim nächsten Beitrag wenigstens ganz kurz, wie sehr er womöglich seinen eigenen Vorurteilen aufsitzt.

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Michaela Diederichs | Di., 20. Juni 2017 - 17:02

Danke für Ihren klugen Artikel. Über Antisemitismus wird erstaunlich selten berichtet. Ständig lese ich nur etwas über den Islam und Kritik am Islam. Was läuft da bei den Journalisten, aber auch in der Politik falsch? Es ist nicht verkehrt, hin und wieder einmal in die Jüdische Allgemeine zu schauen.
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28897

Meiner Ansicht nach haben wir es mit 3 Kategorien des Antisemitismus zu tun:

1. Religiös-kultureller, territorialbezogener Antisemitismus im arabischen Raum,
welcher historisch religiös bedingt ist und verstärkt wird dadurch, dass ein
demokratischer Staat innerhalb kurzer Zeit im islamisch dominierten
Raum Weltniveau erreicht hat und seinen Anrainern ihre Rückständigkeit
vor Augen führt.
2. Links- Antisemitismus, welcher sich speist aus der Solidarität zu den
Islamischen Gesellschaftsformen hinsichtlich Kollektivismus und
Antikapitalismus sowie aus der Auffassung einer kulturell nicht in den
Sozialismus integrierbaren Gruppe.
3. Rechter Antisemitismus in NS- Tradition mit Verschwörungstheorie zur
drohenden, unheilvollen Weltherrschaft der Juden

In Medien wurde bisher überwiegend Punkt 3. thematisiert.
Wenn nun in einer(!) Dokumentation die 2 ersten Punkte gebracht werden, stellt dies nur die Ausgewogenheit wieder her.

Weiter unten in den Kommentaren habe ich einen Link eingestellt, der Ihre Thesen durchaus bestätigt. Ich habe früher eigentlich nur mit "halben Ohr" zugehört bei ARD und ZDF und relativ unkritisch die Leitmedien gelesen. Seit Herbst 2015 stelle ich alles in Frage, was dort berichtet (oder nicht berichtet) wird. Inzwischen lese ich mich quer durch alles Medien bis hin zur "Jüdischen Allgemeinen". Bei der sogenannten "linken" Presse,die ich früher ausschließlich konsumiert habe, bin ich inzwischen sensibilisert und teilweise alarmiert.

Henrik Engel | Di., 20. Juni 2017 - 18:06

Sehr guter Beitrag! Auch ich bin der Meinung, dass viel zu oft in der Nahostfrage einseitig berichtet wird. Leider bin ich (noch) nicht genug informiert um mitreden zu können. Den Link von Michaela Diederichs werde ich anklicken. Ich denke, dass beide Seiten (Palästina sowie Israel) in der Vergangenheit gelitten haben. Aber es ist schon erstaunlich, dass vom Westen ein "Staat" unterstützt wird (Palästina), von dem niemand so genau weiß, wer dort das Sagen hat. Zumindest eine der Parteien im Land ist nun mal eine Terror-Organisation.

Wir müssen zwischendurch nur einmal den Mut haben, unseren Blickwinkel zu ändern, unsere Abos zu kündigen und die Dinge beim Namen zu nennen, dann wird alles irgendwie leichter. In diesem Artikel geht es um islamistischen Judenhass. Islamistisch ist ein Kunstwort. Islamischer Judenhass wäre aus meiner Sicht korrekt. Oder sind die meistens Muslime Islamisten? Das könnte mich beunruhigen. Wie heißt es in dem Artikel: "Größere Angst macht vielen von ihnen aktuell der islamistische Extremismus und der Zuwachs von Flüchtlingen aus arabischen Ländern, in denen Antisemitismus Staatsideologie ist und wo Judenhass gleichsam mit der Muttermilch aufgesogen wird." Aber wo Antisemitismus Staatsideologie ist, herrscht dann im Umkehrschluss Islamismus, oder wie jetzt? Ich tue mich manchmal sehr schwer mit diesen Definitionen. Klärt mich einer auf?

https://www.welt.de/politik/deutschland/article165807742/Nur-einer-bene…

Ralf Altmeister | Do., 22. Juni 2017 - 12:58

Antwort auf von Michaela Diederichs

Wir können leider in allen islamisch geprägten Ländern eine Zunahme des religiösen Fundamentalismus und eine immer stärkeren Verflechtung von Religion und Staat feststellen(als aktuellstes Beispiel ist dies in der Türkei zu beobachten).
Dies bedeutet, dass der Islam nicht nur als eine spirituelle Glaubensrichtung zu sehen ist, sondern zunehmend als ein Instrument politischer Ideologie mißbraucht wird für Expansion und Vorherrschaftsansprüche. Dieses Ziel benötigt Feindbilder und sie werden gefunden in Israel und dem Westen, die mit ihrer Modernisierung und Säkularisierung die Fundamente des Islam erschüttert haben.
Die Radikalisierungspraxis von Attentätern zeigt, dass der Übergang vom scheinbar angepassten, gläubigen Muslim zum Extremisten nur ein kurzer Weg ist, wenn, inspiriert durch die politischen und geistlichen Führer sowie persönlicher Umstände, eine Umpolung stattfindet.
Interessant dazu:http://www.deutschlandfunk.de/terror-radikalisierung-als-form-der-selbs….

Ingbert Jüdt | Di., 20. Juni 2017 - 18:39

"... stinkt zum Himmel wie ein verdammtes Stück Scheiße! Wer ist korrupt? Wo ist das Geld?"

Wer mag es denn verdenken, wenn wiederum auch die Kritik an unseren Medienschaffenden in solchen Formen geäußert wird? Aber da gelten dann auf einmal zweierlei Maßstäbe.

Gerdi Franke | Di., 20. Juni 2017 - 19:14

Hier wird immense Werbung für einen Film gemacht mit dem irgendjemand doch nur meint Preise kassieren zu können. Das Thema ist ja darauf gemünzt.

Boris von der Linde | Di., 20. Juni 2017 - 19:40

Ich habe die Doku auch an dem Tag des Erscheinens auf der BILD Seite gesehen. Wenn auch bei anderen Dokus und Artikeln diese bzgl. des Beitrags angemahnten Standards angelegt würden, dann fände ich die Diskussion ok. Da das aber nicht der Fall ist und beim Thema Israel in ARD/ZDF, Spiegel, ZEIT, FAZ und co sehr viel "gemeint" und nur wenig "berichtet" wird, halte ich die Diskussion für unfair. Darüber hinaus: Der Film zeigt Aspekte, die im linken Spektrum nicht politisch korrekt sind. Er zeigt unverhoffte Szenen aus Gaza (was Herr Todenhöfer angeblich nur durch Tunnel betreten konnte), die leider nicht in das typische Schema der klassischen anti-israelischen Berichterstattung passen (Zitat Todenhöfer zu Gaza: "Dem Land der Verdammten dieser Erde"). Ehrlich gesagt weiss ich allein nach den wenigen Szenen dieser Doku nicht, wie Herr Todenhöfer sich zu einer derartigen Behauptung über Gaza versteigen kann. In der Art gibt es viel Erhellendes in dieser Doku. Mein Urteil: Daumen hoch.

Jasmin Schuler | Di., 20. Juni 2017 - 21:59

"Mach dich nie mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer guten" - trifft es genau. Die Regisseure erweisen ihrem Anliegen einen Bärendienst, wenn sie so tun, als habe Israel eine blütenweiße Weste. Natürlich hat der Staat auch Fehler gemacht, genauso wie jeder andere auf der Welt. Aber bei keinem anderen Land wird derart mit zweierlei Maß gemessen. Die Beispiele, die die Autorin nennt, sind nur einige von vielen. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere ja auch an die Logo-Sendung, in der es hieß, in Israel würde Kindern beigebracht, Palästinenser zu töten. Es ist mir ein Rätsel, wie sowas über den Sender gehen kann, ohne dass jemand einschreitet. Höchste Zeit, dass jemand auf diese Heuchelei hinweist. Danke Cicero für solche Texte!

Gad Israel | Mi., 21. Juni 2017 - 01:26

Zitat aus dem Artikel hier: „Erschienen ist dieser Text auf Spiegel Online – einer Seite, die selbst kein Problem mit Überschriften wie diesen hat: „Israel erwidert trotz Waffenruhe Beschuss aus Gaza.“

Vor einigen Jahren habe ich unter meinem Namen im Spiegel Forum einen Beitrag über das Schicksal meiner Mutter veröffentlicht, die dem KZ – mit viel Glück und mit viel Anpassungsfähigkeit ihres Vaters - entgangen ist. Auf diesen meinen Beitrag gab es selbstverständlich einige Antworten bei spon, keine einzige aber war auch nur ansatzweise mitfühlend, u.a. möchte ich aber explizit den nachfolgenden Beitrag (Rechtschreibfehler korrigiert) erwähnen: „Hätte man ihre Mutter ins Gas geschickt könnten Sie hier nicht so einen Scheiß veröffentlichen.“

Der Beitrag wurde nicht gelöscht, auch nach mehrmaliger Beschwerde bei spon meinerseits nicht, selbst unter Androhung juristischer Schritte, wurde er nicht gelöscht.

Michaela Diederichs | Do., 22. Juni 2017 - 20:39

Antwort auf von Gad Israel

Ich habe früher, also vor September 2015, nie Leserzuschriften oder Kommentare gelesen, geschweige selbst kommentiert. So einzementiert war ich in meiner kleinen, muggeligen, beschaulichen Welt. Heute können Sie sicher sein, dass ich schreiben würde. Unfassbar.

Gad Israel | Sa., 24. Juni 2017 - 01:17

Antwort auf von Michaela Diederichs

Ja, unfassbar... Das Unfassbare kann einen offensichtlich ein Leben lang verfolgen, selbst die Generation(en) kann es verfolgen, die das Unfassbare selbst nicht erleben mussten, wie ich.
Meine Mutter (und ihr Schwester, meine geliebte Tante) haben es überlebt. Für dieses Überleben aber haben diese beiden tapferen und aufrichtigen Frauen sich dann ein Leben lang, fast bis zu ihrem Tod, vor der perversen Frage rechtfertigen müssen: Weshalb habt gerade ihr beiden das überlebt, und so viele andere mussten sterben!?
Das Unfassbare kennt offenbar kein Ende...weder in der Sprache, noch im Leben.

Michaela Diederichs | Mi., 28. Juni 2017 - 23:37

Antwort auf von Gad Israel

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28895
Die Prioritäten in Deutschland sind anders besetzt. "Ehe für alle" muss durchgepeitscht werden. "Antisemitismus, vor allem in seiner israelfeindlichen Spielart, ist unter Muslimen in Deutschland besonders weit verbreitet." Ich kann Ihnen keine Trost geben - weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft. Und Mut machen kann ich Ihnen leider auch nicht. Ich versuche gerade mir selber Mut zu machen. Das fällt mir sehr schwer. Was für eine bleierne Zeit.

Gad Israel | Fr., 30. Juni 2017 - 23:18

Antwort auf von Michaela Diederichs

Es benötigt manchmal gar keinen Mut, um das Richtige zu tun.
So wie der Regen den Fluss benötigt, um ein Meer zu werden, benötigt das Mitgefühl den Mitfühlenden -
Ein Mitfühlender ist mir allemal lieber, als ein Heer von Mutigen.
An Mutigen jedenfalls mangelte es in dieser Welt nie...

Michaela Diederichs | Di., 4. Juli 2017 - 18:55

Antwort auf von Michaela Diederichs

Wir werden nicht nur wachsam sein, wir werden auch weiterhin mitfühlend sein. Und was den SPIEGEL betrifft: den lassen wir einfach links liegen - da gehört er hin.

Andreas Ulbrich | Mi., 21. Juni 2017 - 08:07

aber "von hinten durch die Brust ins Knie". Vom journalistischen Handwerk werde ich mir heute Abend endlich einen Eindruck machen. Es ist aber erst mal wichtig, dass die Fakten auch in der ARD mal benannt werden. Soeben sehe ich im ZDF-Moma ein Interview mit dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland um Antisemitismusbericht des DB. Und Worte wie Islam oder Migration fallen da nicht. Im (wirklich) nächsten Beitrag erklärt uns sein muslimisches Pendant, dass Ramadanfasten für 10jährige bei Temperaturen über 30° ganz normal seien.
Der Bundeskanzler Adenauer sagte mal er schütte kein schmutziges Wasser weg, wenn er kein sauberes habe.

Thomas Radl | Mi., 21. Juni 2017 - 08:39

Ich habe mir die Doku bei BILD angesehen und trotz Ihres lesenswerten Artikels bleibe ich bei meiner Meinung: Ich vermute, die nach ARTE und WDR (nicht benannte,) schlimmste Verfehlung ist das Fehlen jeglichen Hinweises auf die AfD und den Popanz der "rechten Gefahr" in Deutschland! Dort ist gefälligst der Judenhass zu verorten und nicht bei den lieben Linken im Lande!
Der Verstoß gegen Hanns Joachim Friedrichs Credo „Mach dich nie mit einer Sache gemein, ...“ soll der Hauptgrund sein, warum man die Sendung nicht hätte zeigen wollen? In vielen Medien kann man von diesem Credo (trotz womöglich einer journalistischen Auszeichnung mit dem nach jenem benannten Preis), mitunter kaum noch etwas erkennen. Gelegentlich weh tut das, wenn man die Nachrichtensendung sieht, die er einst moderierte und wo er bekannt wurde: "ZDF heute". Wenn ein Verstoß dagegen handwerklicher Mangel sein soll, der nicht zur Ausstrahlung führt, möchte ich nicht Journalist sein! Dann fehlt denen ja jede Orientierung!

Dr. Roland Mock | Mi., 21. Juni 2017 - 10:02

Ich finde, daß Frau Stricker das schwierige Thema ausgewogen beleuchtet hat. Dennoch: Ich habe den Film bei You Tube gesehen und würde jedem empfehlen ihn zu sehen. Es ist einfach zu wenig bekannt, daß sich hinter der in der Linken weit verbreiteten "Solidarität mit dem Volk von Palästina" nicht Humanismus, sondern subtil politisch instrumentalisierter Judenhass verbirgt. In welchem Maß, das war, da ich mich in den üblichen Netzwerken der ganzen vorgeblichen Weltverbesserer nicht aufhalte, selbst mir nicht bekannt. Gucken, dann selbst urteilen.

Ursula Prem | Mi., 21. Juni 2017 - 10:44

Wer sich mit dem Thema selbst bisher wenig beschäftigt hat, neigt erfahrungsgemäß mehrheitlich dazu, die Geschichte vom geknechteten Palästinenservolk zu referenzieren, sobald die Rede auf den Nahostkonflikt kommt. Der Grund dafür ist ganz einfach: Einseitige Berichterstattung zu Lasten Israels hat eine derart lange Tradition, dass diese Lesart an niemandem vorbeigegangen ist. Journalistische Standards oder auch nur der gesunde Menschenverstand befanden sich seit Jahrzehnten im Tiefschlaf, was niemanden besonders zu stören schien, so lange nur die gewohnte Richtung stimmte.

Der in meinen Augen großartige Film »Auserwählt und ausgegrenzt« hat die undankbare Aufgabe, in etwa 90 Minuten ein Gegengewicht zu alldem zu schaffen. Lang hat es gedauert, bis diese historische Chance sich auftat, der medienübergreifenden redaktionellen Linie endlich etwas entgegenzusetzen. Ich für meinen Teil sehe mir den Film heute nochmals an und hoffe dringend, dass nichts an ihm verändert wurde.

Karin Zeitz | Mi., 21. Juni 2017 - 14:16

ist in diesem Zusammenhang das Buch von Dieter Vieweger “Streit um das Heilige Land“ - Untertitel “Was jeder vom israelisch-palästinensischen Konflikt wissen sollte“. Erst nach Kenntnis der historischen Fakten kann man die heutigen Entwicklungen richtig einordnen. Auf jeden Fall verbietet es sich meiner Ansicht nach für Außenstehende, unbesehen die eine oder andere Partei zu diskriminieren. Die Menschen in Deutschland sind in der Pflicht, die hier lebenden Menschen jüdischen Glaubens vor jeder Art von Diskriminierung, Hetze und Gewalt zu schützen, egal ob sie die Politik des Staates Israel für richtig oder falsch einschätzen.

Dr. Waltraud Berle | Mi., 21. Juni 2017 - 15:33

Ich habe - äußerst erleichtert - den Film in der Bild-Ausstrahlung gesehen. Häte nie gedacht,dass ich BILD mal dankbar sein würde. Jaja, das Handwerkliche - meine Güte, die Leute haben eine FLUT von infos, themen, Interviewpartnern auf 90 Minuten zusammengeschnitten. Jaja, das Schneiden von so viel Zeug kann einem schon mal die Schere ein wenig danebenrutschen lassen. Ich hätte - als Nicht-Antisemitin - die Autoren vermutlich zu Korrekturen gebeten und dann den Knaller losgelassen. Der Film ist nämlich ein Knaller - beleuchtet er doch ENDLICH MAL diesen Polit-Sumpf in den Palästinensischen Gebieten, diesen gehässigen Antisemitismus ("Juden ins Meer werfen"), der über die Jahrzehnte hinweg die sogenannten Verhandlungen zur Farce gemacht hat. Und den Antisemitismus sogenannter Linker bei uns - junge, oft kirchlich sozialisierte Wirrköpfe, helfersyndromleidende GerechtigkeitsfanatikerInnen in den christlichen Hilfsorganisationen, die alle Horrormeldungen nachplappern ohne Prüfung aber ..

Dr. Waltraud Berle | Mi., 21. Juni 2017 - 15:48

der schlagenden Argumentation "das sieht doch jeder denkende Mensch, der Internet hat" ... so eine intellektuelle Flachlage im evangelikalen "anti-Israelischen" Spektrum macht dieser Film endlich mal sichtbar. Nennt auch die Riesenzahlen, mit denen Sie und ich via EU sowie diverser christlicher Hilfsorganisationen den Antisemitismus fördern, weil man dort beschlossen hat, pro-palästinensisch zu sein.
Die heutige politische Correctness zickt verklemmt rum bei kleinsten Provokationen - die brauchen wir aber, um nicht einzunicken. Man kann Zuschauern zumuten, sich selber ein Bild zu machen. Ich halte es übrigens für möglich, dass der erwähnte Hans Joachim Friedrichs angesichts der restaurativen Atmosphäre unter der Rot-Schwarzen Regierung HEUTE gesagt hätte, dass es Journalistenpflicht sein kann, im Sinne klärender Vereinfachung auch mal einen alternativ-einseitigen Scherenschnitt abzuliefern. Statt des ewigen "einerseits-andererseits"-Geschwafels im Partei-Proporz-GEZ-Fernsehen.

Frau Dr. Berle,
Sie haben den Nagel, sowohl von der der Überschrift als auch vom Inhalt her, perfekt auf den Kopf getroffen. Ich wundere mich, warum der Film von manchen kritischen Zeitgenossen, wie Frau Stricker, so überkritisch gesehen wird. Selbstverständlich hat der Film ein paar handwerkliche Fehler. Na und?!

Angesichts dessen, was die ÖR-Anstalten zu diesem Thema an sogenannten "Informationen" anbieten, erscheinen mir Kritiken wie oben als kleinliche Mäkeleien.

Uwe Dippel | Mi., 21. Juni 2017 - 16:01

Finde ich nicht überzeugend.
Auch kann ich nicht durchschauen, was die Autorin eigentlich will. Der Film war ein Auftragswerk, abgedreht, und wohl auch abgenommen worden. Schaut sich der ARTE-Chef wirklich alles selbst an? Mich würden auch die internen Wege interessieren, wie der ARTE-Chef dazu kam, diese Sendung auszusetzen.

Eine ausgewogene Dokumentation hätte es stattdessen werden müssen? Wie viele ausgewogene Dokumentationen bekommen wir in diesen Tagen denn zu sehen?
Christoph Schwennicke hat sich schon über den Anfang ausgelassen. Auch da kann ich nichts Falsches sehen. Martin Schulz wird nicht einmal zitiert mit seiner angeblichen Bemerkung. Es kommt nur Abbas, der ausführt, dass die Welt nur friedlich sein kann, wenn es keine Juden gibt, und dem gegenübergestellt wird Streicher, der genau dasselbe sagt.
Natürlich sind da immer argumentative Lücken. Allerdings finde ich die wichtig, um das Denken anzuregen, und eine Selbstpositionierung vorzunehmen.

Martin Wessner | Mi., 21. Juni 2017 - 16:12

Ach naja, der ÖRR hat in der Vergangenheit 'zig Filme gezeigt, die teilweise noch einseitiger Partei für die Palästinenser/Muslime genommen haben, so dass es wohl gewiss kein Abbruch darstellt, wenn die ARD jetzt mal als Gegengwicht einen Film zeigt, der Partei für Israel/Juden nimmt. So kann, wenn auch ein wenig krumm, ebenfalls Ausgewogenheit hergestellt werden.

Zudem, bitte, die Dokumentation war nur 90 Minuten lang und konnte daher nicht wirklich bei allen Aspekten in die Tiefe gehen, sondern die Sache nur leidlich oberflächlich betrachten. Insofern ist bsw. die Kritik, dass bezüglich der "Nakba"nur 1(!) Zeitzeuge befragt wurde, durchaus berechtigt, aber doch auch unfair. Für 10 oder 20 Zeitzeugen würde man halt etwas mehr Sendezeit brauchen. Vielleicht hätte, man, um den Qualitätsanspruch der Autorin zu genügen, einen Vierteiler a' 90 Min. zu dem Thema produzieren sollen? Wäre gewiss keine schlechte Idee gewesen.

Gisela Zabka | Mi., 21. Juni 2017 - 18:30

Ein niedersächsischer Landtagsabgeordneter soll also erzählt haben, dass seine jüdische Schwiegertochter bei Honorar-Verhandlungen für einen Lehrauftrag zu hören kriegte, sie sollte „froh“ sein, „dass sie als Jüdin in Deutschland überhaupt arbeiten dürfe“.

Ich glaube kein Wort. Aber es dürfte nicht viele Landtagsabgeordnete mit jüdischer Schwiegertochter geben, also sollte der Mann vortreten und erklären, wer wo genau das gesagt hat, so dass man die betreffende Person zur Rechenschaft ziehen kann. So steht die ungeheuerliche Behauptung im Raum, dass Juden, weil sie Juden sind, in Deutschland nicht arbeiten dürfen.

Ansonsten stimme ich Sarah Stricker zu: Als ARTE-Programmchef hätte ich die Doku „in der jetzigen Form auch abgelehnt“, aber nicht wegen Einseitigkeit, sondern weil sie ihr Thema verfehlt hat. Vereinbart war eine Doku über „Den Hass auf Juden in Europa“, was man zu sehen kriegt, ist eine Doku in der Hauptsache über den Uraltkonflikt Israel/Palästina.

Sehr geehrte Frau Zabka,
danke für Ihren Kommentar. Ich bin die Autorin dieser Kolumne und möchte gerne die Gelegenheit ergreifen, zu Ihrer Nachricht Stellung zu nehmen.

Der im Text genannte „niedersächsische Abgeordnete“ hat mir freundlicherweise die Erlaubnis erteilt, seinen Namen zu nennen. Es handelt sich um Michael Hans Höntsch.

Wie ich Ihren Mails, sowohl an die Cicero-Redaktion, als auch an Herrn Höntsch persönlich, entnehme, hat letzterer dies Ihnen gegenüber ja auch schon freimütig eingeräumt. Die Geschichte, die er mir von seiner Schwiegertochter erzählt hat, ist kein Geheimnis. Vielmehr hat er dazu offen Position bezogen, unter anderem indem er bereits vor Monaten auf seiner Facebook einen von der Landeskirche Hannover veröffentlichten Bericht postete, den ich Ihnen gern ebenfalls zur Verfügung stellen möchte:

https://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/presse-und-medien/frontn…

Michaela Diederichs | Fr., 23. Juni 2017 - 13:52

Antwort auf von Sarah Stricker

Ganz herzlichen Dank für den Link, der m. E. gerne im Artikel hätte erscheinen können. Wir leben in einer sehr seltsamen Zeit, in der Dinge geschehen, die ich mir nie habe vorstellen können in D (siehe ersten Kommentar von Gad Israel). Lieber einen Link zuviel, als einen zuwenig.

Die Entscheidung, auf Nennung seines Namens im Text zu verzichten, war meine; er selbst war von Anfang an dazu bereit. Allerdings habe ich dazu keine Veranlassung gesehen, da der Text Antisemitismus im Allgemeinen behandelt und nicht das Ziel verfolgt, einzelne Personen herauszustellen.

Ihr Drängen auf ein „Vortreten“ scheint in meinen Augen zu implizieren, es gäbe hier einen Rechtfertigungsdruck. Einen solchen kann ich nicht erkennen.

Mit freundlichen Grüßen,

Sarah Stricker

Bert Busch | Mi., 21. Juni 2017 - 19:58

Eigentlich finde ich z. B. die Rezeptsendungen sehr toll. Aber die haben sich in ihrer PC vollkommen verheddert. Erst zwei ganze mainstream-Kommentare durchgelassen, dann die Kommentarfunktion gänzlich abgeschaltet, alles andere kam vorher auch nicht durch. Verzweifeltes Nudging der Beteiligten, geht jetzt ja nicht mehr, und "Mayday" an den WDR. Was müssen die alle für eine Angst haben! Ach ja, Dank für den Tipp auf Youtube, und an alle: könnt ihr ruhig gucken, könnt dann morgen mitreden, und tut nicht weh. Und wer "diskutiert" danach noch mal die handwerklichen Fehler? - Schönen Abend noch bei 90 min. Doku bei Chips und 'nem schönen Weizen!

ingrid Dietz | Mi., 21. Juni 2017 - 21:27

So langsam glaube ich das manche Menschen dafür plädieren, dass jedem Bürger ein Stempel mit seiner Religionszugehörigkeit auf die Stirn gedrückt wird.

Zumindest für mich gilt: Religion ist nichts weiter als anachronistischer Aberglaube !
Ich bin auch sicher, dass es ohne Religion garantiert viel weniger Krieg und Terror auf dieser Welt gebe - auf dieser Welt ginge es dann viel friedlicher zu !

Rudolf Bosse | Do., 22. Juni 2017 - 12:10

Antwort auf von ingrid Dietz

Sie sprechen mir aus der Seele!
Allerdings lassen Sie die Frage offen, ob jüdische Religion mehr ist als alle anderen Religionen.

Reinhard Preuß | Do., 22. Juni 2017 - 12:49

Antwort auf von ingrid Dietz

Ohne Religion viel friedlicher auf dieser Welt? Da wäre ich mir nicht so sicher. Die Top 3 der Massenmörder teilen sich immer noch die erklärter Maßen atheistischen „Herren" Hitler, Stalin und Mao.

Opferzahlen der katholischen Kirche in Europa in 2000 Jahren abendländischer Kultur des Katholizismus wurden systematisch leider niemals erfasst. Denn nicht jede Hexe und nicht jeder Ketzer, die verbrannt, gevierteilt und/oder geköpft wurde etc. - zumeist auf öffentlichen Plätzen in Europa und zur Belustigung aber vor allem zur Abschreckung - sind in die Geschichtsschreibung der katholischen Kirche und/oder der jeweilig Herrschenden der europäischen Staaten statistisch erfasst worden.

Ganz zu schweigen von den Opferzahlen der katholischen Kirche in Südamerika, Nordamerika, Südpazifik, Südostasien – etc. pp.
Die Opfer waren wohl alle zusammen genommen vermutlich unzählbar, um sie systematisch in einer Statistik zu erfassen.

Hans-Hasso Stamer | Mi., 21. Juni 2017 - 23:38

Der Film bringt den Zuschauer tatsächlich zum Zweifeln. Allerdings sehe ich das nicht als Nachteil an, sondern als Verdienst.

Wenn man sich nämlich die einseitige Berichterstattung über Israel der deutschen Medien ansieht, von denen Frau Stricker dankenswerterweise einige - es gibt noch mehr - Beispiele genannt hat, so ist dieser Zweifel dringend notwendig. Denn der Grundsatz des verdienstvollen Hanns Joachim Friederichs wird seit Jahren immer wieder mißachtet.

Ja, es ist anstrengend geworden, sich in unserer überinformierten Welt ein Bild zu machen. Die eigene Recherche ist heute aber leichter denn je, kostet allerdings Zeit und Nerven. Sie kann aber keinem völlig erspart werden. Ich bin sehr gespannt auf die Diskussion zu diesem verdienstvollen Film, der nicht einseitig ist, sondern endlich einmal andersseitig.

Dr. Lothar Sukstorf | Do., 22. Juni 2017 - 17:10

mal die Kirche im Dorf lassen. Bei uns bricht nicht während der nächsten zwei Minuten wieder der Nationalsozialismus durch! Und Israel und seine Menschen unterscheiden sich nicht von anderen Ländern und Völkern.