- Wir verpfänden unsere Zukunft
Die weltweite Staatsverschuldung liegt derzeit bei gut 50 Billionen Dollar. Fünf Prozent davon sind am Wochenende durch die Erhöhung der US-Schuldengrenze hinzugekommen. Hat die USA damit ihre Zukunft verpfändet?
Leicht ist der Kompromiss von Amerika zu loben. Ohne ihn wären die Vereinigten Staaten heute zahlungsunfähig. Die EU-Kommission hält für eine „gute Nachricht“, dass die Vereinigten Staaten sich rechtzeitig genehmigt haben, weitere Schulden zu machen. Die Bundesregierung verkündet sogar, sie sei „froh“ darüber.
Damit treffen Brüssel und Berlin die Stimmungslage der meisten Menschen in Europa. Für die Warnungen der amerikanischen Opposition vor noch mehr Schulden fehlte weitgehend das Verständnis. Die Einigung erleichtert. Die notwendigen Einsparungen, die Präsident Obama dafür zusagen musste, lösen in Europa vor allem Sorge um seine Wiederwahl und sogar Mitleid aus.
Wie anders die Laune war, als es um Griechenland ging. Da wurde bei uns erbarmungslos getan: Griechenland sollte keinen weiteren Euro auf Pump erhalten, wenn es nicht einem erdrückenden Sparpaket zustimmte. Die griechische Opposition hielt das für unsozial. Sie warnte, wie Obama es dann auch in seinem Land tat, vor sozialen Ungerechtigkeiten, Verwerfungen und Volksverarmung. Doch die griechische Opposition galt damit als unverschämt. Denn es ging um unser Geld, um 120 Milliarden Euro.
Zigfach höher ist die Summe, um die es nun geht: 2,4 Billionen Dollar darf der amerikanische Staat an weiteren Schulden machen. Sie entspricht nahezu den gesamten Währungsreserven Chinas. Das ist mehr Geld, als ganz Deutschland – also Bund, Länder und Kommunen - überhaupt an Verbindlichkeiten hat. Und das belastet bereits jeden Deutschen mit über 20.000 Euro.
Die Amerikaner haben soeben ihre Zukunft verpfändet, und zwar die allernächste. Schon zum Ende des kommenden Jahres werden sie diesen neuen Schuldenrahmen ausgeschöpft haben – und dann die nächste Erhöhung der Schuldengrenze beschließen. In den vergangenen 50 Jahren ist das bereits 78 Mal geschehen. Dabei hatten die USA mit 14 Billionen Dollar ohnehin weltweit am meisten Schulden.
Es sind nicht bloß die Zahlenmonster mit 14 Stellen, die Angst machen. Sondern es ist die Geschwindigkeit, mit der sie gewachsen sind. Allein in den letzten zehn Jahren haben sich die Schulden, die alle Nationen der Erde zusammen haben, mehr als verdoppelt. In Folge von Konjunkturpaketen sind seit dem globalen Wirtschaftskrisenjahr 2007 die Schulden aller Staaten um über zehn Billionen Dollar gestiegen. Die weltweite Staatsverschuldung wird nun bei gut 50 Billionen Dollar liegen. Fünf Prozent davon sind am Wochenende durch die Erhöhung der US-Schuldengrenze hinzugekommen. Diese Summe ist nicht vorstellbar. Sie ist so hoch, als hätte sich jeder der sieben Milliarden Menschen auf der Erde einen Kleinwagen gegönnt - ohne einen Cent Eigenkapital, voll auf Kredit. Ob Säugling, ob Greis, jeder!
Nun ist es nicht in jedem Fall problematisch, wenn ein Staat Schulden macht. Sie sind durchaus fair, wenn das Land damit in seine Zukunft investiert. Straßen und Brücken werden noch die folgenden Generationen nutzen, die können deshalb auch getrost an den Kosten beteiligt werden. Derzeit aber geht in den USA ein Großteil des Geldes in den Konsum, wird also von den heute Lebenden verbraucht – auf Kosten der Bürger von morgen.
Die Amerikaner geben seit über 30 Jahren viel mehr aus, als sie einnehmen. Sie haben in diesen drei Jahrzehnten mehr konsumiert als produziert. Sie sparen wenig und kaufen viel, überwiegend mit Kredit. Aus dem weltgrößten Gläubiger, der anderen Staaten Geld einst eifrig lieh, ist der weltgrößte Schuldner geworden. In den letzten fünf Jahren hat sich die Schuldensumme Amerikas im Ausland verdoppelt: Auf bald die Hälfte seiner Gesamtschulden. Jeder Dollar, der heute ausgegeben wird vom Staat, ist nur zu etwa 60 Cent mit Steuereinnahmen gedeckt. Den offenen Rest besorgen Kredite. Größter Kreditgeber ist ausgerechnet das ideologische Gegenteil der USA: China.
Der Fall großer Mächte hing in der Geschichte immer von den Finanzen ab. Waren die Ausgaben nicht mehr finanzierbar, gelang das selbst durch Sondersteuern nicht mehr, zerfiel das Reich. Deutschland und die EU, deren wichtigster Partner die USA nach wie vor sind, träfe der amerikanische Niedergang unmittelbar. Insofern müsste die Freude über jede erzwungene und erpresste Haushaltskonsolidierung größer sein als darüber, dass die Regierung Obama nun weitere Schulden machen darf.
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