- Stellen sich Hollande und SPD gegen Merkel?
Die SPD-Troika und der französische Präsident Hollande haben dieselbe Botschaft: Wachstum in Europa stärker fördern. Wie soll das funktionieren?
Es ist keine ganz zufällige Doppelung der Ereignisse: Am Dienstagabend trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin den neuen französischen Staatspräsidenten François Hollande, einen entschiedenen Kritiker des geplanten Fiskalpakts. Bereits am Vormittag hatten die drei Anwärter auf die Kanzlerkandidatur der SPD, Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, in Berlin ihren Forderungskatalog an den Fiskalpakt vorgestellt – unter Bezug auf Hollande.
Was eine Art Sozialistische Internationale in Sachen Europapolitik ist, soll den Druck auf die Kanzlerin erhöhen, sich für Wachstum in den Euro-Staaten stark zu machen.
Wie will die SPD-Troika den europäischen Fiskalpakt
verändern?
Die Sozialdemokraten warnen davor, dass ein rigider Sparkurs in
Europa die Nachfrage abwürgt und das Steueraufkommen mindert,
also das Ziel der Etatsanierung verfehlt und die Schuldenkrise noch
verschärft. Das Ungleichgewicht in Europa schade Deutschland
langfristig, weil eine Rezession in anderen EU-Ländern deutsche
Exporte gefährde. Zudem würden die sozialen Kosten der Krise vor
allem im Süden Europas die Akzeptanz von EU und Demokratie
untergraben. Deshalb fordert die SPD, den Fiskalpakt zu ergänzen
durch einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung in Europa. Dazu
gehören ein Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit, die
Förderung von innovativen Sektoren, ökologische Erneuerung sowie
mehr öffentliche und private Investitionen in die Wirtschaft.
[video:Merkel und Hollande - Wie steht es um die deutsch-französische Harmonie?]
Ihr Programm, so behauptet die SPD, lasse sich ohne neue Schulden finanzieren. „Es geht nicht um einen Rückweg in die Verschuldung, sondern um eine Ergänzung“, sagt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Das Programm wollen die Sozialdemokraten finanzieren durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, bislang nicht genutzte Mittel aus EU-Strukturfonds und eine Kapitalerhöhung bei der Europäischen Investitionsbank, die damit in die Lage versetzt werden soll, mehr Kredite zu vergeben.
Wie haben sie sich dabei mit Frankreichs neuem Präsident
Hollande abgestimmt?
„Wir haben Hollande getroffen, bevor Frau Merkel das angemessen
fand“, giftete Parteichef Sigmar Gabriel in Anspielung darauf, dass
die Kanzlerin auch noch in der Stichwahl auf einen Sieg des
Konservativen Sarkozy gesetzt hatte. Hollande hatte schon im
Dezember 2011 den SPD-Parteitag in Berlin besucht, Anfang des
Jahres traf ihn Gabriel in Paris. Seither, so betont die
SPD-Spitze, hält sie in europapolitischen Fragen engen Kontakt mit
dem Politiker, der vor zehn Tagen zum Präsidenten gewählt wurde.
Die Europapolitik Merkels und Sarkozys sei „auf ganzer Strecke
gescheitert“, kritisierte Gabriel. Mit Hollande aber gebe es nun
die Chance „auf eine echte Wende“.
Lesen Sie weiter, was Hollandes Vorstellungen für Deutschland bedeuten...
Was will Hollande in der Europapolitik erreichen –
unterscheidet es sich von den Vorstellungen der SPD in
Deutschland?
Im Kern ähneln Hollandes Forderungen denen der SPD: auf
Wachstumsimpulse setzen, dazu so genannte „Projektbonds“ schaffen,
um europäische Infrastrukturprojekte zu finanzieren, eine
Finanztransaktionssteuer einführen. Hollande will auch das Kapital
der Europäischen Investitionsbank (EIB) um zehn Milliarden Euro
erhöhen, um damit kleine und mittelständische Unternehmen zu
fördern. Im Wahlkampf hatte Hollande bewusst offengelassen, in wie
weit er den von Merkel initiierten Fiskalpakt genau verändern will.
Während er zunächst von einer „Neuverhandlung“ gesprochen hatte,
relativierte er dies später. Möglicherweise wird er auch in den
nächsten Wochen seine Karten nicht komplett auf den Tisch legen –
schon deshalb, weil seine sozialistische Partei bei den
Parlamentswahlen im Juni von einer möglichst harten
Verhandlungslinie gegenüber der Bundeskanzlerin profitieren
dürfte.
[video:Merkel und Hollande - Wie steht es um die deutsch-französische Harmonie?]
Was bedeuten die Forderungen für Angela
Merkel?
Von zwei Seiten steht die Kanzlerin unter Druck: Sie muss
Hollande entgegenkommen, wenn sie den deutsch-französischen Motor
weiter als Antreiber Europas in Schwung halten und innerhalb der EU
Einfluss ausüben will. Und sie braucht die größte deutsche
Oppositionspartei, weil nur eine Zweidrittelmehrheit des
Bundestages den Fiskalpakt in Kraft setzen kann. Hollande und die
SPD ziehen an einem Strang.
Schon vor der Präsidentschaftswahl veränderte Merkel ihre eigene Botschaft und rückte europäische Wachstumsinitiativen stärker ins Zentrum. Ohnehin nimmt die Bundesregierung für sich in Anspruch, auf EU-Ebene schon seit vergangenem Jahr an entsprechenden Programmen zu arbeiten. Schwieriger wird es für Merkel bei der Finanztransaktionssteuer, wo die FDP entschieden bremst.
Mit einer Ablehnung des Fiskalpakts drohten die SPD-Politiker am Dienstag nicht. „Die Lage ist doch ganz einfach für uns“, sagte Gabriel. Am Ende werde Merkel „einer Veränderung ihrer bisherigen Politik nicht entgegenstehen“.
Was hat der Auftritt der SPD-Troika über das
Kandidatenrennen ausgesagt?
Wenig. Sinn der Inszenierung war es gerade, Zweifel am
Funktionieren der Troika zu widerlegen. Jeder der potenziellen
Kanzlerkandidaten spielte seine Rolle: Gabriel ritt rhetorisch die
schärfsten Angriffe gegen Merkel, wie es sich für einen Parteichef
gehört. Steinbrück verwies auf die historische Dimension der Krise
und präsentierte im Stakkato- Tempo komplizierte Instrumente zur
Regulierung der Finanzmärkte. Steinmeier stellte wie gewohnt das
Wohl des Landes über taktische Vorteile für seine eigene Partei :
„Wir sind nicht die Linkspartei. Die SPD trägt auch Verantwortung
in der Opposition, weil wir uns darauf vorbereiten zu regieren.“
Das freilich ist eine Botschaft, die vor allem auf dem linken
Flügel der Partei Widerspruch hervorrufen dürfte.
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