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Gebührenfernsehen - Pay-TV im Demokratiegewand

Der gegenwärtige Unmut über die neuen Rundfunkgebühren entzündet sich zwar an den Neuerungen, ist aber im Kern eine nachvollziehbare Reaktion auf das paternalistische und freiheitsfeindliche Demokratieverständnis der Bundesrepublik. Ein Kommentar

Matthias Heitmann

Autoreninfo

Matthias Heitmann ist freier Publizist und schreibt für verschiedene Medien. Kürzlich hat er das Buch „Entcoronialisiert Euch! Befreiungsschläge aus dem mentalen Lockdown“ veröffentlicht. Seine Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de.

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Die Argumente, mit denen die neue Rundfunkgebühr, die jeder Haushalt unabhängig von dem dortigen Konsum öffentlich-rechtlicher Medien zu entrichten hat, verteidigt wird, treiben in der aktuellen Debatte schillernde Blüten. Jörg Schönenborn, Chefredakteur vom WDR-Fernsehen, nennt die neue Rundfunkgebühr eine „Demokratie-Abgabe“, der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der „das Funktionieren unserer Demokratie“ sichere, zustehe.

Es wäre zu billig, die öffentlich-rechtlichen Sender nach der für die Demokratie so wichtigen Funktion von Andy Borg oder der Sportschau befragen zu wollen. Im Gegenzug müsste man dann auch dem Privatsender „N24“ aufgrund seines fortgesetzten Ausstrahlens der Doku-Serie „Zukunft ohne Menschen“ einen Hang zur apokalyptischen Misanthropie unterstellen. Letztere, so könnte man argumentieren, werde immerhin regelmäßig durch unterhaltsame Werbung unterbrochen, doch hinsichtlich ihres Beitrags zur Demokratie ist dies auch schon der einzige Unterschied. Ebenfalls zu billig wäre es wohl auch, einen Vergleich zu den Printmedien anzustrengen und ein Szenario zu entwickeln, in dem öffentlich-rechtliche Zeitungen existierten, die von ihren Lesern nicht eigenhändig erworben und bezahlt werden müssten, sondern jedermann zugestellt und über eine allgemeine Briefkastengebühr finanziert würden.

Die Neuorganisation der Rundfunkgebühr einzig mit dem Verweis auf Datenschutzprobleme abzulehnen, greift ebenfalls zu kurz und rechtfertigt zumindest die aktuelle Aufgeregtheit nicht. Tatsächlich bot auch die alte Regelung über Jahrzehnte hinweg hinreichend Anlass, trefflich über den Datenschutz und das Recht auf Privatheit im Zusammenhang mit der Ermittlung von GEZ-Gebührenprellern zu streiten. Da zudem der Datenschutz gerade im Zeitalter von Social Media und des allgegenwärtigen Exhibitionismus nicht unbedingt als Richtschnur des praktizierten Common Sense gilt, erscheint die Diskussion darüber, ob und warum Öffentlich-Rechtliche frei zugängliche Informationen nicht verwenden dürfen sollten, wenn doch der Zweck gerechtfertigt sei, zumindest langwierig zu werden.

Nicht zu billig, sondern recht und billig ist es aber, eben diesen Zweck und das dahinterstehende Selbstverständnis der öffentlich-rechtlichen Anstalten einmal grundsätzlich zu hinterfragen. Denn offensichtlich halten sich diese bereits seit Jahrzehnten für so unersetzlich für das Funktionieren der Demokratie, dass sie sich berechtigt sehen, mittels einer Rundfunkgebühr auch jene zur Kasse zu bitten, die gar nicht empfangsbereit und -willig sind.

Diese Sichtweise und was sie über die vermeintlichen Grundbedingungen einer funktionierenden Demokratie aussagt, erscheint mir als überaus fragwürdig: Denn eigentlich hat Demokratie zumindest im Kern etwas mit Wahl- und Entscheidungsfreiheit zu tun – und damit ist nicht nur die Senderwahl gemeint. Zudem sollte man eigentlich davon ausgehen, dass Demokratie ein wenig mehr beinhaltet als nur das Versenden verfassungskonformer Botschaften an „Empfänger“. Deren urwüchsige Demokratiefähigkeit aber dadurch indirekt infrage zu stellen, dass man das Versenden von öffentlich-rechtlichen Inhalten als für das Funktionieren der Demokratie geradezu unerlässlich lobpreist, ist eine seit Jahrzehnten praktizierte offene Beleidigung des Souveräns.

Seite 2: Über die Mär von der Abhängigkeit der Demokratie vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Freilich ist diese Haltung keine Erfindung von ARD, ZDF, KIKA und Deutschlandfunk sondern vielmehr Staatsräson der Bundesrepublik insgesamt. Diese basiert seit jeher darauf, die Entwicklung des Gemeinwesens nicht durch die Gewährung größtmöglicher politischer und kultureller Freiheiten und Spielräume und somit durch eine Stärkung von innen heraus sicherzustellen. Stattdessen wird permanent die vorgebliche Zartheit des demokratischen Pflänzchens betont, welches deshalb unbedingt hermetisch von jeder vorstellbaren Konfrontation mit herausforderndem und anderweitig verführerischem Denken abzuriegeln ist.

Zwar räumt man, um demokratischen Ansprüchen halbwegs zu genügen, den Bürgern die Möglichkeit ein, wenn nicht offen, so zumindest teilweise undemokratische Parteien wählen zu können. Dies bedeutet aber nicht, die Obrigkeitsattitüde so weit aufzugeben, dass man davon ausgeht, der staatliche Bildungsauftrag ende mit der Schulpflicht. Vielmehr bedarf der Bürger, so der bundesrepublikanische Demokratieansatz, auch darüber hinaus einer geistig-moralischen Führung mit staatlichem Gütesiegel, um ihn vor den Exzessen der Freiheit und damit vor sich selbst zu beschützen. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der Qualität des öffentlich-rechtlichen Inhaltsangebots wider.

Auf diesem gedanklichen Fundament ist es nur logisch, dass gefälligst auch diejenigen Haushalte in Deutschland eine „Demokratie-Abgabe“ zu leisten haben, die die Inhalte nicht konsumieren, sondern nur davon profitieren, dass andere die für das Funktionieren der Demokratie unerlässlichen Inhalte aufnehmen und so die „freie Gesellschaft“ am Leben erhalten. Die Nichtkonsumenten sind zwar streng genommen keine Zechpreller, entziehen sich aber, so die Logik, durch ihren Nichtkonsum ihrer staatsbürgerlichen Verantwortung der aktiven Gesellschaftsentwicklung. Entsprechend werden sie behandelt: nicht als Kriminelle, wohl aber als potenzielle Ordnungsverweigerer. Da aber diese Unterscheidung so leicht nicht fällt, bleibt die GEZ, wie sie ist, auch wenn sie künftig „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice heißt“ und nicht mehr an den Türen klingelt, sondern mithilfe der Melderegister Beitragsschuldner zu ermitteln versucht.

Die eigentlich entscheidende Frage lautet also nicht, wie Rundfunkgebühren gerecht zu erheben sind, sondern vielmehr, wie lange wir noch bereit sind, an die Mär von der Abhängigkeit der Demokratie vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu glauben.

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