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Internetkonferenz - Schweden verhindert Snowden-Einladung

Ende Mai findet in Schweden das nächste europäische Treffen von Netzaktivisten statt. Auf dem „Stockholm Internet Forum“ soll es um globale Entwicklung sowie Überwachung gehen. Der wichtigste digitale Bürgerrechtler unserer Zeit ist allerdings unerwünscht: Edward Snowden

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Sarah Harrison schimpfte viel über Amerika. Sie empörte sich, wie der US-Geheimdienst die Welt anzapft, aushorcht, absaugt. Die Frau, die den Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden von Hongkong nach Moskau begleitet hat, saß Anfang Mai auf der Internetkonferenz re:publica in Berlin. Der Saal war randvoll, keine derartige Tagung in Europa versammelt mehr Gäste. Doch Harrison wollte ihr Publikum nicht davonkommen lassen: „Ihr habt zwei Monate Zeit, euch eure Regierung vorzuknöpfen, Leute“, rief sie. Im August läuft Snowdens Asyl in Russland ab. Bis dahin muss für den wohl wichtigsten Whistleblower der Welt ein anderer Zufluchtsort gefunden werden.

Die Bundesregierung hat sich wiederholt geweigert, Snowden einen Aufenthalt in Deutschland zu gewähren. Die Opposition im NSA-Untersuchungsausschuss in Deutschland drängt aber genau darauf: Der Whistleblower müsse in Deutschland aussagen – und folgerichtig auch hierzulande eine Perspektive erhalten, fordern Grüne und Linke. Die Große Koalition lehnt das ab. Die schwarz-roten Ausschussvertreter wollen Snowden daher lieber per Video aus Moskau zuschalten.

Weil Sarah Harrison um dieses politische Hickhack weiß, nahm sie zur Lösung dieser Frage EU-Nachbarstaaten in die Pflicht: „Andere Länder müssen Deutschland unterstützen und auch unter Druck setzen.“

Demokratiefeier im Nobelpreis-Saal


Dort teilt man aber offenbar das herzliche Desinteresse am Schicksal Edward Snowdens, wie das Beispiel Schwedens zeigt. Nach Informationen von Cicero Online hat das schwedische Außenministerium eine Einladung an Snowden und einige seiner engsten Vertrauten zu einer Internetkonferenz im eigenen Land verhindert.

Wenn das dritte „Stockholm Internet Forum“ am 26. Mai eröffnet wird, werden sie nicht wie bei der re:publica in einem alten Industriegelände absteigen. Stattdessen ziehen sie ins städtische Rathaus, unter den roten Backsteinturm mit den drei goldenen Kronen. Dort, im Festsaal, sitzen sie jedes Jahr zum Bankett, wenn die Nobelpreise vergeben wurden.

Veranstalter sind auch nicht ein paar Blogger, sondern der schwedische Staat. Der Entwicklungsminister wird einige Grußworte halten; er wird dem Konferenzmotto „Internetfreiheit für globale Entwicklung“ Bedeutung verleihen.

Schweden, das in internationalen Rankings bei Freiheit, Menschenrechten und Wohlfahrt stets einen oberen Platz einnimmt, will sich auch bei dieser Veranstaltung von seiner demokratischsten Seite zeigen. In einer Online-Videoansprache hatte Außenminister Carl Bildt bereits die Themen abgesteckt: Auf dem Forum sollen nicht nur die Chancen der digitalen Welt diskutiert werden, sondern auch die Frage, wie man staatlichen Versuchen, das Internet zu kontrollieren oder gar zu zensieren, begegnen könne. Der erste Programmpunkt am folgenden Morgen: die Debatte um Überwachung und Privatsphäre „infolge der Snowden-Enthüllungen“, so heißt es in der Vorschau.

„Nicht einladen“, schrieb jemand neben Snowdens Namen


Das Dumme ist nur: Weder der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden noch einer seiner Vertrauten werden bei der Konferenz vor Ort sein.

Aber wie kam es dazu?

Neben den beiden Ministerien Außen und Entwicklung hatte noch ein dritter Partner die Konferenz mitorganisiert und finanziert: die Internetorganisation .SE, die – ähnlich wie die Denic in Deutschland – die schwedischen Top-Level-Domains verwaltet. Als einziger zivilgesellschaftlicher Veranstalter war .SE dafür zuständig, geeignete Experten aus aller Welt für das „Stockholm Internet Forum“ auszuwählen. Bei diesem Format werden alle Teilnehmer handverlesen, sowohl Sprecher als auch Gäste. Rund 500 sind es in diesem Jahr.

.SE erstellte eine Liste möglicher Kandidaten. Der wohl wichtigste Name darauf: Edward Snowden. Weitere Namen waren die Journalisten Glenn Greenwald und Laura Poitras, die die Welt zuerst über den NSA-Skandal informiert haben, Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger sowie der Hacker Jacob Appelbaum, der in Snowdens Datensatz die Handynummer von Kanzlerin Angela Merkel gefunden hatte. Die Liste ging ans Außenministerium.

Dort wurde nach Informationen von Cicero Online Snowdens Namen rot markiert. Im Dienstgebrauch hieße das: „nicht einladen“. Auf Anfrage äußerte sich das Ministerium nicht zu dem Namen des Whistleblowers.

Bei der Auswahl der Forumsteilnehmer sei es vielmehr darum gegangen, eine Vielfalt an Herkunft, Kulturen und Meinungen zu repräsentieren, teilte ein Pressesprecher mit. Um das Ereignis wirklich zu einem „globalen“ zu machen, sollte die Hälfte der Gäste aus Entwicklungsländern kommen. Außerdem habe man das Geschlechterverhältnis wahren wollen. „Zudem möchten wir darauf hinweisen, dass nicht geladene Gäste die ganze Konferenz auch online verfolgen und während der Diskussionen Fragen stellen können“, hieß es weiter.

Zwar hätte Edward Snowden kaum persönlich aus seinem russischen Exil nach Stockholm kommen können. Trotzdem wäre seine Einladung ein Symbol gewesen. Zudem hätten die Veranstalter ihn mit etwas Fantasie sehr wohl einbinden können. Eine Liveübertragung machte bereits der Europarat möglich; auf diesem Weg hatte Snowden auch zu den Teilnehmern eines Technologie-Festivals in Texas gesprochen.

Die Veranstalter hätten auch seine Vertrauten für ihn sprechen lassen können. So haben das zuletzt andere große Computer- oder Netzkonferenzen gemacht. Auf der Netmundial in São Paulo Ende April sprach Wikileaks-Gründer Julian Assange per Video, Hacker Jacob Appelbaum war persönlich anwesend. Der Chaos Communication Congress in Hamburg im Dezember hatte Journalist Greenwald zugeschaltet. Appelbaum und Harrison sprachen sowohl dort als auch auf der Berliner re:publica.

Von den vorgeschlagenen Snowden-Vertrauten autorisierte das schwedische Außenministerium einzig einen Namen: Laura Poitras. Die Dokumentarfilmerin, die ebenfalls Zugang zu den NSA-Akten hat, hatte sich mit öffentlichen politischen Forderungen zuletzt eher zurückgehalten. Poitras lehnte die Einladung allerdings ab. Cicero Online sagte sie: „Selbstverständlich würde ich jede Konferenz mit einer schwarzen Liste boykottieren.“

Seinen Einwand gegen Appelbaum soll das Außenministerium schriftlich wie folgt begründet haben: „Das wurde diskutiert und muss noch weiter diskutiert werden“.

„Ist es das, was sie mit Internetfreiheit meinen?“


Appelbaum selbst zeigte sich empört. Es sei „nicht hinnehmbar, dass ich für den Versuch bestraft werde, über die massenhafte Überwachung und ihre furchtbaren Folgen für die Gesellschaft zu reden“, ließ der US-Journalist wissen.

Das schwedische Außenministerium entgegnete auf Cicero-Online-Anfrage, es sei für die Veranstalter interessanter gewesen, neue Gäste auszuwählen, die bisher noch nicht da waren. Nur sehr wenige Teilnehmer seien für alle drei Konferenzen ausgewählt worden. „Herr Appelbaum wurde schon zu den beiden vorherigen SIFs [Stockholm Internet Foren, Anm. d. Red.] eingeladen.“

Offenbar war die Auswahlpolitik der schwedischen Regierung aber auch dem zivilgesellschaftlichen Mitveranstalter zu viel. Die Organisation .SE, die bereits die ersten beiden Konferenzen mitorganisiert hatte, reduzierte in diesem Jahr ihr Engagement. Das bestätigte das Entwicklungshilfeministerium. .SE selbst ließ wissen, man sei Sponsor, aber nicht in die Programmgestaltung eingebunden.

In jedem Fall wird vom Stockholmer Forum für Internetfreiheit in diesem Jahr ein widersprüchliches Signal ausgehen: Einerseits zählt die Konferenz Überwachung und Datenschutz zu ihren wichtigsten Themen. Andererseits sperrt sie mit den Snowden-Leuten ausgerechnet diejenigen aus, die dazu am meisten sagen könnten. „Ist es das, was sie mit Internetfreiheit meinen?“, fragt sich Jacob Appelbaum. „Oder mit Freiheit im Allgemeinen?”

Vielleicht will es sich Schweden aber auch nicht mit dem mächtigen amerikanischen Verbündeten verscherzen. Schließlich teilt der EU-Staat ein Schicksal mit den USA. Wie der Fuchs vor dem Bau lauert, so warten beide Länder auf die Auslieferung ihres Whistleblowers: hier Assange, dort Snowden. So könnte sich erklären, warum Schweden Snowden nicht auf seiner Internetkonferenz haben möchte.

Update vom 19.05.2014: Der schwedische Botschafter Olof Ehrenkrona hat inzwischen per Twitter eingeräumt, dass das Außenministerium einer Einladungsempfehlung für Edward Snowdens nicht nachgekommen ist. Einen Boykott des Whistleblowers streitet er indes ab: „Wir haben ihn einfach nicht eingeladen. Andere, die nicht eingeladen wurden, werden nicht boykottiert.“ Dass es darüber zum Streit mit dem Partner .SE kam, dementierte Ehrenkrona nicht. Es ist das schwedische Außenministerium, dass einlädt, nicht unsere Sponsoren. Das ist unsere generelle Politik."

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