- Heißer Zorn auf Zypern
Die geplante Zwangsabgabe für Kontoinhaber versperrt dem Rettungspaket den Weg. Was steht auf dem Spiel?
Zoff im Euro-Raum: Die Vereinbarung der Finanzminister der Euro-Gruppe, Inhaber von Bankeinlagen in Zypern mit einer Sonderabgabe zu belegen, stößt in dem Inselstaat, aber auch europaweit auf heftige Gegenwehr. Dabei geriet auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unter Druck. Denn die Angaben darüber, welche Rolle der deutsche Vertreter bei den Verhandlungen spielte, sind widersprüchlich.
Wie will Zypern das Problem lösen?
Die Pläne der Euro-Finanzminister für eine Zwangsabgabe auf Bankguthaben in Zypern stoßen bei Bevölkerung und Politikern der Insel auf erbitterten Widerstand. Die Abstimmung über das von den Euro-Finanzministern beschlossene Rettungspaket im zyprischen Parlament verzögert sich weiter, weil es keine Mehrheit für die Vorlage gibt.
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Bis Dienstag hofft der konservative Inselpräsident Nikos Anastasiadis, doch noch genügend Stimmen zusammenzubekommen. Dazu will die Regierung Kleinsparer bei der geplanten Abgabe etwas entlasten und dafür Inhaber größerer Guthaben stärker zur Kasse bitten. Aus Angst vor einem Ansturm auf die Banken sollen die Kreditinstitute auf Zypern nach dem Feiertag am Montag möglicherweise bis einschließlich Donnerstag geschlossen bleiben.
Wie es sich am Montag abzeichnete, sollen die Abgaben auf die Sparvermögen nun neu gestaffelt werden. Nach der Vereinbarung der Euro-Finanzminister sollten Einlagen bis 100 000 Euro mit einer Sonderabgabe von 6,75 Prozent belastet werden, Einlagen von mehr als 100 000 Euro mit 9,9 Prozent. Nun wird offenbar überlegt, für Guthaben bis 20 000 Euro einen Freibetrag einzuführen.
Es gibt auch Hinweise darauf, dass dafür In- und Ausländer mit 500 000 Euro und mehr auf einem zyprischen Bankkonto einen deutlich höheren Beitrag in Höhe von 15 Prozent leisten müssen. Die Beträge dazwischen würden demnach weiterhin so belastet, wie dies die Finanzminister der Eurostaaten beschlossen hatten.
Wie zuvor in Griechenland, kommen jetzt auch in Zypern in Medienkommentaren und Internetforen zunehmend anti-deutsche Töne hoch. Viele Zyprer sehen in Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Finanzminister die treibenden Kräfte hinter der Zwangsabgabe. Auch alle Online-Transaktionen sind gestoppt – ein bisher nie dagewesener Ausnahmezustand seit Einführung des Euro. Die Wirtschaft der Insel ist praktisch gelähmt.
Während der Präsident verzweifelt nach einer Mehrheit sucht, sprachen sich in einer Blitzumfrage 71 Prozent der Befragten gegen die Zwangsabgabe und das Rettungspaket aus. Ein Nein des Parlaments könnte ungeahnte Folgen haben – für die kleine Inselrepublik und die gesamte Eurozone. „Wenn das Parlament die Vorlage zurückweist, öffnet Zypern damit den Weg ins Chaos“, warnt Afxentis Afxentiou, ein früherer Gouverneur der zyprischen Zentralbank. Zypern werde dann „zu einem zweiten Libyen“.
Welche Rolle spielte der Bundesfinanzminister bei den Absprachen?
Wer schuld daran ist, dass nun wohl nicht nur reiche Zyprer und russische Anleger für die Schulden des Staates geradestehen müssen, sondern auch die Kleinsparer der Insel, diese Frage bewegte die Gemüter am Montag in Berlin, Brüssel und auch in Zypern heftig. Denn der zyprische Präsident Nikos Anastasiades schien offenbar nicht vorbereitet zu sein auf den Protest seiner Bevölkerung und die anhaltende Weigerung des Parlamentes, die in Brüssel getroffenen Vereinbarungen mit der Eurogruppe, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU-Kommission in Gesetze zu gießen. Anastasiades machte kurzerhand den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verantwortlich für das unsoziale Sparpaket. Schäuble habe einem Freibetrag für Kleinsparer nicht zugestimmt, ließ der Präsident verlauten und verbreitete damit den Eindruck, nach Griechenland würden die Deutschen nun zum zweiten Mal ein südeuropäisches Volk in die Armut schicken.
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In Berlin führte das am Montag zu heftiger Verstimmung. Zumal Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament, wie Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit, die Version des Zyprers übernahmen. In einer Pressemitteilung bezogen sie sich auf „gut unterrichtete Kreise“ und stellten fest, der deutsche Finanzminister nehme es mit der Wahrheit wohl nicht so genau. Schäuble stellte am Nachmittag daraufhin selbst klar, dass nicht er, sondern die Regierung in Nikosia die Beteiligung der Kleinsparer am zyprischen Eigenbeitrag von 5,8 Milliarden Euro präferiert habe. Es sei Sache der zyprischen Autoritäten, die Details festzulegen, wie der Eigenbeitrag des Landes zur Sanierung aufgebracht wird, sagte Schäuble. Es sei auch „kein Geheimnis, dass die Bundesregierung für die Lösung dieses Problems einen Bail-In für die zu bevorzugende Lösung gehalten hat“, sagte er. Auch der IWF sei dieser Auffassung gewesen. Schäuble und Christine Lagarde, die IWF-Chefin, wollten also offenbar die Bankeigentümer an dem Rettungsfonds beteiligen und nicht die Bankeinleger.
Rückendeckung erhielt Schäuble von seiner Partei. „Wenn es zu einer sozialeren Staffelung kommt, dann hat niemand von uns etwas dagegen“, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Entscheidend sei, dass Zypern den vorgesehenen Beitrag insgesamt leiste, damit die Schuldentragfähigkeit des Landes wieder hergestellt werden könne. „Der Umstand, dass es keine Freibeträge gab, war nicht der Wunsch der international zur Hilfe bereitstehenden Partner.“
Wozu hat die EU eine Einlagensicherung, wenn Zyperns Sparer doch bluten müssen?
Die Kritik am Beschluss der Euro-Finanzminister hatte sich vor allem daran entzündet, dass Spareinlagen bis 100 000 Euro eigentlich europaweit gegen Bankpleiten geschützt sind – als Lehre aus der Finanzkrise hatte die EU diese Summe von zuerst 20 000 Euro angehoben. Die Eurogruppe argumentiert dagegen, dass es sich nicht um einen Verlust, sondern um eine Besteuerung handelt; außerdem werde nicht gegen die Sicherungsgarantie verstoßen, da dies nur bei bankrotten Instituten greife. Dies ist bei Zyperns Geldhäusern jedoch nur formal nicht der Fall, schließlich sind große Teile der geplanten Hilfskredite genau dafür gedacht, Zyperns Banken zu rekapitalisieren und vor der bevorstehenden Pleite zu retten. Das sei „juristisches Klein-Klein“, sagte der baden-württembergische SPD- Abgeordnete Peter Simon: „Der Beschluss der Finanzminister verstößt gegen den Geist der Einlagensicherung.“ Simon, der im Europäischen Parlament an einer weiteren Verbesserung des Sicherungssystems arbeitet, spricht von „Vertrauensbruch“ und befürchtet negative Folgen für die Finanzstabilität: „Das konterkariert alles, was wir bisher gemacht haben.“
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Wächst jetzt die Sorge von Sparern in anderen Euro-Krisenländern?
Spaniens Regierung beschwor die Bürger, dass die Sparer-Zwangsabgabe in Zypern ein „Sonderfall“ und keinesfalls auf andere Krisenstaaten anwendbar sei. Nach Angaben der spanischen Nationalbank sind bisher bei Depotinhabern und Investoren im Land keine Anzeichen einer Ansteckung durch die „Zypern-Panik“ feststellbar. „Das spanische Bankensystem funktioniert unter absolut normalen Bedingungen“, sagte ein Sprecher. An den internationalen Finanzmärkten war jedoch sehr wohl Nervosität spürbar: Der Zinssatz für zehnjährige spanische Staatsanleihen stieg wieder auf über fünf Prozent.
Ähnlich verhielt es sich im Nachbarland Portugal, das wegen einer drohenden Staatspleite bereits im Frühjahr 2011 unter den Euro-Rettungsschirm flüchten musste. Auch langfristige portugiesische Anleihen gerieten wieder unter Druck: Die Anleger forderten mehr als sechs Prozent für den Kauf von zehnjährigen Schuldscheinen aus Portugal.
In Italien trat am Montag nur der Präsident der Börsenaufsicht, Giuseppe Vegas, an die Öffentlichkeit. Er sagte, für Italien sei „keinerlei Ansteckung, keine Gefahr“ zu befürchten. Das Einzige, was Sparer aus dem Fall lernen sollten, ist laut Vegas: „Lasst euer Geld im Land und steckt es nicht in Finanzparadiese.“ Die italienischen Banken, so meldet die Nachrichtenagentur ANSA, seien nur sehr beschränkt in Zypern engagiert: mit nur 900 Millionen Euro gegenüber den 23 Milliarden, die europäische Geldinstitute insgesamt in den Inselstaat gesteckt hätten.
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