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Statistik - Warum die Frauenquote Chancenungleichheit etabliert

Für jede These gibt es eine Statistik, die sie belegt. Falsch. Man muss sich nur mit einigen einfachen statistischen Gesetzmäßigkeiten vertraut machen, schon ist so mancher Schlagzeile die Grundlage entzogen. Ein Börsencrash-Szenario, die Armutsstatistik und die Diskussion um die Frauenquote zeigen dies

Autoreninfo

Dr. Thomas Petersen ist Projektleiter beim Institut für Demoskopie Allensbach

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Zu den Dingen, auf die man sich als Umfrageforscher absolut verlassen kann, gehört, dass wann immer man einen Vortrag hält, gleich zu welchem Thema, bei der anschließenden Diskussion jemand aus dem Publikum sagt „Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“. Oder aber: „Da haben wir es mal wieder: Mit Statistik kann man alles beweisen.“ Das Ärgerliche an diesen Sätzen sind nicht ihre logischen Schwächen. Auch die grobe Unhöflichkeit gegenüber dem Vortragenden wäre noch zu verkraften. Wirklich ärgerlich ist der ihnen zugrunde liegende Generalverdacht, dass Menschen, die Statistiken erstellen, dies grundsätzlich zum Zwecke der Irreführung des Publikums tun. In aller Regel ist dieser Verdacht vorgeschoben und auch naiv, denn das Erstellen von manipulativen Statistiken ist so ziemlich die aufwendigste und ineffektivste Methode, das Publikum irrezuführen. Das geht mit ein paar plakativen Fallbeispielen viel einfacher.

So ist die Zahl der Fälle, in denen jemand bewusst versucht, die Öffentlichkeit mit Statistiken irrezuführen, zum Glück gering. Wenn dies aber doch geschieht, dann meist mit richtigen Daten. Man braucht dazu nämlich keine gefälschten Zahlen. Der Trick, der dabei angewandt wird, ist eigentlich immer derselbe, und er ist leicht zu durchschauen, wenn man ihn einmal verstanden hat: Er besteht darin, dass man richtige Daten an den falschen Bezugsgrößen misst. Dazu drei Beispiele:

Erstens: Anfang des Jahres sorgte in den Wirtschaftsredaktionen ein sogenanntes „Chart of Doom“ für Aufregung, eine Grafik, die die Entwicklung des Dow-Jones-Indexes von 1928 bis zum Börsenzusammenbruch im Jahr 1929 mit den Börsenkursen der Jahre 2012 und 2013 verglich. Die Übereinstimmung war faszinierend: Die Linien lagen praktisch deckungsgleich aufeinander. Demnach müsste, so suggerierte die Grafik, in Kürze ein Börsencrash folgen.

Doch die beiden Linien sind nur deswegen deckungsgleich, weil für sie verschiedene Maßstäbe gewählt wurden. Man hat für beide Trendreihen den Ausgangspunkt an dieselbe Stelle in der Grafik gelegt und dann einfach den Maßstab für die flacher verlaufende Entwicklung so lange auseinandergezogen, bis beide Linien aufeinander lagen. Legt man für beide Datenreihen den gleichen Maßstab zugrunde, erkennt man, dass sich der Index von 1928 in knapp zwei Jahren fast verdoppelt hat, bevor er mit dem Börsenzusammenbruch 1929 wieder auf das alte Niveau zurückfällt, während er sich in der Zeit von 2012 bis 2014 nur um etwa ein Fünftel erhöht. Investoren, die Grafiken lesen können, konnten sich also die Panik sparen.

Mehr Armutsgefährdete durch Lottogewinn
 

Das zweite Beispiel ist die nach den Definitionen der Europäischen Union erstellte Armutsstatistik, die in regelmäßigen Abständen für dramatische Schlagzeilen sorgt. Wenn diese Statistik überhaupt etwas über die Armut in einem Land aussagt, dann tendenziell das Gegenteil dessen, was sie auszusagen scheint.

Um dies zu verstehen, muss man sich zunächst einmal vor Augen halten, dass die Statistik nicht Armut misst, sondern, wie es heißt, „Armutsgefährdung“. Dieser wesentliche Unterschied wird aber in der Berichterstattung meist souverän ignoriert. Als „armutsgefährdet“ gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in einem Land zur Verfügung hat. Was das bedeutet, wird klar, wenn man sich Gedanken darüber macht, welche Ereignisse dazu führen, dass sich der Anteil der „Armutsgefährdeten“ in einem Land verändert.

Eine effektive Methode, den Anteil der „Armutsgefährdeten“ in einem Land zu steigern, wäre beispielsweise ein hoher Lottogewinn. Der hebt das Durchschnittseinkommen an und sorgt dafür, dass einige Bürger, deren Einkommen sich nicht verändert hat, unter die Grenze von 60 Prozent des Durchschnittseinkommens fallen. Kurz: Einer ist reicher geworden, alle anderen haben genau so viel wie vorher, aber die Quote der „Armutsgefährdeten“ steigt.

Eine weitere effektive Methode wären erfolgreiche Unternehmensgründungen. Angenommen, Google verlegt seinen Unternehmenssitz nach Deutschland. Die sozialen Folgen wären nicht auszudenken: Hunderte, tausende vorzüglich bezahlte Computerspezialisten kämen ins Land, ohne dass sich das Einkommen der großen Mehrheit der Bevölkerung wesentlich ändern würde. Die Folge: Ein rasanter Anstieg der „Armutsgefährdung.“ Es ist nützlich, sich dies vor Augen zu halten, wenn man Schlagzeilen liest, wie die Mitte des Jahres verbreitete Sensationsmeldung, wonach es in Deutschland mehr Armut gebe als in Slowenien. Tatsächlich ist das für Deutschland eine gute Nachricht. Sie bedeutet in Wahrheit nämlich, dass es in Deutschland nicht mehr Armut, sondern mehr Reichtum gibt als in Slowenien.

Wenig Anzeichen für Diskriminierung
 

Das dritte Beispiel schließlich ist die statistische Grundlage der öffentlichen Diskussionen um Frauenquoten. Die Argumentation verläuft dabei meistens wie folgt: Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung aus, stellen aber nur 15 Prozent der Aufsichtsräte in den DAX-Unternehmen. Das sei eine offensichtliche Benachteiligung der Frauen, der nun, nachdem sich über Jahre hinweg nichts Wesentliches geändert habe, mit staatlichen Eingriffen abgeholfen werden müsse.

Diese Argumentation wäre richtig, wenn Frauen im gleichen Maße Positionen in den Aufsichtsräten großer Unternehmen anstreben würden, wie Männer. Doch es spricht nichts dafür. Wer sich einmal in den entsprechenden Kreisen in den Unternehmen umhört, wird feststellen, dass dort nicht die Männer von innen die Türen zuhalten, um die hereindrängenden Frauen fernzuhalten, sondern dass die Unternehmen, in dem Bestreben, ja nur nicht als frauenfeindlich zu gelten, verzweifelt auf der Suche nach geeigneten Kandidatinnen sind.

Dies aber, die Bereitschaft, sich für eine entsprechende Position zur Verfügung zu stellen, und nicht der Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung, ist die richtige Bezugsgröße, wenn man feststellen will, ob Frauen im Wirtschaftsleben benachteiligt werden oder nicht. Sind unter den Kandidaten für die Aufsichtsratsposten 50 Prozent Frauen, ist es in der Tat ein Kennzeichen für Diskriminierung, wenn nur 15 Prozent der Positionen von Frauen besetzt werden. Liegt der Anteil der Kandidatinnen, was der Wirklichkeit vermutlich wesentlich näher kommt, bei 10 Prozent, kann von einer Diskriminierung keine Rede sein.

Einsatz für Chancenungleichheit
 

Es ist also ein simpler statistischer Taschenspielertrick, mit dessen Hilfe die verpflichtende Frauenquote zur Durchsetzung von Chancengleichheit instrumentalisiert wird. Tatsächlich ist sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Gegenteil: Ein Instrument zur Etablierung von Chancenungleichheit. Sie bedeutet eine massive Benachteiligung von männlichen Kandidaten und ist damit vermutlich sogar verfassungswidrig.

Die drei Beispiele zeigen, dass es sich lohnen kann, sich mit einigen einfachen statistischen Gesetzmäßigkeiten vertraut zu machen. Es stimmt nämlich: Man kann mit Statistik tatsächlich alles beweisen - aber nur dem naiven Leser.

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Hannah Wachter | Di., 27. Dezember 2016 - 11:46

Das Thema des Artikels, die Aufforderung, Statistiken grundsätzlich erst im Kontext zu überprüfen bevor man mit ihnen argumentiert, ist durchaus interessant. Das Beispiel der Frauenquote ist jedoch an dieser Stelle völlig falsch gewählt.
Dass sich weniger Frauen um hohe Posten in Unternehmen bewerben als Männer stimmt durchaus. Dies liegt an der Vorstellung, welche Rolle man als Frau bzw. als Mann in der Gesellschaft einnimmt. Ein entsprechendes Selbstbild ist die Folge. Das Bild, welches wir über Mann- bzw. Frau-Sein in unseren Köpfen tragen erfährt zunehmend einen Wandel, je mehr Frauen klassische Männerrollen besetzen bzw. umgekehrt. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung.
Frauen bekämen nach Gesetz Aufsichtsratsposten aufgrund ihres Geschlechts.
Dies soll der aktuellen Situation entgegenwirken, in welcher Männer aufgrund ihres Geschlechts Aufstiegschancen gewährt bekommen, die Frauen aufgrund ihres Geschlechts verwehrt bleiben.