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Kein Kaffee mit Nike Wagner
Am 25. Juli werden die diesjährigen Bayreuther Festspiele eröffnet – erstmals unter jener weiblichen Doppelspitze Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier, die im Vorfeld mal für Polemik, mal für Furore sorgte. Ein Besuch im Allerheiligsten der Wagnerianer.
Im Festspielhaus wird umgebaut. Die neue Chefin der Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner, hat dabei keine Tabus: Wo über Dekaden der Vater residierte, zieht das Künstlerische Betriebsbüro ein. Sie selbst residiert im Erdgeschoss, in Rufweite zu ihrer Halbschwester und Mit-Chefin Eva Wagner-Pasquier, die noch zwischen Aix-en-Provence und Bayreuth pendelt. Ihre Verträge laufen bis 2015. Katharina Wagner trägt eine schwere Lederjacke über dem Tanktop und Cargopants. Ein bisschen eingeigelt sieht das aus, als brauche sie eine schützende Schale. Nach jahrelangen Querelen um die Nachfolge ihres Vaters, des Wagner-Enkels Wolfgang, der das Opernfestival 54 Jahre lang regierte, wird nach vorn geschaut.
Hell werden alle Büros. Als wolle sie die letzten Schatten der Vergangenheit vertreiben – die der NS-Vergangenheit, in der Hitlers Wagner-Begeisterung und Winifred Wagners Freundschaft zum „Führer“ das Haus dicht an die braunen Machthaber heranzog. „Es gibt Tausende Winkel hier, die durchsucht werden müssen“, sagt Katharina Wagner. „Es müssen alle Räume und alle Archive offen stehen. Und wenn da nichts mehr gefunden wird, dann möchte ich es endlich seriös von einer ganzen Reihe von Leuten bestätigt haben.“ Ein Team unabhängiger Forscher wird sich an die Arbeit machen, sobald Sponsoren gefunden sind. 2013 sollen erste Ergebnisse vorliegen. Sie selbst wird sich heraushalten – „sonst heißt es gleich wieder: Die wollen da etwas vertuschen.“ Muss sie als Chefin jetzt diplomatischer handeln? Ihr fränkischer Akzent wird stärker, wenn sie emotional antwortet: „Das hat nichts mit Diplomatie zu tun, ich bin bloß einfach ned blöd – auf gut Deutsch. Ich war in solchen Sachen schon immer vorsichtig, weil ich diese Familie kenne.“
Dass die Büsten Richard und Cosima Wagners im Park unterhalb des Festspielhauses von Hitlers Lieblingsbildhauer Arno Breker stammen, erklären seit kurzem Tafeln. „Ein guter Schritt der Stadt“, meint Katharina. Und 2010 soll die Ausstellung „Verstummte Stimmen“ über die Vertreibung der Juden aus den deutschen Opernhäusern nach Bayreuth kommen: „Eine tolle Ausstellung, sie muss hierher.“
Manches bleibt. Bei den Festspielen gibt es weiterhin ausschließlich Wagner zu hören und zu sehen, auch deshalb, weil das so in der Stiftungssatzung steht. Auch die zeitliche Beschränkung auf fünf Wochen bleibt, alles andere sei „zu teuer“. Also werden viele Kleinigkeiten geändert, die in ihrer Summe die verstaubte Weltmarke „Bayreuther Festspiele“ in die Gegenwart holen sollen: neue Programmhefte, neue Uniformen fürs Personal, eigene Einführungsvorträge, neue Website, Podcasts zur Festspielzeit. Und – Revolution! – bald sogar die Möglichkeit, für die Karten im Internet Schlange zu stehen, wobei die Wartezeit bis zu zehn Jahren dauern kann. Dazu Großbild-Events für 40000 Open-air-Zuschauer, eine DVD-Edition und eine Kinderoper zum „Fliegenden Holländer“. Die Kunst bei all dem? Man muss das Geld dafür bekommen.
Über neue Pläne für die Bühne sagt Katharina Wagner wenig. Erste eigene künstlerische Akzente kann das Schwestern-Team erst ab 2013 setzen, „bis dahin ist alles in trockenen Tüchern“. Dann, im Jubeljahr zum 200. Geburtstag Richard Wagners, wird ein neuer „Ring des Nibelungen“ geschmiedet. Daran wird man die Chefinnen messen. Wer wird Regie führen? Absolute Geheimsache. Sie spricht von einem „Regisseur“ – und schließt sich selbst aus. „Ich inszeniere erst 2015 wieder. Es sollen ja keine Katharina-Wagner-Regie-Festspiele werden.“ Sie will Regisseure engagieren, „die handwerklich spitze sind und dann noch eine Aussage haben“. Das ist hübsch allgemein; mit Konkretem ist sie vorsichtig; zwei Hoffnungsträger verrät sie immerhin: Sebastian Baumgarten für den „Tannhäuser“ 2011 und Sebastian Nübling für den „Holländer“ 2012, beides profilierte junge Regisseure.
Einer anderen Dauerkritik kommt sie zuvor: „Musikalisch können wir einiges verbessern. Wir können uns die Sänger nicht schnitzen, sollten aber die finden, die es am besten singen können.“ Das ist nie einfach bei den eher niedrigen Bayreuther Gagen. Immerhin tritt mit Jonas Kaufmann im „Lohengrin“ 2010 ein Schwanenritter mit Star-Faktor an. Ums Orchester soll sich weiter vor allem der Münchner Top-Dirigent Christian Thielemann kümmern.
Könnte sie sich, nachdem sie nun auf dem Chefsessel sitzt, einen versöhnlichen Handschlag mit Nike Wagner, ihrer Konkurrentin aus Weimar, vorstellen? „Kann ich schon. Obwohl mich diese Frau eigentlich seit meiner Geburt beleidigt. Ich habe Interesse an Inhalten, aber nicht daran, dass man diesen ganzen Familien-Clan zur Seifenoper verkommen lässt. Ich werde aber nicht die sein, die sagt: Wir müssen jetzt unbedingt mal einen Kaffee trinken gehen.“
Foto: Picture Alliance
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