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Klimaforscher: China und Indien weisen zu Recht auf historische Verantwortung der USA hin

Vor dem Ende des UN-Klimagipfels im mexikanischen Cancún kritisiert der Klimaforscher Mojib Latif den enttäuschenden Verlauf der Konferenz. Die Hauptverantwortung sieht er schon aus historischen Gründen bei den Amerikanern, nicht bei den aufstrebenden Wirtschaftsmächten China und Indien. Latif ist Professor am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Uni Kiel.

Die Erwartungen vor dem UN-Klimagipfel in Cancún waren nach dem Scheitern der Vorgängerkonferenz in Kopenhagen im vergangenen Jahr entsprechend niedrig. Ist das die richtige Taktik, um diesmal mehr für das Weltklima zu erreichen? Das ist schwierig zu bewerten. Man muss schon ein Ziel haben, mit dem man in die Verhandlungen geht. Das Ziel ist immer noch, sich auf ein Kyoto-Nachfolgeprotokoll zu einigen. In Kopenhagen hat die Politik sicherlich den Fehler gemacht, die Latte der angestrebten Maßnahmen zu hoch zu legen. Was sind Ihre Erwartungen an den Klimagipfel in Cancún? Amerika und China werden sich nicht bewegen. Daher wird es in der Abschlusserklärung nur Wortakrobatik geben. Wichtig ist die Tatsache, dass die USA in den vergangenen Jahrzehnten ein Drittel des Gesamtaufkommens von Kohlendioxid weltweit verursacht hat. Da CO2 sich hundert Jahre lang in der Atmosphäre hält, gibt es eine historische Verantwortung der USA. Mit ihr argumentieren China und Indien zu Recht in der Debatte darüber, wer beim Klimaschutz voranschreiten sollte. Sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Gipfels? Nein, gar nicht. Sie sehen schon daran, dass nur die Umweltminister und nicht die Regierungschefs dort anwesend sind, dass keine wichtigen Beschlüsse zu erwarten sind. Welche Maßnahmen wären denn nötig und gleichzeitig realistisch zu erreichen? Der Jahresausstoß von Kohlendioxid müsste in den nächsten 20 Jahren seinen Scheitelpunkt erreichen. 2009 war das einzige Jahr nach langer Zeit, in dem der Ausstoß gesunken ist. Der Grund war aber allein die Wirtschaftskrise. Das klingt nicht sehr ambitioniert angesichts der Reduktionsziele von Deutschland und der EU… Man muss einfach beachten, dass der weltweite Effekt relativ gering ist, wenn nur Europa die CO2-Emissionen reduziert, andere Länder aber nicht mitziehen. In der Öffentlichkeit und in den Medien in Deutschland herrscht beim Klimaschutz eine Doppelmoral. Gerne wird laute Kritik an den Amerikanern und Chinesen geübt, dabei aber übergangen, dass der deutsche Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 einer der höchsten weltweit ist, allem Umweltbewusstsein und Umweltschutz zum Trotz. Ja, da stimme ich Ihnen zu. Die Kanzlerin und die Forscher in Deutschland wissen das aber und weisen darauf hin. Der Kohlendioxid-Ausstoß pro Kopf beträgt in den USA 20 Tonnen jährlich, in Deutschland zehn Tonnen, in China vier und in Indien zwei. Um das Ziel einer Erderwärmung von nur zwei Grad zu erreichen, dürfte kein Weltbürger diese zwei Tonnen überschreiten. Was wird in der Diskussion über den Klimaschutz eigentlich oft übersehen, auch von den Medien? Man muss keinen Crash-Kurs fahren und von heute auf morgen Kraftwerke abschalten. Das wird oft falsch dargestellt. Entscheidend ist vielmehr die langfristige Entwicklung. Bis 2050 müssen wir den Kohlendioxid-Ausstoß im Verhältnis zu 2010 halbieren und bis 2100 um 90 Prozent reduzieren. Dazu ist es nötig, die erneuerbaren Energien stark auszubauen. Gerade Wirtschaftsvertreter argumentieren oft, es sei sinnvoller, mehr Klimaschutz in China durch neue Technologien zu erreichen als die chinesische Regierung auf verbindliche Reduktionsziele verpflichten zu wollen, was diese ja ablehnt. Halten Sie dieses Argument für stichhaltig? Das ist eine mögliche Alternative. Man könnte eine Quote vorgeben, wie groß der Anteil der erneuerbaren Energien in der Energieerzeugung sein muss. Aber auch in diesem Fall braucht man eine verbindliche Verpflichtung, denn nur sie muss eingehalten werden. Das Gespräch führte Ulrich Hottelet.

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