- „Feminismus ekelt mich nicht an“
Durch ihren Blog „Sudelheft“ wurde Ronja von Rönne bekannt. Im April 2015 schrieb sie in der Welt einen kontrovers diskutierten Abgesang auf den modernen Feminismus. Ihr Debütroman „Wir kommen“ erschien Anfang des Monats. Ein Interview über Depressionen, die AfD und Feminismus
Zwei Wochen vor Erscheinen Ihres Debütromans „Wir kommen“ haben Sie auf Ihrem Blog „Sudelheft“ geschrieben, Sie fühlten sich furchtbar. Wovor genau hatten Sie Angst?
Vor negativen Rezensionen, davor, dass keiner das Buch liest oder alle. Dass es untergeht oder besprochen wird. Dass meine Person wieder im Vordergrund steht. Ich bin sehr gut im Ängstigen und ich hatte mit allen Befürchtungen recht.
Was sind für Sie die schlimmsten Rezensionen?
Am schlimmsten sind Rezensionen, die sich über einen Hype um meine Person beschweren und offensichtlich nicht merken, dass sie es sind, die einen solchen generieren. Nicht ich.
Die Protagonistin Ihres Romans, die latent depressive Nora, kommt wie der Prototyp ihrer Generation daher. Wie viel Ronja steckt in Nora?
Nichts, ich habe mir alles ausgedacht. Und Nora sollte auch nicht der Prototyp einer Generation werden. Das schreiben Zeitungen über mein Buch, ich habe das nie behauptet. Es ist ein Roman, der Möglichkeiten aufzeigt und ein Leben skizziert, keine Polemik, die eine Generation verdammt.
Warum sind junge Menschen, die heute so viele Freiheiten haben wie nie zuvor, so oft depressiv?
Ich weiß nicht, ob das ein Zeitgeistphänomen ist. Vielleicht ist das Hadern eher ein Symptom der Jugend. Das ist eine Frage, auf die man irgendwas über gesellschaftlichen Druck und soziale Netzwerke nuscheln könnte. Aber diese Generationenfragen kann ich nicht beantworten, ich kenne nur diese Zeit, diese Gegenwart, davor war ich tot, einen Vergleich zu ziehen käme mir anmaßend vor. Davon abgesehen: Ennui ist ein Luxusprodukt, und natürlich sind davon eher gelangweilte und wohlstandsverwahrloste Menschen betroffen, als solche in akuten Krisensituationen.
Sehen Sie sich als Prototyp Ihrer Generation? Was macht Ihre Generation aus?
Himmel. Nein. Eine Generation ist die Summe seiner Individuen. Das macht sie aus, so wie jede davor. Ich bin eines davon, nicht mehr.
Wie begegnet man am besten einem Verriss?
Am besten begegnet man ihm nicht, sondern vermeidet ihn. Entweder, indem man ein geniales Buch schreibt, oder indem man ihn nicht liest. Ein geniales Buch schreiben ist sehr schwer, deshalb habe ich meinen Verlag gebeten, mir nur die positiven Rezensionen weiterzuleiten. Allerdings stolpert man online ja doch darüber. Dann hilft nur, sich selbst davon zu distanzieren. Es geht ja nie um die Person, selbst wenn es in den meisten Artikeln zu meinem Buch nur um meine Person geht. Aber natürlich nicht in echt. In echt kennen mich diese Menschen ja nicht. Dem Ego ist das leider egal, das fühlt sich trotz aller Vernunft auf den Schlips getreten. Am Ende hilft: tapfer sein.
Sie haben neulich ein recht unvorteilhaftes Bild von sich auf Facebook geteilt. War das eine Reaktion auf die Leute, die Ihre Popularität nur auf Ihr attraktives Äußeres zurückführen?
Genau das.
Ihr Blog-Beitrag zur Flüchtlingsproblematik lautet: „Entweder du kochst in einer ARD-Alpha-Show ein traditionelles Gericht aus deiner Heimat oder wir fackeln dein Haus ab.“ Was genau kritisieren Sie an der Flüchtlingsdebatte?
Ich kritisiere nicht direkt, ich suche nur in all der Hysterie nach Pointen, die Missstände und Missverständnisse humoristisch aufzeigen.
Was für Missstände meinen Sie damit?
Schlimm ist, wenn Angst zum Motor aller Handlungen wird. Wenn Entscheidungen aus Angst geboren werden. Fremdenhass ist ein Beispiel dafür. Tatsächlich kann man Ängste übrigens nur durch Konfrontation besiegen, nicht durch Vermeidung. Das gilt in der Psychotherapie und für Leute, die gerne an den Behausungen anderer herumzündeln.
Ekelt Sie eher die AfD an oder Merkels Kurs in der Flüchtlingskrise?
Die AfD ist ein sehr scheußlicher Verein. Trotzdem hilft es nicht, sich moralisch über sie zu erheben und sie von Diskussionen auszuschließen. Wie die letzten Wahlen eindrucksvoll bewiesen haben.
Sie wollen darüber nicht mehr sprechen. Dennoch muss die eine Frage abschließend gestattet sein: Ekelt Sie der Feminismus immer noch an?
Ich bin es so müde, diese Frage zu beantworten. Ein letztes Mal also: Der Artikel ist in der Printausgabe der Welt als eine von vier Radikalpositionen zum Thema Feminismus angekündigt worden. Dementsprechend hart war meine Wortwahl. Als Rollenprosa in Ordnung, aber als der Artikel online alleine erschien, war der Ton etwas fehl am Platz. Feminismus per se ekelt mich natürlich nicht an. Ich wollte den zeitgenössischen Netzfeminismus angreifen, nicht die Idee, Frauen sollten grundsätzlich die gleichen Chancen wie Männer haben. Das wäre wohl von jeder Frau, die nicht wieder hinter den Herd gescheucht werden möchte, sehr kontraproduktiv.
Das Interview führte Nils Leifeld.
Ronja von Rönne, Wir kommen. 208 Seiten, erschienen am 4. März 2016, 18,95 Euro.
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