Donald Tusk / picture alliance

Kommunalwahlen in Polen - Ein Weckruf für die neue Regierung

Die PiS von Oppositionsführer Jarosław Kaczyński konnte bei den Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag einen Sieg erringen. Für die Regierung Tusk dürfte sich etwas mehr als ein Jahr vor der polnischen Präsidentenwahl dennoch nicht viel ändern.

Autoreninfo

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau, Moskau und Kiew. Zuletzt von ihm erschienen: „Lexikon für Putin-Versteher“.

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Für Oppositionsführer Jarosław Kaczyński ist die Sache klar: Seine Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) habe bei den Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag einen „großartigen Sieg“ eingefahren, die Polen hätten gezeigt, dass sie die seit Dezember amtierende Regierung unter seinem rechtsliberalen Erzfeind Donald Tusk möglichst schnell loswerden wollten. Nach all den Demütigungen der vergangenen Monaten, als die neue Regierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, einen Teil der staatlichen Betriebe sowie des Justizapparats von PiS-Seilschaften gesäubert hat, zeigte sich Kaczyński am Wahlabend bestens gelaunt. Tusk hingegen verhehlte seine Enttäuschung nicht, er hatte darauf gesetzt, dass die von ihm geführte Bürgerkoalition (KO) landesweit vorne liegen werde.

Doch die PiS verteidigte mit 33,7 Prozent der Stimmen knapp die Führung, die KO blieb 1,8 Punkte dahinter. Bei näherer Betrachtung hat Kaczyński allerdings wenig Grund zur Freude, und Tusk muss sich keineswegs grämen. Denn gegenüber den letzten Selbstverwaltungswahlen, wie sie in Polen offiziell heißen, hat die PiS einen halben Prozentpunkt verloren, Tusks Wahlblock aber fünf Punkte zugelegt. 2018 hatte die PiS noch in neun der 16 Sejmiken, den Regionalparlamenten der Woiwodschaften, die größte Fraktion gestellt, nun sind es nur noch fünf. Nach einer Simulation, in der die Stimmverteilung von Sonntag so dargestellt wurde, als hätte es sich um Parlamentswahlen gehandelt, haben sich die Kraftverhältnisse im Land nicht geändert: Die sehr heterogene Regierungskoalition aus KO, der Neuen Linken sowie dem Dritten Weg aus proeuropäischen Reformkatholiken um Parlamentspräsident Simon Hołownia und der konservativen Bauernpartei verfügt demnach weiterhin über eine klare Mehrheit im Sejm, die PiS hat nach dem Stand der Dinge keine Chance, so bald an die Schalthebel der Macht zurückzukommen.

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Stefan Jarzombek | Mo., 8. April 2024 - 15:31

Es ist genauso gekommen wie ich es prophezeit habe als Tusk ans Ruder kam.
Die PIS hat noch lange nicht fertig und im Bezug auf Reformen zieht Tusk in jedem Fall den Kürzeren.
Er ist zu sehr Europa, zu sehr hau ruck,das wollen die meisten Polen eben nicht.
Sieht der Pole doch wohin das alles in Deutschland führt,wenn es zu lax im Lande zugeht.
(liederlich · nachlässig · nicht ordentlich · schluderig · schludrig · unordentlich ● lax ugs. · pfuschig ugs. · schlampert ugs. , süddt. · schlampig ugs.)
So denke lässt sich die Politik von Tusk am besten beschreiben.

Johann Kowalski | Mo., 8. April 2024 - 17:01

"Nach all den Demütigungen der vergangenen Monaten, als die neue Regierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, einen Teil der staatlichen Betriebe sowie des Justizapparats von PiS-Seilschaften gesäubert hat ...". Das "gesäubert hat" vom Herrn Urban sagt alles, wo Herr Urban steht. Von Ecuador Verhältnissen im Präsidenten Palast kein Wort, auch von der Tusk Anarchie gegen die Verfassung. Was wäre, wenn in DE die Polizei hätte gewaltsam Bundestagabgeordnete aus dem Schloss Bellevue abgeführt, die auf den momentan abwesenden Staatspräsidenten warten?

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau ... für welche Zeitschrift? Trybuna Ludu?

FA | Mo., 8. April 2024 - 17:26

Nun, was soll man von einem Kommentar halten, der Sätze wie "eine Fristenlösung ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland" enthält.
Kennst Herr Urban eigentlich die deutsche Rechtslage. Eine Fristenlösung wurde in den 70ern eingeführt und umgehend vom Verfassungsgericht verworfen.

FA | Mo., 8. April 2024 - 17:28

"als die neue Regierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, einen Teil der staatlichen Betriebe sowie des Justizapparats von PiS-Seilschaften gesäubert hat"

So kann man sich diese Durchsetzung eigener Regierungsmacht in diesen Bereichen auch schön reden. Mir fällt dabei ein anderes Wort aus der deutschen Geschichte ein. Glei...

Gerhard Lenz | Mo., 8. April 2024 - 21:26

war schon bei der Parlamentswahl stärkste Partei. Tusk regiert als Chef einer Koaliitonsregierung. Auch bei den Kommunalwahlen erreichten die Koalitionsparteien zusammen die absolute Mehrheit.

Das gute Ergebnis der PiS mag überraschen: Die Partei ist dabei, sich selbst zu zerlegen.

Rechtsgerichtete Parteien scheinen jedoch gegen negative Einflüsse weitgehend immun: Die AfD ist hier ein eindrucksvolles Beispiel: Trotz ständiger Radikalisierung, Wannsee 2.0, Grölen von Nazi-Liedern in einem Münchner Club, zahlreichen rechtsextremen Verurteilten als Mandatsträger oder Beschäftigte, des Verdachts der finanziellen Zuwendung durch russische Geldgeber und etlicher anderer Verfehlungen büßt die Partei bei bestimmten Wählergruppen mit offensichtlich gefestigt-extremistischen Weltbild nicht an Sympathie ein.

Begrifflichkeit "Wannsee 2.0" operiert. Wird wohl seinen Grund haben.

Bezügl. einer Trump-Wählergruppe äußerte Hr. Y. Mounk (SRF Kultur Sternstunde Philosophie), dass sie wenig mit Trump am Hut hat, aber unter keinen Umständen für die Demokraten stimmen würde. Vielleicht gibt es auch für AfD-Wähler eine solche Konstellation (aufgrund eines Kriteriums der Ablehnung aller anderen pol. Gruppierungen "einzig"mögl. Wahl, obwohl sie mit "Rechtsextremismus" fremdeln).

Auch die letzten Dumpfbacken und Stasi-Propagandisten sollten so langsam mal geschnallt haben, dass es nie ein "Wannsee 2.0" gegeben hat und dass die bezahlten Intriganten und Blockwarte von "Correctiv" nur skrupellose Lügner sind.

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 9. April 2024 - 10:28

könnte evtl. seine "Selbstüberschätzung" sein.
Wenn man bedenkt, dass er vlt. grob "mit der EU" in Polen Wahlkampf machen konnte, ist seine Gruppe ziemlich klein geblieben.
Nun wünsche ich Polen aber seinen Platz in der EU, weshalb ich mit Tusk "leben" muss.
Es war nicht viel Zeit, ihn neuerlich einzuordnen.
Früher dachte ich ihn mir mit Clinton, Merkel und einigen anderen zusammen.
Ich bin wirklich gespannt.
Die vielen "Vielleichts" und "Eventuells" sind dem Umstand geschuldet, dass ich wirklich nur vorsichtig muthmaßen kann.
Alles andere wäre vermessen.

Albert Schultheis | Di., 9. April 2024 - 17:17

Die Polen werden sehr bald merken, dass sie mit Tusk einen Griff ins Klosett getan haben, das große Vorbild Deutschland und Berlin ist für jeden, der auch nur bis Drei zählen kann, abstoßend und widerlich. Zudem wird die große Mäzenatin Tusks, die mutmaßliche Verbrecherin Mme von der Leyen, demnächst evtl sogar in den Knast wandern. RotGrüne Transformationen und Gelbe Kriegstreiberei sind in Polen nicht als progressiv zu verkaufen. Die Polen sind nicht blöd, sie sind keine Deutschen.