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Iran unter Rouhani - „Der Machtkampf läuft auf Hochtouren“

Hassan Rouhani, Präsident der Islamischen Republik Iran, schlägt gemäßigtere Töne an als sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad. Ist dies ein Zeichen für einen neuen Iran ist, der sich dem Westen öffnet? Oder ist Rouhani nur eine Marionette des Revolutionsführers Ali Khamenei?

Autoreninfo

Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

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Dr. Bahman Nirumand ist Schriftsteller, Journalist (u.a. Die Zeit, Spiegel, taz) und Publizist. 1936 wurde er in Teheran geboren und kam mit 14 Jahren nach Deutschland. Nach seiner Promotion engagierte sich in der iranischen Opposition gegen den Schah, floh nach der Revolution aber wieder nach Deutschland. Er ist der Verfasser des monatlichen Iran-Reports der Heinrich-Böll-Stiftung.

Herr Nirumand, Iran hat vor kurzem die Menschenrechtlerin Sotoudeh und andere politische Häftlinge freigelassen. Für einige Stunden war das Internet in Iran frei zugänglich. Der iranische Präsident Rouhani wünscht über den Kurznachrichtendienst Twitter allen Juden ein gesegnetes neues Jahr. Das sind ja ganz neue Töne aus der islamischen Republik…
Ja, das sind nur wenige Beispiele von vielen Tönen, die sehr ähnlich klingen. Es ist überhaupt eine ganz andere Stimmung in Iran seit der Wahl Hassan Rouhanis. Der Regierung ist es gelungen, die Hoffnung der Menschen in Iran zu wecken. Aber noch sind das kleine Schritte, die die Regierung in die Richtung einer grundsätzlichen Änderung der Lage unternommen hat.

Hoffnung im iranischen Volk – aber auch in Deutschland. Als Rouhani zum Präsidenten gewählt wurde, las man in den deutschen Zeitungen „Sieg des Reformers“ und Ähnliches. Zuletzt spekulierte man hierzulande über ein mögliches Treffen Rouhanis mit US-Präsident Obama am Rande der UN-Vollversammlung. Warum ist man bezüglich neuer Entwicklungen in Iran so überschwänglich, warum hat man so riesige Erwartungen?
Wahrscheinlich, weil die alte Regierung von Ahmadinedschad, die einen sehr radikalen Kurs verfolgt hat, abgelöst wurde und jetzt zu spüren ist, dass sich eine Änderung abzeichnet. Zwar ist Rouhani weder ein Oppositioneller noch ein Reformer – er gehört eher zu den moderaten Konservativen –, aber er scheint entschlossen zu sein, einen neuen Weg zu beginnen, Reformen durchzusetzen. Und zwar auch mit dem Ziel, das Regime zu stabilisieren.
Dafür braucht Rouhani allerdings eine funktionierende Wirtschaft in Iran. Deshalb hat sich die Regierung vorwiegend auf die Außenpolitik konzentriert und versucht nun, die Verhandlungen mit der internationalen Gemeinschaft voranzutreiben und den Atom-Konflikt endlich zu beenden. Das wichtigste Ziel ist, dass Sanktionen gelockert, beziehungsweise abgebaut werden.

In der Außenpolitik sendet Rouhani aber nicht nur positive Signale: In seiner Rede vor der Generalversammlung der UN sprach er von der Ambivalenz westlicher Politik in der Region. Die erste Auslandsreise führte Rouhani nach Kirgisistan, wo er den russischen Präsidenten Waldimir Putin traf. Ist das nicht doch ein Zeichen für eine geopolitische Allianz gegen den Westen?
Nein, Rouhani hat nicht die Absicht, eine Front gegen den Westen aufzubauen. Im Gegenteil: Er will die Beziehungen zum Westen verbessern. Das hat man ja an der Reise nach New York gesehen – es gab  zwischen den USA und Iran einen Austausch auf höchster Ebene. Das ist schon ein sehr großer Schritt, wenn man bedenkt, wie stark noch die ideologische Ausrichtung innerhalb des Regimes vorhanden ist – gegen die USA und den Westen.

Damit kommen wir zum zentralen Problem in den Außenbeziehungen Irans: die Atomfrage. Wird Rouhani hier für Annäherung sorgen?
Ich denke schon. Die ersten Reaktionen des Westens – ausgenommen Israel – sind ja ziemlich positiv ausgefallen. US-Außenminister Kerry hat kürzlich gesagt, man hoffe, innerhalb von drei bis sechs Monaten zu einem Ergebnis zu kommen.

Wenn Sie von Israel sprechen, muss man gleich an das angespannte Verhältnis und Mahmud Ahmadinedschads aggressive Rhetorik denken. Außenminister Javad Zarif schrieb bei Twitter: „Iran hat nie den Holocaust geleugnet. Der Mann, der das getan hat, ist jetzt nicht mehr da.“ Mittlerweile ist diese Nachricht gelöscht. Warum ist der Holocaust immer noch ein schwieriges Thema für den Iran?
Das ist überhaupt kein schwieriges Thema. Ahmadinedschad hat das einfach in die Welt gesetzt und seine Anhänger dafür mobilisiert. Weder die Iraner noch die Regierung von Rouhani leugnen den Holocaust. Zarif hat ja jetzt nachgelegt und gesagt, er verurteile den Holocaust.

Aber anfangs wurde er noch zurückgepfiffen.
Sie müssen bedenken, dass in Iran die fundamentalistischen Kräfte nicht verschwunden sind. Ein bildhaftes Beispiel: Als Rouhani von seiner Auslandsreise zurückkehrte, demonstrierte eine Gruppe am Flughafen in Teheran und warf mit Eiern und Schuhen nach ihm. Andere haben ihn freudig begrüßt. Es gibt zwei Lager in Iran.
Wir sehen, dass der ideologische Machtkampf auf höchsten Touren läuft. Nur ist es so, dass der Revolutionsführer Ali Khamenei, der selbst zu den Radikalen gehört, vermutlich gemerkt hat, dass der radikale Kurs in den Abgrund führt. Offensichtlich hat er für eine Kursänderung grünes Licht gegeben. Gleichzeitig will er die Leute, die er jahrelang ideologisch geschult hat, nicht verlieren. Er bewegt sich dazwischen.

Was bedeutet das konkret für den Präsidenten?
Wenn Rouhani scheitern sollte, wird es wieder eine Rückkehr zum radikalen Kurs geben. Es gibt zahlreiche Baustellen zu bearbeiten: die Sanktionen, die Iran schwer zu schaffen machen, die Misswirtschaft, die acht Jahre lang unter Ahmadinedschad betrieben wurde und die himmelschreiende Korruption. Wenn Rouhani scheitert, vor allem bei den Atom-Verhandlungen, dann scheitert er genauso wie Mohammad Khatami, der von 1997 bis 2005 an der Regierung war. Er war zu vielen Kompromissen bereit gewesen – zum Beispiel wurde unter seiner Riege das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet und die Uran-Anreicherung mittelfristig ausgesetzt. Dennoch sind ihm die Amerikaner mit ihrer konfrontativen Politik sehr hart begegnet, bezeichneten Iran gar als Schurkenstaat.
Khatami hatte zwei Jahre verhandelt, die Ultras haben stillgehalten. Nachdem es aber klar wurde, dass die Verhandlungen scheitern werden, gab es eine Serie von Attentaten. Khatami wurden so viele Steine in den Weg gelegt, dass er am Ende doch scheiterte.

Wie lange werden die Konservativen stillhalten?
Rouhani hat nicht viel Zeit und das sollte der Westen auch zur Kenntnis nehmen. Ihm kann es ergehen wie Khatami. Die konservativen Zeitungen beginnen bereits über Rouhani zu meckern. Außerdem darf man nicht vergessen: die Revolutionsgarden, paramilitärischen Organisationen, die Geheimdienste, die Freitagsprediger und ein Teil der Bevölkerung in der Provinz sind sehr konservativ. Das ist schon eine Macht.
Rouhani geht deshalb sehr behutsam vor: Auf der UN-Vollversammlung hat er durchaus Positionen der Konservativen vertreten – nur in einem völlig anderen Ton als Ahmadinedschad. Wenn er jetzt anfinge, sich sofort von den Ultras zu distanzieren, würde er verlieren, weil sie ja noch sehr große Macht besitzen.

Der mächtigste Konservative ist und bleibt Ali Khamenei. Aber Rouhani scheint sich dennoch ein wenig gegen ihn aufzulehnen. In einem CNN-Interview wurde er gefragt, ob er von Khamenei autorisiert sei, Verhandlungen mit den USA zu führen. Rouhanis Antwort: „Der Präsident hat die Autorität, wann auch immer es um das Interesse Irans geht.“ Ist dies als Emanzipationsversuch vom geistlichen Oberhaupt Khamenei zu verstehen?
Es ist das erste Mal, dass Rouhani so etwas gesagt hat. Er tritt auch sehr selbstbewusst auf. Das hat er auch schon gleich nach seiner Wahl gemacht. Als er vom Revolutionsführer vereidigt wurde, hat er die Richtung angegeben. Khamenei konnte nicht umhin, das erst einmal zu akzeptieren. Aber es bleibt eine Frage der Zeit und der Erfolge.

Wovon hängen die Erfolge ab?
Zwei Faktoren außer Rouhani selbst spielen eine wichtige Rolle. Einmal, wie der Westen sich verhält und zum anderen, wie die Radikalen sich verhalten. Wenn es Rouhani gelingt, nach und nach internationales Vertrauen herzustellen, und vor allem den Atomkonflikt zu lösen, dann ist eine historische Wende ist in Sicht.

Wie sich die Konservativen verhalten, dürfte vor allem von Khamenei abhängen. Durch sein Wohlwollen wurde ja überhaupt eine Bewerbung Rouhanis um das Präsidentschaftsamt möglich. Bleibt der Präsident nicht doch ein Schoßhund, eine Marionette Khameneis?
Ja, das kann ihm passieren. Wenn Khamenei versucht, sich mehr einzumischen wie damals bei Khatami, geht das schief. Das ist ein Instrument, das Khamanei in der Hand hat – er kann davon Gebrauch machen oder nicht. Vorläufig, so scheint es mir, hält er noch still. Aber wie lange – das hängt wie gesagt von den Erfolgen ab, die Rouhani vorweisen kann.

Es scheint, als ginge es Rouhani nicht nur darum, Erfolge zu verbuchen, sondern auch darum, sich ein wenig als Gegenentwurf zu Ahmadinedschad darzustellen.
Nicht nur ein wenig, sondern klar. Rouhani hat schon öfter gesagt, dass es Mist war, was Ahmadinedschad gemacht hat, dass er das Land in die Isolation geführt hat und keine Ahnung hat, wie Diplomatie funktioniert. Er habe nur ideologische Phrasen wiederholt und dem Land geschadet. Jetzt sagt Rouhani, der Iran habe gar keine Absicht, irgendein anderes Land anzugreifen. Das ist schon eine totale Distanzierung von Ahmadinedschad.

Auch innenpolitisch, wenn man die Freilassung politischer Häftlinge betrachtet.
Innenpolitische gibt es noch immer Probleme. Bürgerliche Freiheiten werden nicht geschützt, die alles überragende Zensur ist omnipräsent, die Presse will mehr Freiheit haben, Aberhunderte Häftlinge sind im Gefängnis. Zwar sind jetzt fast 100 Häftlinge freigelassen worden. Aber das ist nur ein Teil und man hofft, dass diese Entwicklung weitergeht.

Dennoch zeigt Iran mit der Freilassung der Häftlinge, dass er sich öffnet. Die neue Regierung nutzt Twitter munter. Versucht der Iran gerade, die westlichen Staaten für sich zu gewinnen, und auch die normalen Bürger im Netz?
Ja, Iran macht jetzt Publicity. Das sind ja Leute, die auch im Ausland aufgehalten haben, die dort studiert haben und die Mechanismen kennen. Sie kennen auch das diplomatische Parkett. Deshalb benutzen sie auch all die Instrumente der Public Relations.

Alle staatliche PR mal beiseite gelassen: Haben wir es wirklich mit einer Öffnung Irans zu tun? Oder ist es nur ein Versuch, die Scherben zusammenzukehren, die der Elefant Ahmadinedschad im Porzellan-Laden der internationalen Politik hinterlassen hat?
Dieser Versuch Irans, sich nach außen zu öffnen, ist schon ernst zu nehmen. Ganz einfach, weil Iran darauf angewiesen ist. Kaum jemand ist ja derzeit bereit, in den Iran zu investieren. Viele Ölanlagen liegen brach. Natürlich will Rouhani auch die Scherben zusammenkitten, die Ahmadinedschad zurückgelassen hast, aber sein Ziel ist eine Öffnung. Das hat er angekündigt und die ersten Schritte sind sichtbar.

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