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Angela Merkel - Vom nahen Ende einer Kanzlerinnenschaft

Kisslers Konter: Die Große Koalition könnte für die Kanzlerin zum persönlichen Fiasko werden. Neben SPD und CSU wird sie die programmatische Leere der CDU nicht länger verdecken können, schreibt unser Kolumnist.

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Vom Gipfel führen alle Wege bergab, nach dem Zenit folgt der Abschwung, auf den Triumph der Kater: So wird es nun auch Angela Merkel ergehen. Nicht als ewige Kanzlerin wird sie in die Geschichte eingehen, sondern als die Frau, deren Machtbewusstsein in einer Großen Koalition zerrieben wurde. Darauf deutet der neue „Mediatenor“, demzufolge Merkel in 24 „tonangebenden deutschen Medien“ vom dritten zum viertel Quartal 2013 rapide an Ansehen eingebüßt habe. Sie erfreut sich nun noch einer Zustimmungsrate von sieben (statt 16) Prozent und erfährt Kritik in 37 (statt 25) Prozent der jeweiligen Berichte. Guido Westerwelle, ergänzen die Macher von „Mediatenor“ sei es vom vierten Quartal 2009 zum ersten Quartal 2010 ähnlich ergangen.

Die FDP ist heute zur außerparlamentarischen Opposition geschrumpft, Westerwelle nicht mehr ihr Parteivorsitzender. Dieses Schicksal droht der CDU nach Merkel nicht. Klarer aber wird nun täglich, dass der hohe Sieg bei der Bundestagswahl ein Pyrrhus-Sieg für die Union war. An der Seite eines trotz desaströsem Ergebnis – man erinnere sich: die SPD wollte den Bundeskanzler stellen – zwischen Selbstgefälligkeit, Aggressivität und Machismo schwankenden SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel wird sich der prinzipienschonende Politikstil der Angela Merkel zur Unkenntlichkeit abschleifen. Ja, mehr noch: Die Große Koalition wird sich als bloßes Machtvehikel zur Kanzlerinnenschaft Merkels erweisen.

Der törichte Satz Gabriels, erst komme die Partei, dann das Land, lässt sich mit einer leichten Variation auf Merkels Ehrgeiz übertragen: Erst kommt die Kanzlerin, dann lange nichts, dann das Land, das sie regieren will, dann die Partei. Die Versuche, ein solches Machtdreieck als Staatsräson auszugeben, werden an der Realität zerschellen. Warum nämlich soll ein Wählervotum, das zunächst einer Partei galt, im Nachhinein umgedeutet werden zum Blankoscheck für eine Politik, in der die Programmatik von CDU und CSU nur wie ein sehr fernes Echo widerhallt?

Wo einmal CDU war, gibt es heute nur noch Merkel


Die bisherige Beliebtheit der Kanzlerin wird sich je länger, je schneller in Überdruss verwandeln. Sie wird nicht mehr die Lobbyismen einer Kleinpartei namens FDP im Sinne politischer Vernunft und des übergeordneten Gemeinwohls bändigen können. Nein, sie wird zwischen zwei Parteivorsitzenden, die sich in den Zaubertrunk ewiger Stärke gefallen wähnen, gänzlich entzaubert sich sehen. Neben der einigermaßen klaren politischen Agenda von SPD und CSU wird die programmatische Leere der CDU desto düsterer erscheinen.

Angela Merkel wird auf sich und nur auf sich verweisen können, um den beiden Alpha-Tieren in die Speichen zu greifen. Denn wo einmal die CDU war, da gähnt ein bloßer Nutzen, da triumphiert der reine Zweck, und alle Zwecke münden in sie, in Angela Merkel. Das Märchen von des Kaisers, pardon, der Kaiserin neuen Kleider erfährt im großkoalitionären Tagesgeschäft seine tägliche Aufführung.

Irgendwann wird die Kanzlerin wie ein trotziges und neunmalkluges Kind erscheinen, das allen fremden Ansprüchen nur ein „Ich will aber nicht“ entgegensetzen kann. Auf dieses Ich, auf das Ich der Angela Merkel, wird sich das Regieren der Kanzlerin verkürzen. Bald wird das Volk dieses Schauspiels überdrüssig sein, und dann wird es rufen: Gebt uns einen neuen Kaiser, pardon, einen neuen Kanzler. Die CDU aber wird am Wegesrand stehen und sich abwenden und erkennen: mit ihr hat das alles längst nichts mehr zu tun.

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