() Gutgelaunt auf der Beerdigung von Indira Ghandi in Indien 1983: Mugabe und Mbanga
Mein Freund Mugabe ist ein Monster
Der Journalist Wilf Mbanga wurde zum Staatsfeind im Land seiner Väter, zum erbitterten Gegner des Mannes, dessen Freund und mediales Sprachrohr er einmal war: Robert Mugabe, dem Diktator von Simbabwe. Das Interview mit dem Freiheitskämpfer im Exil führte Constantin Magnis
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Herr Mbanga, Sie galten einmal als enger Vertrauter von Mugabe. Können Sie noch nachvollziehen, was heute in seinem Kopf vorgeht?
Tja, Mugabe. 28 Jahre an der Macht haben ihn sturzbetrunken gemacht, und die Angst vor dem drohenden Machtverlust so gefährlich wie ein verwundetes Tier. Momentan ist er zu allem fähig, auch zum Völkermord. Er liebt seine Macht, und konnte nicht glauben, dass sein eigenes Land in den 90ern begann, sich gegen ihn zu wenden. Also ging er auf die Menschen los. Außerdem, wie gesagt, treibt ihn die Angst um. Mugabe hat über Jahre hinweg sein eigenes Land bestohlen, und sich aus der Staatskasse bedient, Verbrechen an seinem Volk begangen. Er weiß natürlich, dass er dafür sowohl in Simbabwe, als auch in Den Haag verurteilt werden kann. Er kämpft für seine eigene Zukunft, mit aller Gewalt. Dabei war er mal so ein großartiger Mann.
In der postkolonialen Geschichte Afrikas hat sich das Muster der Helden aus dem Freiheitskampf, die zu Knechtern und Schlächtern ihres Volkes werden, oft wiederholt. Woran liegt das?
Zuerst einmal haben die Helden der Befreiungskriege – Mugabe jedenfalls – meist das Gefühl, das Land schulde ihnen was. Sie glauben, sie haben sich die lebenslängliche Präsidentschaft verdient. Dabei ist das natürlich unendlich arrogant, es gab ja Tausende, die genauso hart für Demokratie und Unabhängigkeit gekämpft haben, auf ihre Weise. Was aber zu dem Phänomen der Diktatoren dazukommt, ist das Trauma aus der Kolonialzeit. Man sagt, wenn ein Mann seine Frau vor seinen Kindern verprügelt, sind die Kinder entsetzt, aber wenn sie aufwachsen, fangen sie selbst an ihre Frauen zu schlagen. Was wir in Rhodesien erlebt haben, war grauenhaft: Ian Smith behandelte Schwarze wie Bürger Vierter Klasse. Mugabe hat wahnsinnig darunter gelitten, aber heute verkörpert er alles Schlechte an Ian Smith, nur viel brutaler. Unter Smith kamen in 14 Jahren 20.000 Schwarze um. Unter Mugabe wurden in 3 Jahren allein 25000 Schwarze ermordet. Smith führte Rassengesetze ein, die den Schwarzen das Leben unerträglich machten. Mugabe machte genau das gleiche, und Enteignete die Weißen. Er ist ein Widergänger, ein viel schlimmerer.
Und hat dafür aus vielen Nachbarstaaten Applaus statt Ohrfeigen bekommen. Warum?
Das hat mit einer sehr tief sitzenden Haltung vieler Postkolonialstaaten gegenüber dem Westen zu tun. Ich erinnere mich noch an eine Konferenz der Afrikanischen Union vor vielen Jahren in Nairobi, an der Idi Amin auftrat, und von allen anwesenden Staatsführern Standing Ovations bekam. Ich war damals noch ein junger Reporter, aber wusste genug über den Schlächter von Uganda, um wirklich schockiert über die Begeisterung zu sein. Warum bekam er den Applaus? Weil er den Westen offen verachtete. Und bis heute eint viele afrikanische Staaten dieser unterschwellige Hass auf die ehemaligen Kolonialherren. Gerade Mugabe bekommt immer noch Respekt, weil er den Westen zur Hölle jagt. Im Übrigen ist das Demokratieverständnis in Afrika oft ein anderes: Die meisten Führer der Afrikanischen Union wurden nicht gewählt, sondern haben sich den Weg zur Macht freigeschossen. Solche Leute haben dann selten das moralische Rückrad, sich gegen jemanden wie Mugabe zu lehnen.
Wie haben Sie selbst Mugabe Kennen gelernt?
Das war 1974, als er gerade aus der zehnjährigen Haft entlassen wurde. Ich arbeitete schon damals als Reporter, und hatte eine Menge der damaligen afrikanischen Führungsköpfe für Interviews getroffen. Die meisten davon waren verbittert und voller Hass. Mugabe war anders. Blitzgescheit, mit einer sanften Stimme und glasklaren Visionen für das Land. Einer der für Gleichheit und Gerechtigkeit kämpfte, und es ernst meinte: Er wollte ursprünglich nicht den weißen Mann loswerden, sondern das System. Das hat mich als junger Journalist schwer beeindruckt, ich war gerade mal Ende zwanzig...
...und haben offensichtlich schnell sein Vertrauen gewonnen.
Ja, er war ein bisschen wie ein großer Bruder für mich. Ich habe ihn verehrt wie einen Helden, er war gerührt von meinem jugendlichen Enthusiasmus. Irgendwann fing ich dann an, ihn regelmäßig zu mir nach Hause einzuladen. Nächtelang saßen wir da, haben diskutiert und gelacht, Weißwein getrunken, Platten auf meinem Grammophon gehört und laut mitgesungen. Mugabe hatte eine besondere Vorliebe für Elvis Presley, Pat Boone und Bing Crosby.
Mugabe als singender Trunkenbold, schwer vorstellbar.
Nein, nein, viel getrunken hat er nie, ein bis zwei Gläser vielleicht, er bevorzugt Softdrinks. Dafür hat er andere Laster, zum Beispiel Frauen. Er machte immerhin seiner jetzigen Frau Grace zwei Kinder, als er noch mit Sally Mugabe verheiratet war. Und er hat eine Schwäche für das Dekadente, fährt in einem Konvoi von nagelneuen Luxuslimousinen durch sein hungerndes Volk, umgeben von Soldaten in frischen, maßgeschneiderten Uniformen, wie ein kleiner Gott. Aber ein Trunkenbold, das ist er nicht.
Es heißt, sie seien im Laufe der kommenden Jahre zu seinem Sprachrohr geworden...
Wenn sie so wollen, ja. Er sprach mit mir über alle seine Träumen und Hoffnungen und ließ mich seine erste Biographie schreiben, ich selbst verschaffte ihm das erste internationale Fernsehinterview, mit dem er der ganzen Welt vorgestellt wurde. Ich habe Mugabe zutiefst verehrt, und als man dann auch im Ausland begann, ihn als Befreier und Helden zu feiern, war ich so stolz auf ihn! Weil wir Freunde waren, gab er mir viele exklusive Interviews, auch im März 1980, kurz bevor die Wahlergebnisse für die Unabhängigkeit Simbabwes bekannt gegeben wurden. Auch das Interview machte später Schlagzeilen auf der ganzen Welt. Und am Tag der Unabhängigkeitserklärung selbst, in der Geburtsstunde Simbabwes, lagen wir uns lachend vor Glück in den Armen. Uns als Mugabe dann Premierminister wurde, machte er mich zum Chefredakteur von Ziana, der nationalen Presseagentur, seitdem habe ich ihn auf dutzenden Reisen um die ganze Welt begleitet.
Wie wird man vom glühenden Verehrer Mugabes zum erbitterten Regimegegner?
Nun ja, rückblickend gab es schon in der Anfangszeit immer wieder Merkwürdigkeiten, die ich nicht wahrhaben wollte. Vor allen Dingen waren es die verstörenden Meldungen von Tötungen im Süden Simbabwes, in Matabeleland, die mir das erste Mal zu denken gaben.
Sie sprechen von den Massakern zwischen 1982 und 1986, bei denen zehntausende Menschen, die Mugabe für Dissidenten hielt, von der berüchtigten „Fünften Brigade“ ermordet wurden?
Genau davon. Mugabe erklärte mir damals, das Südafrikanische Apartheid Regime habe Terroristen nach Simbabwe geschleust, mit dem Ziel unsere unabhängige Nation zu zerstören. Und ich glaubte ihm jedes Wort, das Vertrauen in ihn verlor ich erst im Laufe der Jahre, tatsächlich war ich einer der Letzten, die aufhörten an ihn zu glauben. Ich sah, wie sich Gewalt und Korruption breit machten, aber war mir immer sicher, dass Mugabe selbst damit nichts zu tun hatte. Aber irgendwann, Ende der 90er, begriff ich dann: Der Fisch fault vom Kopf her.
War das der Moment, an dem sie die Daily News, bis zu ihrer Zerstörung die letzte Unabhängige Zeitung Simbabwes, mitgründeten?
Der Wechsel zur Daily News war für mich als Journalist tatsächlich der einzig konsequente Schritt, um Dinge zu sagen, die ich als Teil der Regimepresse schon lange nicht mehr sagen durfte. Und damit kappte Mugabe schlagartig alle Verbindungen zu mir. Von einem Moment auf den Anderen war ich sein Feind. Ich sah ihn lange überhaupt nicht mehr, erst 2000 stand ich ihm dann auf einer Pressekonferenz gegenüber, als sein Gegner, ich bin fast erstickt vor Traurigkeit. Mitzuerleben, wie ein alter Freund zum Monster wird, ist nicht einfach.
Sicherlich hat man als Kritiker Mugabes mehr zu ertragen, als die persönliche Enttäuschung?
Allerdings. Die Daily News wurden ziemlich schnell zum Spiegel der Gesellschaft in Simbabwe, und der Regierung gefiel nicht, was sie darin sah. Unsere Reporter und Zeitungsverkäufer wurden immer wieder verhaftet und verprügelt. Ich selbst hatte ziemlich schnell die CIO, Mugabes Geheinpolizei, auf den Fersen. Zuerst haben sie versucht mich wegen Betruges einzulochen, die Gerichte haben der Klage glücklicherweise nicht stattgegeben. Ich habe nur eine Nacht im Gefängnis verbracht, aber die reicht für mein Leben: Ein stockdunkles Loch, mit 13 Fremden, ohne Klo, nur einem Loch im Boden, was die Kerle seit Wochen benutzt hatten. Kein Licht, keine Decken, keine Betten. Außerdem ziehen sie dir Schuhe, Socken und Gürtel aus, bevor sie Dich dort hineinstecken. Grauenhaft, die Erfahrung wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht. Aber danach ging es natürlich weiter: Die CIO hat mein Telefon angezapft, Männer in dunklen Sonnenbrillen folgten mir überallhin, mein Haus wurde heimlich durchsucht, bis dann ab 2001 die Situation eskalierte.
Eskaliert inwiefern?
Sie haben die Zeitung mit aller Brutalität zerstört. 2001 explodierten Bomben in unserer Druckerei, 2002 wurden neue Mediengesetze erlassen, die alle Pressefreiheiten einschränkten, 2003 wurde die Zeitung dichtgemacht, und nach einer kurzen Neuauflage 2004 dann endgültig verboten. Als ich dann schließlich das Land verließ, war ich offiziell zum Staatsfeind erklärt worden. Kurz vor den Wahlen gelangte ein internes Memo der Geheimpolizei an die Öffentlichkeit, mit einer Liste der Menschen, die sie gerne loswerden würden. Mein Name stand ziemlich weit oben. Solange Mugabe den Knüppel schwingt, kann ich also nicht mehr zurück, ich lebe jetzt in England im Exil.
Sie sind heute Herausgeber und Chefredakteur des „Zimbabwean.“ Die Regimekritische Wochenzeitung wird in England und Südafrika produziert, und von dort in Simbabwe verteilt. Seit den Wahlen hat Mugabe die Schrauben um die Presse noch einmal ordentlich angezogen, wie geht es denn ihrer Zeitung?
Momentan kämpfen wir ums Überleben. Vor den Wahlen hatten wir eine Auflage von 200.000 Exemplaren. Aber dann hat Mugabe uns für seine Wahlschlappe verantwortlich gemacht, und wir bekamen die Rechnung: Ende Mai haben sie den Truck, der wöchentlich die Zeitungen ausliefert gekapert. Sie haben den Fahrer zusammengeschlagen und gezwungen, die gesamte Ladung mit Benzin zu übergießen. Dann haben sie mit ihren AK-47 Maschinenpistolen solange auf den Laster geschossen, bis er in Flammen aufging und nur noch Schrott war. Außerdem, das ist fast schlimmer, haben sie kurz später eine neue Steuer eingeführt: Früher haben wir nur 5% Zoll gezahlt, neuerdings zahlen wir 40%, plus 15% Frachtgebühr und 15% Mehrwertsteuer. Allein im Juli haben wir insgesamt rund 15.000 Euro Steuern an Mugabe abgedrückt. Der Erfolg von alledem ist, dass wir die Auflage von 200.000 auf 50.000 senken mussten, mehr können wir uns nicht leisten.
Warum diese komplizierten Schikanen? Könnte Mugabe das Blatt nicht einfach verbieten?
Könnte er natürlich, würde er auch, wenn er nicht in letzter Zeit schon fünf andere Zeitungen verboten und zerstört hätte, was ihm weltweit ziemlich viel Aufmerksamkeit und miese Presse beschert hat. Jetzt versuchen sie uns einfach heimlich finanziell zu ersticken. So, dass sie uns sterben sehen, ohne dafür an den Pranger gestellt werden zu können.
Also ist der Druck der internationalen Gemeinschaft wirksam? Müsste er verstärkt werden, und wenn nicht, wie sollte sie agieren?
Druck würde sicher helfen, aber das geht nur gemeinsam, und jedenfalls nicht ohne UN Resolution. Momentan sendet das Ausland sehr gemischte Botschaften nach Simbabwe, und nach innen verkauft Mugabe es so, dass unsere russischen und chinesischen Freunde mit ihrem Veto für unser Land eingetreten sind. Aber das Ausland müsste etwas tun, und könnte es auch, morgen schon, wenn sie wollten: Die Botschaften schließen und die Diplomaten nach Hause schicken, die ganzen Buden sind ohnehin voll mit Spionen vom Geheimdienst. Schickt sie nach Hause! Genau wie die Kinder der Minister, die selbstverständlich nicht in „befreundeten“ Ländern wie Russland oder China ausgebildet werden, sondern in den Ländern wie in England, Deutschland oder den USA. Und die NGO’s in Simbabwe, die sich für Menschenrechte einsetzen, brauchen Unterstützung. Stattdessen bekommen sie Schläge von Mugabes Schergen.
Aber wackelt Mugabes Machtbasis nicht ohnehin? Im Parlament hat seine Partei, die ZANU-PF kürzlich zum Ersten Mal in der Geschichte Simbabwes die Mehrheit verloren, der Oppositionspolitiker Lovemore Moyo wurde gar zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt. Ein Erfolg für die Demokratie?
Ja und nein, fürchte ich. Die Wahl Moyos ist insofern ein Erfolg, als er auch mit Stimmen aus der Regierungspartei gewählt wurde - insgesamt haben 12 Parlamentarier nicht so gewählt, wie es ihnen befohlen wurde: Eine Mini-Revolte unter Mugabes Schergen, das gab es tatsächlich noch nie. Und der Parlamentspräsident ist die Nummer vier in der Regierung, entscheidet darüber, welche Debatten geführt werden, sitzt also schon an einem mächtigen Hebel. Andererseits hat die Geheimpolizei, quasi als Vergeltungsschlag, gerade erst Razzias in Häusern und Hotelzimmern von Oppositionspolitikern durchgeführt. Wir wissen noch nicht, was mit den Leuten passiert ist, viele sind geflohen, andere sind verhaftet worden, sobald wir Klarheit haben, wollen wir selbst eine Geschichte darüber machen...
Da sie von Mini-Revolte sprechen: Besteht die Gefahr eines Bürgerkrieges?
Nein, denn es gibt nur eine bewaffnete Seite: Mugabes. Die Regierung in Simbabwe hat momentan das Potential zum Völkermord, es kamen ja schon genug Regimekritiker ums Leben, allein 123 Oppositionelle wurden bereits ermordet. Aber für einen Bürgerkrieg braucht es zwei Seiten. Die gibt es bei uns nicht. Abgesehen davon hat Mugabe zwar eine schwindende, aber immer noch relativ breite Basis der Bevölkerung. Den Menschen fehlen Informationen, Hintergrundwissen, sie kriegen täglich den Kopf mit Regierungspropaganda gewaschen: Internationaler Druck, Sanktionen aus dem Ausland werden dann für das Unglück der Bevölkerung verantwortlich gemacht. Wir haben nichts zu essen, wegen der Sanktionen aus dem Westen, heißt es, und die Leute fressen das!
Gibt es etwas, das sie ihrem alten Freund gerne ins Gesicht sagen würden?
Hab ein Herz, ein bisschen Gefühl für die Menschen. Es ist noch nicht zu spät. Die Menschen für die Du einmal bereit warst, so zu leiden, sind immer noch da. Du hast sie doch schon einmal befreit. Tu es noch einmal, und befrei sie diesmal von Dir selbst.
Danke sehr für das Gespräch!
Das Interview führte Constantin Magnis
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