Passage mit Bars in Yurakucho / Peter Brune

Japan - Die Degrowth-Nation

Japans Volkswirtschaft wächst seit Jahrzehnten praktisch nicht mehr. Und wer sich die alternde Gesellschaft ansieht, wittert einen Dauerzustand: Den Jüngeren reicht der gegenwärtige Wohlstand oft aus. Ist das Land ein Pionier auf dem Weg in die Postwachstums­gesellschaft?

Autoreninfo

Felix Lill ist als Journalist und Autor spezialisiert auf Ostasien.

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Das Schneidergeschäft von Itsuki Hozumi ist eine kleine Schmuckkammer: Im Schaufenster posiert eine mit edlem Hemd und legerer Jacke ausgestattete Holzpuppe. Dahinter, auf den 20 Quadratmetern Verkaufsfläche, hängen feinkarierte Anzüge neben Pullovern aus Kaschmir, dazwischen sind auf schmalen Hockern Krawatten drapiert. Doch wer denkt, hier sei alles nur aufs Verkaufen ausgerichtet, täuscht sich. 

Im Moment ist Itsuki Hozumi, ein schmaler Typ mit gepflegtem Auftritt, sogar froh, dass gerade keine Kundin da ist. „Ich hab das Spiel von Liverpool gestern Abend noch nicht gesehen …“, sagt der Selbstständige und grinst unverschämt. Jetzt biete sich die Chance. Für Phasen des ökonomischen Leerlaufs ist Hozumi nämlich bestens vorbereitet: Auf einem schicken Arbeitstisch aus Massivholz, an dem er sonst Abmessungen von Armlängen notiert oder Kundinnen abkassiert, hat er einen kleinen Fernseher aufgestellt. 

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Martin Janoschka | Sa., 4. Mai 2024 - 19:25

Ich bin generell Anhänger des quantitativen Wachstums, gemessen zB in % des BIP, die häufigste Größe. Und Wachstum in % ist ja stets exponentiell, d.h. bei konstant 2% Wachstum verdoppelt sich der Lebensstandard einer volkswirtschaft in einer Generation. Das schließt technischen Fortschritt ein, der ja auch Fortschritt in der Medizin, der Kommunikation, der Industrie, in der Bildung einschließt. Auch Infrastruktur etc.
Das Gegenteil des Wachstums ist Schrumpfung, die Auswirkungen sind dann auch umgekehrt exponentiell. Das heißt der kapitalstock verzehrt sich. Infrastruktur wie Straßen oder stromleitungen, Schulen entfallen, bestimmte medizinische Leistungen rechnen sich evtl nicht mehr. Das sind die logischen Folgen der Schrumpfung.
Und bitte immer den Faktor Zeit miteinrechnen, die Konsequenzen ergeben sich oft erst langfristig. Wollen wir das?
Natürlich werden wir wohl weltweit einen Schrumpfungsprozess erleben, ich hoffe es.

Martin Janoschka | Sa., 4. Mai 2024 - 19:35

Ich meine hier eine weltweite Schrumpfung der Bevölkerung. Diese wird sich zwingend ergeben, da die Nahrungsmittelproduktion generell begrenzt ist und letztlich ertragsgesetzlichen Charakter hat. Ohne technischen Fortschritt wie zb kunstdünger, Schädlingsbekämpfungsmitteln oder verbesserten Züchtungen von Saatgut wäre die Bevölkerungsentwicklung gar nicht möglich gewesen.
Auch skaleneffekte bzw Größenvorteile sind zu beachten. Mein Reiseführer auf Zypern musste nach Deutschland zu einer Augen OP , da sich die Ausbildung eines Mediziners mit den Fähigkeiten vor Ort nicht lohnt. Vergessen wir nie: 50 Einwohner in einem Dorf rechtfertigen dauerhaft kein Geschäft, keinen Arzt, keine Straße oder Wasserleitung. Wollen wir das?
Strukturveränderndes Wachstum durch technischen Fortschritt werden wir immer benötigen: die eisenbahn, das Auto, der PC, das Internet. Dieses werden wir auch weiterhin benötigen.

A.W.Mann | Sa., 4. Mai 2024 - 19:44

Eine interessante Entwicklung in Asien, ebenfalls in China zu beobachten. Eine meist sehr homogene Gesellschaft schrumpft und damit auch ihre wirtschaftliche Macht. Die Frage der Finanzierung des ganzen, ist wohl die entscheidende Frage. Leider haben Japan und auch China zu wenig Vorkehrung getroffen, der vorhandene Schuldenstand wurde nie in diese eigentlich positive Entwicklung einbezogen. Es wird leider auch dort derbe Einschnitte geben müssen, um diesen sinnvollen Weg beschreiten zu können. Das ganze ist allerdings überhaupt nur in homogenen Gesellschaften gangbar. Hier ist wohl ein von allen akzeptabler Interessenausgleich auch generationsübergreifend politisch realisierbar. Auch ökologische Aspekte würden damit auf ganz natürlichem Wege erreicht. Für den sogenannten Bunten Westen undenkbar, hier werden sich die gesellschaftlichen Anteile verschieben und die Gesellschaften in einer ganz anderen Form in den nächsten 15-30 Jahren kippen. Die Berufswissenschaftsexpertin KGE von den Grünen freut sich ja schon darauf. Ein Minuswachstum wird es auch hier in der Wirtschaft und im täglichen Zusammenleben geben und ehrlich gesagt, da freu ich mich nicht drauf.

Ronald Lehmann | Sa., 4. Mai 2024 - 22:44

& vor allem brauchen die Japaner nicht wie wir Deutschen bzw. West-Europäer um ihre Kultur oder um einen Black Out fürchten

& sie haben auch keine so hohen Arbeitslosen-Zahlen wie wir in Deutschland
& auch fehlende Fachkräfte sind nicht das ausprägende Problem wie in BRD

weil diese erkannt haben
NICHT QUANTITÄT WIE BEI DER EINWANDERUNG NACH BRD IST ENTSCHEIDEND
SONDERN QUALITÄT in ALLEN THEMEN

Aber mit diesem Wort können ja unsere Regierungs-Verbrecher nichts anfangen
QUALITÄT

sie verschleudern den Wohlstand lieber in die ganze Welt
& verändern die Rahmenbedingungen so
das Qualitätsfirmen wie Miele oder Mercedes nach Polen ausweichen

aber seit dem € entwickeln sich die BRD so,
wie die Polen mal ganz früher waren
& wo man Regierungs-Vertreter wie deren Hofstaat als Lügner wie Verbrecher enttarnt

während die Polen die Tugenden der Deutschen wie Fleiß, Sauberkeit, Pünktlichkeit, Disziplin
(aber auch ein flächendeckendes WLAN-Netz)
angenommen haben

Ja, in Asien geht es 👍
in Westeuropa 👎

Konstantin | So., 5. Mai 2024 - 10:56

Ein wichtiges Problem wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.

Japan hat eine Verschuldung von über 260% des BIP, sowie eine Währung im Tiefflug.

Urban Will | So., 5. Mai 2024 - 11:46

als in Japan. Wohl das sicherste, sauberste und disziplinierteste (was der Umgang der Japaner mit sich selbst und anderen angeht) Land der Welt.
Sie haben dort einen entscheidenden Vorteil. Sie sind nicht dem Multikulti – Wahn verfallen, haben nicht über Jahrzehnte eine geisteskranke, selbstmörderische Einwanderungspolitik betrieben, wie etwa D, wo man immer noch glaubt, die Bev.Explosion in Afrika über Migration zu uns abzufedern. Komplette Idiotie.
In Japan läuft niemand am helllichten Tag mit einer Machete durch die Gegend und schlachtet Leute ab. Tokyo ist sicherer und sauberer als Castrop Rauxel.
Die Welt leidet an einer zunehmend wachsenden Bevölkerung. Hierauf kann man alles zurückführen, alle Probleme (Klima, Umwelt, Kriege...).
Japan könnte es schaffen, eine Bev.Schrumpfung über Technik auszugleichen.
Und wenn es doch um Werbung f qualifizierte Einwanderer geht: nirgends lebt es sicherer und sauberer als dort.
Welcher gebildete Migrant möchte schon ins shithole Germany?

war ich noch nie dort.
Dafür war ich schon recht früh ein Fan asiatischer Filme, aus denen man auch ein bisschen über Land und Leute und die dortige Kultur lernen kann.
Letztens gab es eine Neuverfilmung der Serie "Shogun" auf Disney+, ich kenne z.B. "Rurouni Kenshin", "Crying Freemann" und vieles mehr.
Die Yakuza sind Ihnen ein Begriff?
Von aussen hatte ich manchmal den Eindruck, dass Japan eine Kultur des ""Tötens und Sterbens"" aufweise.
Deutschland und Japan standen zusammen im 1. und 2. Weltkrieg?
Ich würde jedenfalls den Anteil von Gewalt in der japanischen Gesellschaft jedenfalls für vorhanden halten, eventuell aber verdeckt von hoher Disziplin?
Die japanische Kronprinzessin, nun Frau des Kaisers tat mir noch mehr leid als Prinzessin Diana.
Ich würde gerade Japan einen Ausweg aus der "Strenge" wünschen, nicht aber durch ein Hereinbrechen des "Anything Goes" oder, weil es mich wirklich aus den Schuhen haute, "Jetzt ist es mal so".
Meist weist die eigene Kultur "diverse Wege" aus.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 5. Mai 2024 - 12:02

eventuell aber zu theorielastig und kapitalismuskritisch.
Ich denke, die Entwicklung hat mehr mit einer japanischen "Mentalität" (mens der Verstand) zutun.
Das Herkommen, das Land, die eigene Kultur wird wertgeschätzt.
Andere Sitten könnten Japan verändern, veränderte Produktionsbedingungen jedoch "nicht wesentlich"?
Das ist im Gegenteil ein Aspekt japanischer Mentalität, die sich schon immer innerhalb herausfordernder Lebensumstände beweisen mußte?
Entsprechend flexibel reagieren Japaner jetzt.
Japaner kommunizieren mit ihrer Umwelt (Schamanismus?), was hilft es da, wenn Europäer oder Amis vermehrt durch die Gegend "trampeln"?
Die Nachkriegsgenerationen haben sich totgearbeitet, das soll jetzt ihre Kinder nähren, bis denen Wege aufscheinen?
Eine herausragende Bildung wird weiter dafür nötig sein, um dann irgendwie durchstarten zu können?
Jetzt wird ein bisschen geparkt?
Japaner wirken auf mich stolz auf sich selbst und ihre Leistung.
Ähnlich "gestrickte" Leute dürften willkommen sein?