- „Okay, wir wollen Krieg führen und führen ihn“
Zum Jahreswechsel zeigen wir Ihnen noch einmal die erfolgreichsten Artikel aus dem Jahr 2012. Im Dezember:
Cicero Online exklusiv: Ein Jahr lang rätselte die Nation über jene Worte, die der damalige Bundespräsident im Dezember 2011 zu Beginn der Wulff-Affäre auf der Mailbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann hinterließ. Jetzt ist das Rätsel so gut wie gelöst.
Als Leo Tolstoi 1868 seinen Roman „Krieg und Frieden“ veröffentlichte, lagen die darin beschriebenen Ereignisse bereits mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. So lange hat der Berliner Maler Clemens von Wedel nicht gebraucht, um die schlagzeilenträchtige Auseinandersetzung zwischen dem Axel-Springer-Verlag und dem damals noch amtierenden Bundespräsidenten Christian Wulff künstlerisch umzusetzen. Sondern nur ein knappes Jahr, in dem er sich allerdings mit geradezu manischer Schaffenskraft der „Causa Wulff“ widmete.
Um Krieg und Frieden ging es damals ja tatsächlich – immerhin drohte der Bundespräsident in der ebenso legendären wie geheimnisumwitterten Nachricht, die er dem Chefredakteur der Bild-Zeitung auf dessen Handy-Mailbox hinterließ, mit „Krieg“. Wulff befand sich im Spätherbst 2011 auf einer Reise durch mehrere Golfstaaten, als er von der Heimatfront erfuhr, dass die Bild-Zeitung eine Veröffentlichung über besonders günstige Konditionen für einen Hauskredit plane. Daraufhin ließ er sämtliche staatsoberhauptliche Contenance fahren und versuchte, Bild-Chef Kai Diekmann direkt an die Strippe zu bekommen. Als dieser sich nicht meldete, sondern lediglich dessen Mailbox, sprudelten die Worte aus dem Bundespräsidenten offenbar nur so heraus. Das Hinterlassen länglicher Nachrichten auf den Anrufbeantwortern von Mobiltelefonen ist seitdem unter dem Begriff „wulffen“ als neue Wortschöpfung in den Sprachgebrauch eingegangen.
[gallery:Christian Wulff – Künstlerisches Protokoll eines Kontrollverlustes]
Doch immer noch rätselt die Nation, was der Bundespräsident dem Chefredakteur von Deutschlands größter Boulevardzeitung wohl so dringendes mitzuteilen hatte. Dieses Rätsel wird bald gelöst sein, wenngleich die Lösung immer noch ziemlich rätselhaft anmutet und einer gewissen Kunstfertigkeit im Dechiffrieren bedarf. Denn Clemens von Wedel, der über den Original-Wortlaut von Wulffs Ansage verfügt, hat den Redefluss des damaligen Bundespräsidenten auf sechs großen Leinwänden verewigt. Sämtliche Textpassagen sind klar und deutlich zu erkennen, sie sind jedoch vom Künstler neu kompiliert worden.
Doch wer sich ein bisschen Mühe gibt, wird schnell im Bild sein über die Ansage des ehemaligen Staatsoberhaupts – und über sein Rollenverständnis gleich noch dazu. „Ich bin jetzt im Gespräch, und dann hab ich hier eine Rede zu halten und bin erst wieder in eineinhalb Stunden in der Lage, dort in der deutschen Botschaft zu sprechen. Ich würde aber gern mit Ihnen sprechen, denn dass man nicht bis Mittwoch wartet, die Dinge bespricht und dann sagt, okay, wir wollen Krieg führen und führen ihn, das finde ich sehr unverantwortlich von Ihrer Mannschaft.“ In diesem Stil holpert es sich in eher unpräsidialem Ton über sechs Leinwände hinweg der Schlusssentenz entgegen: „Dankeschön, auf Wiederhören, Herr Diekmann!“
Vom 12. Dezember an werden Clemens von Wedels Bilder erstmals öffentlich gezeigt (siehe Interview), auf Cicero Online sind einige von ihnen exklusiv vorab zu sehen. Den ganzen Zyklus zeigt das Magazin Cicero in seiner Januar-Ausgabe, ab 20. Dezember am Kiosk.
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