EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron / picture alliance

EU - Führungslos, planlos, machtlos

Wieder einmal haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten getroffen, um über gemeinsame Projekte und Ziele zu verhandeln. Doch die entscheidenden Fragen werden jedes Mal nur weitergeschoben. Eine klare Linie ist nicht zu entdecken

Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Dafür, dass die Welt derzeit an allen Ecken und Enden brennt, haben die EU-Mitgliedstaaten mal wieder ein zurückhaltendes Ergebnis ihrer Beratungen verkündet. Es ist ein wenig, als würden sie ihre Organisation nach innen und die internationalen Beziehungen nach außen durch Butzenscheiben sehen: leicht gefärbt und nicht sehr scharf.

Vielleicht geht es aber auch gar nicht anders, wenn man 28 oder 27 Regierungen unter einen Hut bringen will, je nachdem, in welcher Rolle Großbritannien beteiligt ist. Aber es dürfte langsam die Einsicht wachsen, dass diese tapfere Selbstbindung an die marode EU-Verwaltung die entscheidenden Fragen immer nur weiterschiebt. Dabei würde ein Blick zurück das ganze Ausmaß der Versäumnisse offenbaren. Denn seit Beginn der neunziger Jahre hatten die EU-Mitgliedstaaten Zeit, sich auf eine turbulente Welt vorzubereiten. Das wurde strikt versäumt. Deshalb konnte der französische Präsident Emmanuel Macron ja eine Neugründung fordern, ohne als naiv dazustehen. Doch scheint es, als würde die EU selbst jede Dynamik dämpfen. Außer beim Breitbandausbau. Vielleicht bringt die Digitalisierung ja die ordnungspolitischen Zwänge zum Schwingen, weil sie die Verhältnisse neu ordnet. Das ist aber noch etwas verschwommen.

Geistige Klarheit und klare Interessenlagen

Nach innen sind es vor allem die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien, die unter den EU-Staaten das blanke Entsetzen auslösen müssten, wenn sie alle an einem geregelten und schonenden Austritt interessiert wären. Denn die Zeit rast den Verhandlern davon. Aber vielleicht wissen einige Regierungschefs mehr als andere, etwa dass er nie kommt – wie es der österreichische Bundeskanzler einwob „Wenn man bei dem Brexit bleiben möchte...“ – oder dass es nie ein Verhandlungsergebnis geben wird – wie es aus den Hinterbänken der Tories über den Kontinent schallt. Die Bundeskanzlerin verbreitete jedenfalls in der derzeit völlig verfahrenen Verhandlungslage einen ungewöhnlichen Optimismus. Über eine mögliche Einigung, die den harten Brexit verhindern würde, sagte sie: „Ich habe da eigentlich überhaupt keinen Zweifel, wenn wir geistig alle klar sind.“ Wie sie diese Kondition einschätzt, bleibt allerdings offen.

Ob geistige Klarheit auch dabei helfen würde, die von Ratspräsident Donald Tusk vorgelegte Reformagenda bis 2019 mit der gebotenen Stringenz abzuarbeiten, bleibt ebenso schleierhaft, weil es auch dabei um strittige Interessen geht, die jeder mit seiner eigenen Klarheit und Wahrheit belegt. Es gibt eben in der europäischen Integrationsgemeinschaft kein Gemeinwohl, das man nur aufgeklärt erkennen muss, um danach zu handeln. Sondern die unterschiedlichen Gruppen haben verschiedene Interessen und versuchen diese durchzusetzen. Nur dass die Gruppen hier souveräne Staaten sind und in vielen Fällen Entscheidungen schlicht blockieren können. Würden da nicht endlich Mehrheitsentscheidungen helfen? Das steht doch konzeptionell auch hinter der Zusammenarbeit von Avantgardestaaten, die eben vorangehen und damit ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Klassen schaffen würden. Die EU-Staaten möchten das im Bereich Verteidigung anfangen, beschlossen sie. Wer die EU in eine noch tiefere Krise stürzen will, sollte das weiter propagieren.

Vorangehen heißt nicht führen

Denn die zwei Geschwindigkeiten sind das Gegenteil von Führung. Und die hätte die EU dringend nötig, denn sie fehlt derzeit. Wer vorangeht, erledigt das aus eigener Kraft und ohne Rücksicht auf die anderen (auch wenn es schöne Worte schon geben wird). Wer führen möchte, muss nicht immer den Konsens, aber die Gefolgschaft der anderen Staaten zu erreichen versuchen. Das ist ein völlig anderes Konzept, als es derzeit diskutiert wird.

Nach außen geht es der EU-Führung vor allem um Migration, wobei die Erfolge bei der steuernden Eindämmung hervorgehoben, die weitere Unterstützung Italiens und der Ausgriff nach Libyen angekündigt wurden. Auch der Flüchtlingsdeal mit der Türkei wird gelobt, obwohl der Mechanismus des Austauschs von Flüchtlingen nicht wie erhofft funktioniert. Aber die Grenze bleibt geschlossen. Und auch über die Mittelmeerroute will man die Zuwanderung im nächsten Jahr weiter begrenzen. Dazu werden dann auch die „Fluchtursachen bekämpft“ (das kann man seriös nur in Anführungszeichen schreiben), wofür die EU für Projekte auf dem afrikanischen Kontinent schon 175 Millionen Euro zusammengetragen hat.

Türkei erhält immer noch Geld aus Brüssel

Um Geld geht es auch mit Blick auf die Entwicklungen in der Türkei. Dass die Beitrittsgespräche nicht beendet werden, war klar, weil einige Staaten – voran Bulgarien – dem nicht zustimmen würden. Dass gleichwohl etwas im Verhältnis zur Türkei geändert werden muss, ist ebenso offenkundig, hatte doch die Bundesregierung schon die „Neuausrichtung“ der Türkeipolitik angekündigt. Und so schlug jetzt auch die EU vor, die Vorbeitrittshilfen an die Türkei zu kürzen, verabschiedet wurde das aber eben nicht. In den Jahren zwischen 2007 und 2013 erhielt die Türkei aus Brüssel 4,8 Milliarden Euro. Das ist mehr als das 27-Fache des Betrages, mit dem die Fluchtursachen in Afrika „bekämpft“ werden sollen. Und nach 2013 ging es weiter: Bis 2020 sollen nochmals 4,5 Milliarden überwiesen werden. Für die Heranführung an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Die bisherigen Erfolge auf dem Gebiet sind jedenfalls nicht so durchschlagend gewesen, dass eine Entwicklung hin zu einer durch Plebiszit legitimierten Autokratie verhindert werden konnte. Rechtsstaatliche Bedingungen herrschen in der Türkei derzeit nicht. Seit 2007 sind die Umstände düsterer geworden, nicht besser.

Internationale Krisen

Erstaunlich ist, dass der Türkei dabei das Zuckerbrot weiterer Zahlungen gereicht wird, um Einfluss auf ihre Entwicklung zu nehmen, während die EU-Staaten – im Einklang mit den USA – für Nord-Korea nur die Peitsche kennen. Strikte Sanktionen sollen umgesetzt werden, um das Regime in der Nuklearfrage zum Einlenken zu bewegen. Dabei könnte so genau der Druck erzeugt werden, der das Regime zur Gewaltanwendung treibt, weil es sein Überleben in Gefahr sieht. Sanktionen zu kalibrieren ist ein schwieriges Geschäft und die USA kennen dabei nur den harten Weg, den die EU nunmehr mitgeht.

Ein dritter Staat bereitet den EU-Regierungen Sorge, die USA. Vor allem, weil Präsident Donald Trump die EU in der Iranpolitik vor die Alternative Sanktionen oder Vertragsauflösung stellt. Dass die EU auf die Entscheidung der amerikanischen Regierung keinen messbaren Einfluss nehmen konnte, obwohl sie seit Monaten in Washington dafür warb, zeigt drastisch, wie sehr sie international an Einfluss verloren hat.

Welche Zukunft für die EU?

Der Gipfel in der vergangenen Woche begann mit dem Auftritt des zukünftigen österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz. Dieser, so ist es zu erwarten, wird die europäische Bühne nutzen, um sich am französischen Präsidenten zu messen, mit ihm übereinzukommen, wo es passt – in einigen Fragen der Migrationspolitik – und sich mit ihm zu streiten, wo es nicht passt – beim europäischen Haushalt und einem EU-Finanzminister. Damit werden sich in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit die Positionslinien und Diskurse in der Europapolitik neu ziehen. Und das wird zudem über die Nordgrenze Österreichs von unten auf das Parteiensystem in Deutschland ausstrahlen. Möglicherweise kommt auf diesem Weg doch noch einmal die Frage in Berlin an: Welche ordnungspolitischen Vorstellungen die Bundesregierung für die EU denn verfolgt? Bundeskanzlerin Merkel hat vorerst und völlig nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass vor der Antwort die Regierungsbildung steht. Also warten wir das ab. Die drastischen Versäumnisse der vergangenen Jahre erklärt das allerdings nicht.

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Johannes Luig | Mo., 23. Oktober 2017 - 15:32

Das ist ja nun mal ein guter Artikel. Vielen Dank Herr Jäger. Tschechien haben Sie noch vergessen. Aber klar, die Vernunft kehrt zurück und macht sich auf den Weg. Über die Nordgrenze Östereichs ins deutsche Unterland. Herrlich.

Christa Wallau | Mo., 23. Oktober 2017 - 15:35

Es wird niemals einen wirklichen Konsens aller Mitgliedsländer der EU in den entscheidenden Fragen geben. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. "Vereinigte Staaten von Europa" könnte es nur mit einem undemokratischen Betrugs- oder Gewaltakt geben, der einem Putsch in 27 Ländern gleichkäme.
Das Pojekt "Euro" hat der einst gut funktionierenden Europäischen Wirtschaftsunion den Garaus gemacht. Alle leben nur noch auf Pump. Ausschließlich mit Tricksereien und Vertragbrüchen ließ/läßt sich das Monstrum EU weiterbetreiben, und zwar in aller erster Linie deshalb, weil viele treu-doofe Deutsche und einige Träumer in anderen Ländern immer noch glauben, daß sie mit ihren Transfer-Leistungen u. Bürgschaften langfristig dem Frieden dienen u. von der EU profitieren können.
Das Gegenteil wird der Fall sein: Wenn die Endrechnung kommt, werden sich die Gelackmeierten (=alle, außer denen, die Gewinne gemacht u. offshore sicher angelegt haben) gegenseitig beschuldigen u. an die Gurgel gehen!

So langsam vermute ich einen Bot hinter dem Namen Christa Wallau. Und einen nur miesepetrigen und diffamierenden Bot. Ich habe viele Artikel von diesem Bot gelesen und immer war es nur mies und negativ und immer gegen EU. Schlimm auch immer diese Wortwahl wie "an die Gurgel gehen". Hier wird übelste Stimmungsmache gegen die EU und deren Bürger gemacht und das find ich sehr bedauerlich! Die EU wird weiter leben und sich weiter vertiefen. Wenn die Querulanten im Osten nicht einlenken, dann müssen halt die Gründerstaaten vorangehen! Ich will eine weitere Einigung und Vertiefung, eine Kleinstaaterei und Rückfall in Nationalstaaten führt im Gegenteil zu Konflikten und evtl. Kriegen!

Christa Wallau | Mo., 30. Oktober 2017 - 23:58

Antwort auf von Thomas Lotsch

... ich bin kein "Bot", sondern eine reale Person, die allerdings Ihren naiven Optimismus in Sachen EU nicht teilen kann. Ich sehe den "Nonsense" auf Ihrer Seite!

D i e s e EU, so wie sie jetzt funktioniert (nämlich mit einer Gelddruckmaschine EZB, die den Ausstieg aus den horrenden Summen an Staatsschuldenaufkäufen nicht findet!), wird niemals eine Erfolgsgeschichte werden. Das kann Ihnen jeder vernünfige Volkswirtschaftler bestätigen.
Ob die "Querulanten", wie Sie die Visehrad-Staaten nennen, nun außen vor gelassen werden oder nicht, selbst die Gründerstaaten der EWG (Frankreich,
Deutschland, Italien usw.) werden diese Fehlkonstruktion nicht retten können, ohne auf einen ähnlichen Status, wie er vor 2002 bestand, zurückzukehren.
Die zu frühe Einführung der gemeinsamen Währung war ein Riesenfehler, der das gut funktionierende Friedensprojekt EU, das ich aus vollster Überzeugung immer befürwortete, zu einer monströsen Zwangsjacke gemacht hat, die Zwietracht provoziert.

Josef Garnweitner | Mo., 23. Oktober 2017 - 15:59

agieren halt nur Politiker, die man in deren Heimatland nicht mehr haben wollte. Was kann man von denen denn erwarten? Lichtgestalten sehen anders aus.

Und Lichtgestalten haben wir nicht einmal in der Heimat. Ich sehe weit und breit keine einzige.

Dimitri Gales | Mo., 23. Oktober 2017 - 16:13

wird von zwei Mächten beherrscht: USA und China, das enorme Fortschritte in dieser Hinsicht macht - und ehrgeizige Pläne hat. Europa spielt da nur eine untergeordnete Rolle - selbst schuld.
Mit 28 Regierungen, die völlig unterschiedliche Länder vertreten, eine wirkliche Einheit zu bilden ist unmöglich. Entscheidend ist immer noch der Nationalstaat und das wird auch so bleiben. Die Euromantiker können weiter Luftschlösser bauen, helfen wird es nicht. Es bleibt wie es ist: jedes Land versucht, oft mit Erfolg, seine Vorteile in Sachen Europa zu vertreten.

helmut armbruster | Mo., 23. Oktober 2017 - 16:37

als wir. Selbst ein Blinder kann sehen, dass viele EU- u. Euromitglieder die EU nur als Einbahnstraße sehen. Gibt es was zu holen, sind sie dabei. Sollen sie was bringen, dann machen sie nicht mit.
In D kann man sich des Eindrucks nicht mehr länger erwehren, dass wir über den Tisch gezogen worden sind u. dass die anderen dabei schlauer waren als wir.
Wie wäre es sonst möglich, dass D
- im EZB-Rat nur 1 Stimme hat (also genau so viel Stimmgewicht wie Malta), obwohl 30% der Wirtschaftskraft der EU aus D stammen?
- Die Bundesbank gegen die EZB bald 1 Milliarde ungesicherte Target-forderungen aufgebaut haben wird (d.h. uneinbringbare Forderungen)?
https://www.welt.de/finanzen/geldanlage/article169931094/Oekonomen-warn…
Das sind nur 2 Beispiele. Es gibt noch viel mehr.
Das ist nicht die EU, die ich mir einmal gewünscht hatte, das ist nur noch eine unvorstellbar deformierte Missgeburt mit enormem Gefahrenpotential, vor allem für D.

Florian Kampe | Mo., 23. Oktober 2017 - 16:56

Das Ziel ist immer größere politische Einheit Europas, was aber nie ausgemacht war.
Die EU hat leider nicht keine Ziele,
sie hat schlechte Ziele.
Sie sollte ihr viel zu hohes Budget verringern und 70% der Bürokratie wieder abschaffen, damit man nicht 12.500 Richtlinein einhalten muss, um einen Liter Milch verkaufen zu dürfen.
Das mit der Türkei ist komplizierter, weil es um die internationale Sicherheitslage geht, die kaum ein Mensch auf der Welt einschätzen kann, es sei denn er ist in Kenntnis der Geheimdienstberichte und verfügt über ein enormes geschichtliches Wissen.
Aber die EU hat meiner Meinung nach ihre Ziele bereits erreicht, was Freihandel und keine neuen Kriegen waren.
Jetzt sollte sich die Liberalisierung innerhalb der Mitgliedsländer empfehlen, aber nicht erzwingen.

Reinhard Getzinger | Mo., 23. Oktober 2017 - 17:06

Als Österreicher fühle ich mich ja etwas geschmeichelt, wenn da ein etablierter Politologe meint, der präsumtive Bundeskanzler würde sich mit dem französischen Präsidenten messen.
In der Vergangenheit sind österreichische Vorstöße in Brüssel mangels mächtigerer Verbündeter meist sang- und klanglos verpufft.Ich nehme nicht an, daß sich daran in Zukunft viel ändern wird. Die wichtigen Themen werden wohl weiterhin die Alpha-Tiere unter sich ausmachen, und das sind in der EU nun mal Merkel und Macron.
Die großen Erwartungen, die offenbar viele Deutsche auf Sebastian Kurz projizieren , wird er kaum erfüllen können...allerdings ist auch die Furcht und der Hass, den ihm viele andere Deutsche entgegenbringen für mich auch nicht nachvollziehbar.

Henryke Zimmer | Mo., 23. Oktober 2017 - 21:43

Antwort auf von Reinhard Getzinger

Macron, der bei einer Wahlbeteiligung von unter 50% zum Präsidenten gekürt wurde, ist meiner persönlichen Meinung nach völlig überschätzt.
Ein n u r auf EU- Visionen begründeter Wahlkampf hat wohl zu recht die Mehrheit der Franzosen desillusioniert auf die Stimmabgabe verzichten lassen.
Ein Mann der Eliten, "überraschend" mit seiner (von wem wohl finanzierten) Bewegung aus dem Nichts auftauchend, spricht nicht die französischen Probleme an sondern träumt von einer EU ohne "rote Linien" aber mit "Horizonten"!
Populismus pur.
Soll er erst einmal seine Pflichten den eigenen Bürgern gegenüber erfüllen!
Aber in dieser Hinsicht paßt Ihr Vergleich Merkel/Macron perfekt.
Und dagegen steht ein Herr Kurz, der seinen Wahlkampf bezogen auf die österreichischen Probleme geführt und gewonnen hat.
Auch Merkel war und ist kein Alpha- Tier; sie war und ist nur die Verteilerin deutscher Steuergelder und das allein ist der Grund ihrer überbordenden Beliebtheit bei den Brüsseler Nomenklatura.

Klaus Wenzel | Mo., 23. Oktober 2017 - 17:23

Die zur EU gehörenden Staaten würde ich nicht unbedingt als "machtlos" bezeichnen. Die Wirtschaftskraft ist teilweise immens, der politische Einfluss könnte es sein. Leider hat sich jedoch in Brüssel eine üppige Bürokratie gebildet, die zwar die Krümmung von Gurken festlegen kann oder über Quoten für E-Autos, die keinen Markt finden, nachdenkt, aber keinerlei Vision eines geeinten Europa erkennen lässt. Wer würde dies auch ernsthaft vom jetzigen Führungspersonal der Eurokratie erwarten?
Hinzu kommt, dass die europäischen Staaten überwiegend Partikularinteressen verfolgen. Und, nicht zu vergessen: man hat völlig unterschiedliche Volkswirtschaften in eine gemeinsame Währung gespannt. Gut für Deutschlands Exportüberschuss, schlecht für weniger leistungsstarke Länder. Der Unmut über eine Bürokraten-EU ist deutlich spürbar in einzelnen Ländern und Regionen. Aber der Kontinent Europa wird noch bestehen, wenn die EU längst Geschichte ist.

Bernhard K. Kopp | Mo., 23. Oktober 2017 - 17:38

Wenn 'ever closer union' als Bundesstaats-Idee, mit einem Parlament und einer Zentralregierung erst einmal begraben wäre, dann könnte man eine Konföderation aller Mitglieder neu strukturieren. Gesetzgebung bleibt in nationalen Parlamenten, die sich für Europarecht in Ausschüssen vernetzen. Das sog. EU-Parlament wird ein Senat, eine Ländervertretung mit Initiativrecht und direkt gewählten (keine Listenmandate!!!) Senatoren. ER und Ministerräte bleiben bestehen, mit Initiativrecht über Senat. Die Kommission wird zur Verwaltungsbehörde des ER und des EU-Senats. Dies ist eine sehr grobe Skizze, aber eine funktionsfähige und demokratisch legitime Organisation liesse sich ausarbeiten.

Auch ich sehe in der Idee der "ever closer union" den Kern des Problems. Der Verbund der Benelux-Staaten gilt als Keimzelle der europäischen Union. Und dieses Modell wurde leider nicht klug weiterentwickelt, sondern überfrachtet und überdehnt. Derzeit versucht sich die EU mit einem Mehr vom Gleichen zu erneuern - dieser Ansatz kann nur scheitern. Zurück zu den Anfängen - das sollte das Gebot der Stunde sein.
Btw: Neben der Türkei soll z.B. auch Albanien Teil der EU werden. Ich kann seitens der EU-Lenker wirklich KEINEN Lernerfolg erkennen.

Heiner Hannappel | Mo., 23. Oktober 2017 - 17:44

Eine Bundesregierung, die in der Vergangenheit weder durch Konzepte, aber durch Prinzipienlosigkeit glänzte, die Europa keinerlei Perspektiven vorgab, sieht sich in der Zukunft Regierungschefs wie Macron und Kurz gegenüber, welche eben gerade diese Mängel der Kanzlerin in Bezug auf die künftige Gestaltung der EU nicht haben.Beide, Macron und Kurz scharren mit den Füßen und doch herrscht durch deutsches Koalitionsgerangel lähmender Stillstand in den machtlosen "Führungsetagen" von EU-Kommission und Europarat, denn die Spitzen der EU haben mitsamt dem EU-Parlament nur geduldete schauspielerische Qualitäten in einem uns seit Langem anödenden Schauspiel, welches "Das zu einigende Europa" heißt, dessen Regisseure, falls vorhanden, in den wichtigen Nationalstaaten sitzen. Keiner nimmt die EU und deren ständig küssenden und umarmenden Kommissionspräsidenten Junkers noch ernst.Die EU, besonders der Eurowährungsraum sind in einem desolaten Zustand ,dessen Kosten bald anstehen.Wetten?

Petra Führmann | Mo., 23. Oktober 2017 - 17:57

Ich gebe meine Unkenntnis zu, aber bitte: Kann mir jemand erklären, weshalb es diese "Hilfen" überhaupt gegeben hat und insbesondere jetzt noch gibt? Kann oder konnte das die Türkei nicht allein, wieso bedurfte sie dazu dieser enormen "Hilfe"? Haben andere Länder das auch vorab erhalten? Mindestens seitdem das Verhältnis mit der Türkei so ist, wie es eben ist, muss die Zahlung sofort eingestellt werden, bestenfalls als "Flüchtlingshilfe" umgewidmet. Man fasst es oft nicht, was so alles beschlossen wird; immer am Bürger vorbei, zu seinen Lasten, ohne dass er einen Nutzen hätte.

Christoph Kuhlmann | Mo., 23. Oktober 2017 - 18:12

das werden Junker und Macron ebenso zu spüren bekommen wie Merkel 2016 bei der Flüchtlingspolitik. Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten wird auf Dauer unvermeidlich sein. Denn die EU der Gegenwart hat nicht mehr viel mit der ursprünglichen Gemeinschaft zu tun. Sie ist nun wesentlich heterogener. Vielleicht einer der Gründe warum die kleineren Mitglieder nicht mehr von der Bundesrepublik konsultiert werden, bevor Deutschland eine Entscheidung trifft. Die EU ist eigentlich nur noch im Krisenmodus handlungsfähig, wenn diese Krise alle, oder wenigstens viele Staaten betrifft. Trifft es nur wenige, wird einfach gemauert. So wird es wohl weitergehen. Ich bin schon gespannt, welche Extrawünsche etliche Länder beim Brexit anmelden werden. Schließlich bedarf es der Zustimmung aller übrigen Mitglieder. Da wird sich manches Empfängerland für die zukünftig ausbleibenden britischen Milliarden bei den anderen Geberländern schadlos halten wollen.

Juliana Keppelen | Mo., 23. Oktober 2017 - 18:18

seit wann dieses "Rückwärtsgehen" oder nicht "Vorankommen" sich abzeichnete. Denn so ein Prozess kommt ja nicht über Nacht sondern doch eher schleichend. Ich selber so weit ich das, natürlich nicht objektiv und nicht vorurteilsfrei, beurteile sehe einen Zusammenhang zwischen der Politik unserer Kanzlerin und da ausdrücklich nicht nur die Flüchtlingspolitik sondern schon weit vorher.

Hans Herzberger | Mo., 23. Oktober 2017 - 19:10

Dieses Europa fault von Innen heraus und die Fäulnisbakterien sitzen in Brüssel und freuen sich am hohen Salär. Wenn wundert es, dass sich im Inneren immer mehr Regionen von Ihrem Heimatland abspalten wollen und auf eigene Autonomie setzen. Brüssel sieht saft- und kraftlos diesem Treiben zu und hofft auf ein Marienwunder wie in Lourdes. Europas-Normalbürger hat sich innerlich längst von diesem Europa verabschiedet und und hofft auf eine Zeitenwende der den Impuls für Rechte Parteien und Abgrenzung setzt. Dieses lockere finanzielle Staatenbündnis ist am Ende und hat es nicht verstanden, den Bürger mit zu nehmen.

Ulrich Jarzina | Mo., 23. Oktober 2017 - 20:22

176 Millionen € für die Bekämpfung von Fluchtursachen? Dafür kann man sich ja nicht mal einen Neymar kaufen!

Juliana Keppelen | Di., 24. Oktober 2017 - 12:02

Führungslos nicht, irgend jemand führt uns schon und wenn's am Nasenring ist. Planlos und machtlos ja.

Gerhard Weißenberger | Di., 24. Oktober 2017 - 15:08

Das Einstimmigkeitsprinzip steht einer Reform der EU-Verträge im Weg.
Alle Verträge seit Nizza sind Murks und praktisch irreversibel.
Dass jedes Beitrittsland einen eigenen Kommissar haben muss, ist eine Einladung zur Bürokratie. Jeder Kommissar bringt etwa 1000 Spezis
nach Brüssel mit, die sich dort eine goldene Nase verdienen. Arbeit lässt sich bekanntlich immer (er)finden. Können Sie sich vorstellen, dass
ein Unternehmen von 28 Vorständen geleitet wird? (Helmut Schmidt).
Dass Euro-Länder, die die Maastricht-Kriterien reißen, Strafzahlungen leisten sollen, war eine Idee von Minister Waigel, mit der er die DM-verliebten
Deutschen hinters Licht führte. Kann man einem nackten Mann in die Tasche greifen? Also zahlen die Dummen für die Schulden der Schlitzohren.
Eine gemeinsame Verteidigungspolitik ist eine schlaue Idee von Herrn Macron. Er will die anderen für Frankreichs Interessenpolitik einspannen.
Es wird seine Nuklearwaffen niemals irgend einem Kommissar unterstellen.

Dr. Lothar Sukstorf | Di., 24. Oktober 2017 - 19:59

Bei der EU geht nicht vorwärts oder rückwärts sondern man tanzt dort höchstens den französischen Reigen(Rundtanz) Branle!

Wolfgang Schuckmann | Fr., 27. Oktober 2017 - 15:19

Jedes Märchen hat mal ein Ende. Aber Dieses ist resistent, voerst noch. Wenn die Füllhörner der Nettozahler versiegen, dann kommt das ungeschminkte Bild zum Vorschein, das wir tunlichst momentan noch nicht sehen wollen. Man sollte sich schon jetzt mit warmen Sachen eindecken.

Claudia Westphal | Mi., 1. November 2017 - 18:34

Es gibt viel zu kritisieren. Leider hört man von den Kritikern sehr wenig konstruktive Vorschläge und beschränken sich auf das, was schlecht ist.

Ich sehe das nicht so. Es gibt vieles zu verbessern, zu reformieren, zu ändern. Stimmt. Nichts desto trotz leben wir heute in einem besseren Europa als noch in den 70ern. Nationalismus? Schlagbäume und Passkontrollen? Ernsthaft?

Beim Brexit kann man sehen, wie fatal eine Rolle rückwärts ist. Kopflosigkeit gepaart mit Ahnungslosigkeit und Planlosigkeit. Vorher war es so leicht, einfach nur auf DIE EU zu schimpfen, wenn etwas nicht ging. Nun muss man ein Konzept entwickeln, dass im 21. Jahrhundert tauglich ist und scheitert kläglich. Die USA baut Wände, ergeht sich im Protektionismus und sieht die Zukunft in der Kohle während silicon valley die Automatisierung, Digitalisierung und AI für alle gangbar macht. Yay!!

Die Zukunft Europa's liegt in einem geeinten Europa, einem unabhängigen Gegenpol zu den USA. Daran muss gearbeitet werden.

wolfgang spremberg | Do., 9. November 2017 - 17:56

Nun muss man ein Konzept entwickeln, dass im 21 Jahrhundert tauglich ist und scheitert kläglich". So ist es.
Darum gibt es auch so viele Kritiker und wenn die EU ihre Außengrenzen nicht sichern will, gibt es wieder Nationalismus und Schlagbäume. Den Nationalismus befeuert man übrigens auch wenn die EU die Wünsche / Interessen der Nationen nicht ausreichend berücksichtigt und versucht die EU mit Drohungen und exemplarischen Strafen zusammenzuhalten.