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Kirche - Päpste sollten nicht heilig gesprochen werden

Kisslers Konter: Die Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. sollen heilig gesprochen werden - wegen „heroischer Tugendübung“. Da diese aber zur Beschreibung des päpstlichen Jobs gehört, zeigt die Kirche vor allem eines: Kanonisierung ist Willkür

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Am Sonntag wird Rom aus allen Nähten platzen. Eine Million Pilger oder mehr wollen einer doppelten Heiligsprechung beiwohnen. Papst Franziskus wird seine Vorgänger Johannes XXIII. und Johannes Paul II. zur „Ehre der Altäre“ erheben. Dann können die beiden 1963 und 2005 gestorbenen Männer weltweit, wie es im Katechismus heißt, als „Vorbilder und Fürsprecher“ öffentlich verehrt und im Gebet angerufen werden. Der amtierende Papst wird zu diesem Zweck bestätigen, dass Angelo Giuseppe Roncalli und Karol Wojtyła „durch heroische Tugendübung ein hervorragendes Zeugnis für das Himmelreich“ abgelegt haben.

Haben sie das?

Machen kluge Appelle heilig?


In die kurze Regentschaft Johannes XXIII. fallen die Einberufung und der Beginn des bisher letzten Vatikanischen Konzils vor über 50 Jahren. Dieses kirchenhistorisch bedeutsame Ereignis hat Epoche gemacht - sei es im Guten, sei es im Schlechten. Roncallis Absicht war es, durch einen kraftvollen missionarischen Impuls die Kirche in den Stürmen der Moderne wetterfest zu machen. Dieses Ziel mag nachkonziliar missglückt sein, an der Lauterkeit von Gesinnung und Gesittung gibt es keinen Zweifel. Ein Papst tat trotz Widerständen, wozu er als Papst ermächtigt war und wozu er sich genötigt sah.

Macht die Art und Weise der Amtsführung einen Papst zum Heiligen? Offenbar.

Johannes Paul II. wiederum war ein Jahrhundertpapst. Er stritt mit den Waffen des Wortes, der Bilder und der Kirchendisziplin gegen den Kommunismus ebenso wie gegen Abtreibung und Ausbeutung, Turbokapitalismus und Theologenblödsinn. Auch vor dem nahenden Tod streckte er die Waffen nicht, verblieb – anders als Benedikt XVI. – auf dem Posten und stellte sein Leid in den Dienst der Verkündigung. Unbeugsam war er bis zuletzt, forsch und unerschrocken. Seine 14 Enzykliken waren ebenso flammende und kluge Appelle an das Menschliche im Menschen wie seine „Theologie des Leibes“ und sein Dialog mit dem Judentum. Doch macht all dies einen Papst zum Heiligen?

Unter Papst Franziskus im Spartarif zum Heiligen


Wer seinen Glauben an Christus mit dem Leben bezahlt, ein Märtyrer ist, kann zu Recht für heilig erklärt werden. Beim Bekenner und dessen „heroischer Tugendübung“ sind der Abwägung und damit der Laune des Augenblicks Tür und Tor geöffnet. Warum etwa werden andere Päpste nicht kanonisiert? Haben Paul VI., Pius XI., Benedikt XV., Leo XIII. – allesamt bedeutende Regenten – den berühmten Dreck am Stecken? Waren sie weniger heroisch, weniger tugendsam, also feige und liederliche Gesellen? Was muss man Pius VI. und Pius VII. vorwerfen, die doch immerhin der Französischen Revolution und Napoleon die Stirn boten? Sinistre Gestalten auch sie? Gewiss nicht, doch solche Fragen provoziert, wer Päpste im Eiltempo zur Heiligsprechung durchwinkt, ohne die Öffnung der Archive abzuwarten, oder ihnen gar, wie es Franziskus tat, in Machtvollkommenheit das eigentlich notwendige Wunder erlässt. Johannes XXIII. wurde gewissermaßen im Spartarif zum Heiligen.

Nein, die Heiligsprechung von Päpsten durch Päpste ist ein Problem. Gewiss kann jeder Heilige den Weg zum Himmel neu zeigen, gewiss ist jede Kanonisierung, wie es im „Lexikon für Theologie und Kirche“ heißt, zunächst eine „Aussage der Kirche über sich selbst“. Die Kirche verbürgt sich für die Heiligen und drückt so ihr eschatologisches Bewusstsein aus.

Dennoch: Päpste für ihr je individuelles Papsttum auszuzeichnen, verkennt den unvergleichlichen Zuschnitt dieses Amtes. Bei Päpsten gehört die „heroische Tugendübung“ zur Arbeitsplatzbeschreibung. Wer daran scheitert, darf auf den gnädigen Mantel des Vergessens hoffen. Wer darin aber andere überragt, tatsächlich oder vermeintlich, sollte mit der Demut der Nachgeborenen rechnen dürfen. Ehrgeizfördernde Fleißkärtchen und Mitarbeiterurkunden, ausgestellt vom Nachfolger, sind ein gar zu weltlich‘ Ding.

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