- Realos gegen Ideologen
Sie können es einfach nicht erwarten: Die ersten Republikaner in den USA haben ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im November 2016 erklärt. Ted Cruz und Rand Paul sind Anhänger der rechtspopulistischen Tea-Party-Bewegung und stellen ihre Partei vor eine Zerreißprobe
Der Wahlkampf in den USA beginnt früh und mit Karacho: Als erster hat Ted Cruz seine Kandidatur erklärt. Rand Paul, Senator für Kentucky, folgte am Dienstag. Der 52 Jahre alte Augenarzt erklärte auf seiner Internetseite, es sei Zeit, dass ein anderer Typ Republikaner Wahington übernehme.
[[{"fid":"65227","view_mode":"copyright","type":"media","attributes":{"height":234,"width":345,"style":"height: 136px; width: 200px; margin: 3px 5px; float: left;","class":"media-element file-copyright"}}]]Cruz, Senator für Texas, ein eloquenter Redner und früherer juristischer Berater von Präsident George W. Bush, gehört zum rechtspopulistischen Tea-Party-Flügel der Republikaner. Er startete mit einem Auftritt an der Liberty University, eine christliche Hochschule, wo – ironischerweise – alle Studenten dazu verdonnert wurden, anwesend zu sein, Liberty hin oder her, gefolgt von einem Auftritt in Sioux City, Iowa, wo, trotz des Namens, vornehmlich konservative Weiße wohnen.
Cruz sprach sich für die umstrittenen neuen Gesetze im US-Bundesstaat Indiana aus, die es Geschäften ermöglichen, Kunden aus religiösen Gründen abzuweisen – was heißt, keine Kuchen für Schwulenhochzeiten zu liefern. Die Ehe sei ein göttliches Sakrament zwischen Mann und Frau, sagte er. Er ist gegen die Krankenversicherung Obamacare und gegen „Net Neutrality“, ein Internet, wo alle den gleichen Zugang haben, weil er glaubt, Konzerne könnten das besser regeln als der Staat. Er tritt für das Recht auf Waffenbesitz ein, will Abtreibung verbieten und das Finanzamt abschaffen. Und natürlich würde er die Atomvereinbarung mit dem Iran torpedieren, denn die Evangelikalen im „Bible Belt“ sind die besten Freunde von Bibi Netanyahu.
Die Republikaner sind zerrissen
Cruz ist der extremste – und lautstärkste – Teil einer Strömung rechts von Ronald Reagan, aber nicht der einzige. Die Republikaner sind, wie schon bei der Vorwahl von 2012, zwischen den Realisten und den Ideologen zerrissen. Letztere setzen sich zusammen aus der Tea Party, den Südstaaten-Evangelikalen und den Libertären, die von den Koch-Brüdern gesponsert werden, Chemieindustrielle aus Kansas.
Allerdings bilden sie eher eine Zweckgemeinschaft: Die Koch-Libertären wollen den Staat aus den Umwelt- und Arbeitsschutzgesetzen heraushalten, die Evangelikalen wollen die Schwulen-Ehe und die Abtreibung verbieten und die Tea Party hat sich zur Bewegung gegen Immigranten entwickelt. Dabei ist das eigentlich widersinnig, denn die Tea Party beruft sich auf die originäre Verfassung, und da steht nichts von einer Regulierung der Immigration.
Aber die Ideologen bringen die Basis auf die Beine. Das führt dazu, dass bei den Vorwahlen rechtspopulistische Paradiesvögel antreten. Neben Cruz wird Bobby Jindal gehandelt: Der indischstämmige Gouverneur von Louisiana konvertierte nicht nur zum Christentum, er ließ auch ein offizielles Portrait erstellen, auf dem er weiß aussieht. Ein anderer ist Ben Carson, ein afro-amerikanischer Chirurg, der sagte, die Bürgerrechtsgesetzgebung unter Lyndon B. Johnson habe Afro-Amerikanern geschadet. Auch Donald Trump hat mal wieder seinen Hut in den Ring geworfen. Trump ist ein New Yorker TV-Produzent und Bauunternehmer im Auftrag zumeist chinesischer Investoren.
Deshalb rücken nun auch die „Country Club Republicans“, die traditionell konservativen weißen Männer, nach rechts, um ihre Chancen zu verbessern. Das aber birgt die Gefahr, dass die Republikaner das „Big Business“ verprellen. Denn das ist für Schwulenrechte. Und die Vorstandsvorsitzenden der Konzerne, die die Wahlkämpfe sponsern, liegen Washington mit Forderungen in den Ohren, mehr Immigration zuzulassen. In der eigentlichen Präsidentschaftswahl könnte den Republikanern ein Über-Ideologe schaden, denn selbst für viele konservative Amerikaner ist die Frage, ob Bäcker Hochzeitskuchen an Schwule liefern müssen, nicht wahlentscheidend.
Gute Chancen für den Bruder von George W. Bush
Der Liebling der Koch-Brüder ist Scott Walker, der Gouverneur von Wisconsin, der erfolgreich die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst bekämpft hat. Favorit der Tea Party hingegen war lange Rand Paul, der Sohn von Ron Paul, ein strikter Gegner von US-Interventionen oder Militärhilfe. Rand Paul hat sich, der Chancen wegen, an den pro-israelischen Interventionskurs der Bible-Belt-Evangelikalen angepasst. Das könnte ein Eigentor sein, denn er wirkt nicht sonderlich überzeugend, während sich die Anhänger seines Vaters von ihm verraten fühlen. Wohl deshalb hat Cruz ihn auch in den Umfragen überholt. Noch mehr aber dürften die Evangelikalen auf Mike Huckabee setzen, Pfarrer und früherer Gouverneur von Arkansas und ausgesprochener Gegner der Schwulen-Ehe, falls er sich offiziell erklärt. Und auch Lindsey Graham, Senator für South Carolina, der aus dem Herz der alten Südstaaten kommt, hat bei ihnen Chancen.
Das Feld der Country Club Republicans wird von Jeb Bush angeführt, der ehemalige Gouverneur von Florida, dessen eigene Mutter sich nur mit Mühe durchringen konnte, ihn zu unterstützen. Auch Chris Christie, der raubauzige Gouverneur von New Jersey, zählt zu den liberaleren Ostküsten-Republikanern, hat gerade aber aufgrund mehrerer Mini-Skandale viel Ärger, was Wahlkampfspender abschrecken dürfte. Er, aber auch Rick Perry, der frühere Gouverneur von Texas, sind eher pro-Immigration, auch Marco Rubio, der (mit 43 Jahren vergleichsweise junge) Senator von Florida, von dem man noch nicht weiß, ob er antritt. Allerdings geht derzeit keiner damit hausieren.
Bush hat das texanische Ölgeld hinter sich, wichtig beim Wahlkampf. Er hat aber das Pech, dass der ungeliebte Ex-Präsident George W. Bush sein Bruder ist. Und Bush personifiziert noch mehr als Christie oder Perry das Problem der Republikaner in Sachen Immigration: Der langjährige Immigrationsbefürworter ist mit einer Mexikanerin verheiratet und spricht Spanish. Das dürfte ihm in den Vorwahlen schaden. Schwenkt er aber auf einen Anti-Immigrationskurs ein, schadet ihm das in der eigentlichen Wahl, vor allem unter Hispanics. Dieses Dilemma hatte die Partei bereits 2012, als letztlich der ungeliebte Pragmatiker Mitt Romney aufgestellt wurde, der einen Schlingerkurs fuhr. 2016 wird sich dies noch verschärfen, denn die Zahl der wählenden Hispanics steigt rapide an.
Ted Cruz und seine „Geburtsurkunden“
Cruz hingegen hat dagegen gestimmt, illegalen Immigranten den Weg zur Staatsbürgerschaft zu ebnen. Dabei stammt sein Vater aus Kuba. Cruz Senior ist nach Kanada geflüchtet, nachdem Fidel Castro an die Macht gekommen war, allerdings nicht sofort. Anfangs war er ein Unterstützer von El Commandante – auch das selbstredend kein Pluspunkt bei Republikanern. Ted Cruz wurde in Kanada geboren und hatte bis vor wenigen Jahren sogar noch die kanadische Staatsbürgerschaft (aber auch die der USA).
Nun müssen US-Präsidenten gebürtige Amerikaner sein, und formal ist das bei Cruz auch der Fall: Seine Mutter ist Amerikanerin, was heißt, er hat die Staatsbürgerschaft. Nun hat aber die Tea Party jahrelang versucht, nachzuweisen, dass Präsident Obama in Kenia geboren worden sei und mithin nicht Präsident sein dürfe. Trump hat sogar (angeblich) Detektive nach Hawaii geschickt, um Obamas Geburtsurkunde zu finden. Davon müssen Cruz und seine Anhänger nun zurückrudern. Inzwischen zirkulieren im Internet bereits scherzhafte „Geburtsurkunden“ von Ted Cruz, kanadische, aber auch kubanische. Und so dürfte sich letztlich die Schlacht um den Spitzenkandidaten zwischen Huckabee, Walker und Bush abspielen – weiße Männer, die im Establishment der Republikanischen Partei fest verankert sind. Und das wiederum heißt: Möglicherweise sehen wir 2016 einem Wahlkampf Bush gegen Clinton entgegen.
Aktualisiert am 8. April um 9 Uhr.
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