- Die Drohne, Lieblingswaffe der USA
Beim Krieg gegen den Terror mag es zwischen Obama und Romney viele Streitpunkte geben, nur einen nicht: den Einsatz von Drohnen. Die unbemannte Präzisionswaffe gilt als Vorteil – sogar für die „New York Times“
Noch 16 Tage – und am 6. November wählen die USA ihren Präsidenten: Cicero-Online-Korrespondent Malte Lehming berichtet zu diesem Anlass in einem Countdown über besondere Ereignisse und Kuriositäten während des Wahlkampfs.
Anfang Oktober reisten 32 Amerikaner nach Pakistan, Mitglieder der Friedensorganisation „Code Pink“. Sie schlossen sich dem Oppositionspolitiker Imran Khan an, der zu einer Anti-Drohnen-Demonstration aufgerufen hatte. Sie sollte nach Kotkai führen, einer Stadt in Süd-Waziristan, die zugleich der Heimatort von Hakimullah Mehsud ist, dem Anführer der pakistanischen Taliban.
Doch der Protestzug kam weder in Kotkai an noch in Waziristan. Die Taliban hatten mit Selbstmordanschlägen und der Entführung von Ausländern gedroht. Außerdem wird die Region von der pakistanischen Armee abgeriegelt. Am Ende gab’s dennoch eine Kundgebung, und Imran Khan war zufrieden. „Wir haben gezeigt“, sagte er, „dass der amerikanische Krieg gegen den Terror zu einem Terrorkrieg geworden ist.“
Unter Barack Obama, dem Friedensnobelpreisträger, haben die USA die Zahl ihrer Drohneneinsätze – insbesondere in Pakistan und im Jemen – massiv ausgeweitet. Vorherige Verfahren gegen deren Opfer gibt es nicht, Kritiker sprechen von „außergerichtlichen Morden“. Laut Angaben des „Büros für Investigativen Journalismus“ (TBIJ) in London wurden bislang zwischen 2500 und 3300 Menschen in Pakistan durch US-Drohnenangriffe getötet, darunter 470 bis 880 Zivilisten, darunter mehr als 170 Kinder. Weil keine offiziellen Statistiken veröffentlicht werden, gelten diese Zahlen als die zuverlässigsten.
Drohnen sind unbemannt (keine eigenen Opfer) und zielgenau (hohe Effizienz). Das macht sie aus US-Sicht zu idealen Waffen in einem Krieg, der nicht gegen souveräne Staaten, sondern grenzüberschreitende Terrororganisationen geführt wird. Ob Afghanistan, Jemen, Irak, Syrien, Somalia oder Mali: Al Qaida ist flexibel und mobil. Seit dem 11. September 2001 befindet sich Amerika in einem Krieg gegen die Organisation und ihre Ableger.
An diesem Montag treten Barack Obama und Mitt Romney zu ihrem dritten und letzten TV-Duell an. Es geht ausschließlich um Außen- und Sicherheitspolitik. Die Kontrahenten werden sich wieder heftig streiten – über Libyen, Syrien, Russland, China und überhaupt. Schließlich ist Wahlkampf. Bloß bei einem Thema werden sie sich ganz und gar einig sein: dem Einsatz von Drohnen. Was außerhalb Amerikas oft sehr kritisch gesehen wird, ist zwischen Regierung und Opposition kein Streitpunkt.
Ende September indes kamen Juristen aus Stanford und New York in ihrer Studie „Living Under Drones“ zu einem alarmierenden Ergebnis. Demnach würden durch die vielen zivilen Opfer neue Terroristen gewissermaßen produziert. Insbesondere die Bewohner von Waziristan lebten permanent in Angst und Schrecken. Das erzeuge ein Rachebedürfnis. Seit Beginn der Drohneneinsätze nehme daher die Zahl derer zu, die sich zum Kampf gegen die USA verpflichten.
Seite 2: Die CIA liebäugelt mit weiteren Drohnen
Doch schon unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung wurde die Studie heftig kritisiert. Deren wissenschaftliche Grundlagen seien höchst fragwürdig, kritisiert etwa Joshua Foust. Auch die Autoren der Studie betonen, dass von der Region eine reale Bedrohung für die Sicherheit der USA ausgeht. Was aber wäre für eine wehrhafte Demokratie die Alternative zum Einsatz von Drohnen?
Im Frühjahr 2009 startete die pakistanische Armee im Nordwesten des Landes eine Großoffensive gegen Terroristen, „die systematisch ältere Menschen und örtliche Polizeikräfte ermordet sowie Hunderte von Schulen und andere Regierungsgebäude zerstört hatten“, schreibt Foust. Am Ende der Kämpfe befanden sich mehr als eine Million Menschen auf der Flucht. Überdies hätten Untersuchungen gezeigt, dass die Bewohner der Region am meisten Angst vor Terroristen und der pakistanischen Armee hätten.
Auch das „Pakistanische Institut für Friedensforschung“ (PIPS) kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Drohnen zur Verbesserung der Sicherheitslage im Land beigetragen hat. Landesweit sei die Zahl der Terroranschläge in den vergangenen zwei Jahren um fast ein Viertel zurückgegangen. Entsprechend reduzierten die USA ihre Drohneneinsätze von 122 (im Jahr 2010) auf 40 (2012).
Scott Shane, der bei der „New York Times“ für Sicherheitspolitik verantwortlich ist, verteidigte im Juli 2012 den Einsatz von Drohen auch aus moralischen Gründen. Durch Drohnen würden weniger Zivilisten getötet als durch jede andere Art der Kriegsführung, schreibt er. In konventionellen Kriegen liege die Zahl der Ziviltoten zwischen 33 und 80 Prozent, bei Drohneneinsätzen weit darunter. Außerdem nehme die Präzision durch technologische Fortschritte sukzessive zu. In Relation zur Häufigkeit der Einsätze sterben durch Drohnen Jahr für Jahr immer weniger Zivilisten.
Kein Wunder, dass die Begehrlichkeit steigt. Die CIA wolle ihr Drohnenkontingent von bislang 30 bis 35 signifikant erhöhen, berichtete am vergangenen Freitag die „Washington Post“ (die amerikanische Armee verfügt bereits über mehrere hundert). Hintergrund sei die Sorge um zunehmende Instabilität im Nahen Osten und Nordafrika. Kritiker befürchten nun, dass CIA-Direktor David Petraeus den Geheimdienst weiter zu einer paramilitärischen Organisation umbauen will.
Ob Obama oder Romney: Das Thema Drohnen wird Europäer und Amerikaner auch künftig spalten.
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